Vier Jahrzehnte hat Jürgen Vietor, 76, der frühere Lufthansa-Pilot die ungewöhnlichen Andenken zuhause in Quickborn bei Hamburg aufgehoben. Sie stammen aus dem Cockpit der im Herbst 1977 von palästinensischen Terroristen entführten "Landshut". Es ist ein künstlicher Horizont (ein Instrument, das die Fluglage der Maschine darstellt) und ein Trimmrad.

Beide Instrumente liegen jetzt in einer gläsernen Vitrine im Friedrichshafener Dornier-Museum – als stumme Zeugen einer denkwürdigen Nacht. Es ist jene Nacht, in der die Elite-Einheit GSG (Grenzschutzgruppe) 9 die "Landshut" auf dem Flughafen von Mogadischu stürmte, die Terroristen außer Gefecht setzte und alle Passagiere sowie die Crew befreite. Deutschland atmete auf. Das war genau heute vor 41 Jahren, am 18. Oktober 1977.

Jürgen Vietor, 76, zuhause in Quickborn bei Hamburg. Seine Hand ruht auf dem Gehäuse des künstlichen Horizonts aus dem Cockpit der ...
Jürgen Vietor, 76, zuhause in Quickborn bei Hamburg. Seine Hand ruht auf dem Gehäuse des künstlichen Horizonts aus dem Cockpit der "Landshut". In der Mitte das zerstörte Trimmrad. Rechts hält Vietor sein Flugbuch aus dem Jahr 1977. Bilder: J. Vietor | Bild: Jürgen Vietor

Die Instrumente erzählen eine dramatische Geschichte. Wer den künstlichen Horizont genau betrachtet, sieht am Gehäuse unten rechts eine Delle mit abgesplittertem Lack – das Werk einer Kugel aus der Waffe eines GSG-9-Beamten. Eine andere Kugel durchschlug das Trimmrad und zerlegte es in zwei Teile.

Unten ist eine Delle im künstlichen Horizont. Hier schlug die Kugel des GSG-9-Polizisten ein. Co-Pilot Vietor saß nicht im Cockpit, als ...
Unten ist eine Delle im künstlichen Horizont. Hier schlug die Kugel des GSG-9-Polizisten ein. Co-Pilot Vietor saß nicht im Cockpit, als geschossen wurde. | Bild: Jürgen Vietor

Jürgen Vietor erzählt am Telefon plastisch von den Geschehnissen: "Die Kugeln hätten auch mich treffen können", sagt der Lufthansa-Pensionär, der für die Übergabe der Instrumente mit dem Wohnmobil an den Bodensee gefahren ist. "Aber zum Glück war ich beim Sturm auf die Maschine nicht im Cockpit!" so Vietor zum SÜDKURIER.

Auf dem Sitz des Kapitäns saß der "Captain Mahmud" genannte Chef der Terrorgruppe, die die Boeing 737 Tage zuvor beim Rückflug von Mallorca nach Frankfurt in ihre Gewalt gebracht hatte. "Mahmud" hatte in Aden den Flugkapitän Jürgen Schumann kaltblütig erschossen, weil er ihm unterstellte, dass er Hilfe für eine Befreiung organisieren wollte.

Während die Reste der im vergangenen Jahr von Brasilien nach Friedrichshafen geholten "Landshut" in einem Hangar auf die Restaurierung warten, ist die kleine Vitrine im Museum eine Art Auftakt für das geplante Museum mit der "Landshut" als Mittelpunkt. Die kuratorische Projektleiterin Barbara Wagner freut sich: „Die Leihgaben von Jürgen Vietor erlauben es uns, Besuchern jetzt schon einen ersten plastischen Eindruck von den dramatischen Ereignissen an Bord zu vermitteln."

Jürgen Vietor vor der Rumpfnase der "Landshut". In einem Hangar des Bodensee-Airports wartet die Maschine darauf, wieder zusammengebaut ...
Jürgen Vietor vor der Rumpfnase der "Landshut". In einem Hangar des Bodensee-Airports wartet die Maschine darauf, wieder zusammengebaut und restauriert zu werden. Bild: Mommsen | Bild: Mommsen, Kerstin

Zusammen mit weiteren, von Zeit zu Zeit wechselnden Exponaten könne man, sagt Wagner, "immer wieder Einblicke in unsere Arbeit geben". Leihgeber Jürgen Vietor erhofft sich eine fortdauernde Wirkung auf die Besucher: „Ich freue mich sehr, dass meine alten Instrumente hier nun dauerhaft öffentlich zu sehen sind und so zu diesem wichtigen Ausstellungsprojekt beitragen, dass auch jüngeren Menschen die Geschichte von damals näherbringt.“

So etwa könnte sie dann wieder aussehen: Die "Landshut" in ihrem alten Lufthansa-Lack. So stand sie in Mogadischu in Somalia, als sie ...
So etwa könnte sie dann wieder aussehen: Die "Landshut" in ihrem alten Lufthansa-Lack. So stand sie in Mogadischu in Somalia, als sie vor 41 Jahren von der GSG-9 befreit wurde. Bild: Michel | Bild: SWR

Vietor selbst hat noch eine Erinnerung für das Museum daheim auf Lager: sein damaliges Flugbuch, in dem auch die Flüge der Odysee der "Landshut" nach Mogadischu verzeichnet sind. Vier Wochen später saß der passionierte Flieger wieder in der Maschine. Nicht in irgendeiner, sondern in der "Landshut".

Der künstliche Horizont (links) und Vietors Flugbuch.
Der künstliche Horizont (links) und Vietors Flugbuch. | Bild: Jürgen Vietor

Pfister und Wagner konzipieren derzeit die geplante Dauerausstellung in einem neu zu errichtenden Museumsbau neben dem jetzigen Dornier-Museum. Im Zentrum wird die Geschichte der Entführung stehen, wie auch die Auseinandersetzung mit dem Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) in den 70er-Jahren. Dazu wird das Flugzeug in ein Ausstellungskonzept eingebettet, das sich zum Ziel setzt, das Geschehen des Jahres 1977 im zeitgeschichtlichen Kontext anschaulich zu vermitteln.

Vor der Vitrine mit den Instrumenten aus der "Landshut". Von links: der wissenschaftlicher Projektleiter Jannik Pfister, die ...
Vor der Vitrine mit den Instrumenten aus der "Landshut". Von links: der wissenschaftlicher Projektleiter Jannik Pfister, die kuratorische Leiterin Barbara Wagner, der frühere Co-Pilot Jürgen Vietor und David Dornier, Direktor des Museums. Bild: Dornier-Museum | Bild: Dornier-Museum

Neben dem Flugzeug als Zentrum der Ausstellung brauchen wir natürlich noch weitere Exponate, um die Geschichte lebendig werden zu lassen“, erklärt der wissenschaftliche Projektleiter Jannik Pfister die Herausforderungen des Projekts. Wer noch interessante Dokumente oder Exponate zur „Landshut“ oder der Geschichte der RAF besitze, solle sich gerne melden.

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