Die Gesichter verraten die Niederlage als Erstes: Als Rektorin Katharina Holzinger mit der Uni-Leitung am Donnerstag, 22. Mai, kurz nach 17 Uhr ans Mikrofon tritt, blickt man in betroffene, fassungslose Minen. Soeben haben sie erfahren, dass der Exzellenzcluster „Collective Behaviour“ aus dem Rennen gefallen ist, jetzt muss Holzinger gleich zu ihrer Uni sprechen; es ist wohl einer der schwersten Momente in ihrer Zeit als Rektorin.

Der Cluster „The Politics of Inequality“ hat zwar den Zuschlag erhalten, doch niemand mag wirklich jubeln: Denn die Uni hat nicht nur einen Cluster verloren, sondern auch die Grundlagen für den Status als „Exzellenzuniversität“ – dafür hätte sie zwei erfolgreiche Anträge benötigt. Damit fehlen in Zukunft über hundert Millionen Euro an Fördergeldern und viel Prestige – für Universität, Stadt und Region.

Nach der Hiobsbotschaft für die Uni fließen Tränen

Am Donnerstag hat die Exzellenzkommission in Bonn ihre Entscheidungen verkündet. 98 Cluster hatten sich bundesweit für die Förderphase 2026 bis 2033 beworben, 70 erhielten den Zuschlag: Die Uni Konstanz war mit ihren zwei bestehenden Clustern im Wettbewerb, doch nur „The Politics of Inequality“ war erfolgreich, die Weiterförderung von „Collective Behaviour“ wurde abgelehnt.

„Wir haben leider gemischte Nachrichten“, sagt Katharina Holzinger (links im Bild). Dann muss die Rektorin den Anwesenden mitteilen, ...
„Wir haben leider gemischte Nachrichten“, sagt Katharina Holzinger (links im Bild). Dann muss die Rektorin den Anwesenden mitteilen, dass nur eines ihrer Exzellenzcluster den Zuschlag bekommen hat – damit haben sie auch den Titel der „Exzellenzuniversität“ verloren. | Bild: Alban Löffler

Im August wollte sich die Universität dann eigentlich auf die Förderlinie „Exzellenzuniversität“ (2027 bis 2033) bewerben, der Antrag war bereits vorbereitet – doch der verschwindet nun wieder in der Schublade: Eine „Exzellenzuniversität“ braucht zwei Cluster – das erfüllt die Uni Konstanz bald nicht mehr.

„Wir haben leider gemischte Nachrichten“, beginnt Katharina Holzinger ihre Rede. Nur kurz gibt es noch Jubel, als die Rektorin dem Exzellenzcluster „The Politics of Inequality“ gratuliert: Der Forschungsverbund wird ab 2026 weitere sieben Jahre gefördert, darf seine Arbeit in Konstanz fortsetzen.

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Doch der Applaus verhallt im Foyer, selbst das Mikrofon setzt kurz aus – die zweite Nachricht ist ein Schock: Der Cluster „Collective Behaviour“ habe keinen Zuschlag erhalten, sagt Holzinger: „Das ist eine Nachricht, die wir nicht nachvollziehen können.“ Als sie die Sprecher des Clusters nach vorn bittet, gibt es tröstenden Applaus, Umarmungen, es fließen Tränen.

Seit 2019 wurde „Collective Behaviour“ gefördert, die Uni Konstanz arbeitete gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie (Radolfzell), die Wissenschaftler forschten an Schwarmverhalten. Sie wollten diese Arbeit fortsetzen, hatten über 50 Millionen Euro für die nächsten sieben Jahre beantragt – doch jetzt ist die Förderung gestoppt.

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Auch das Max-Planck-Institut (MPI) ist „zutiefst enttäuscht“ über die Entscheidung, betont aber: „Auch wenn der Verlust bedeutender Finanzmittel den Umfang einiger unserer Projekte einschränken wird, wird dies die starke Zusammenarbeit des MPI mit der Universität Konstanz nicht beeinträchtigen.“ Doch in Zukunft muss diese Verbindung mit deutlich weniger Geld funktionieren.

Seit 2007 trug die Uni Konstanz diesen Titel

Besonders prominent schmerzt der Verlust des Exzellenz-Status: Seit 2007 trägt die Uni Konstanz den Titel der „Exzellenzuniversität“, das galt damals als Überraschung – die kleine Uni Konstanz mischte bei den Großen mit. Doch man hatte sich gewöhnt, an die Titel, an die Strukturen, an die Fördersummen. „Wir hatten damit gerechnet, 12 bis 15 Millionen Euro pro Jahr zu bekommen – das ist viel Geld“, sagt Dirk Leuffen, Prorektor für Forschung und Transfer, über die Förderlinie.

Geld, das in Zukunft fehlen wird: für Forschungsprojekte, für den Kontakt mit der Gesellschaft, für Arbeitsplätze. Rund 200 Stellen würden aktuell durch die Exzellenzstrategie gefördert werden, sagte die Uni dem SÜDKURIER vor der Entscheidung: Noch ist unklar, wie viele bleiben können.

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In der kommenden Zeit werde sich die Uni intensiv mit diesen Fragen beschäftigen, erzählt Holzinger im Anschluss: „Welches Personal ist betroffen? Wie können wir Menschen über Ende 2026 hinaus halten?“ Dabei seien die Stellen und Angebote besonders betroffen, die die Forschenden in ihrer Arbeit unterstützen – die Uni müsse wieder mehr auf die Schultern der Wissenschaftler verlagern.

Es gebe Möglichkeiten, diese harte Landung etwas abzudämpfen: Der Cluster erhält eine Auslauffinanzierung im nächsten Jahr, man kann Forschungsgelder bei anderen Gesellschaften einholen. Doch: „Nach fast 20 Jahren Exzellenzuniversität wird es uns nicht ganz leichtfallen, uns ohne diesen Status und ohne diese Mittel aufzustellen“, sagt Holzinger.

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Zudem werde es eine inhaltliche Analyse geben, warum „Collective Behaviour“ nicht den Zuschlag erhielt – und auch, warum drei neue Cluster-Skizzen bereits vorab abgelehnt wurden. Die Uni Konstanz ist die einzige der elf aktuellen Exzellenzuniversitäten, die seit Donnerstag keinen Anspruch mehr auf diesen Status hat.

OB und Landrat bedauern die Entscheidung

Diese Entscheidung beschäftigt auch Stadt und Region: Oberbürgermeister Uli Burchardt schreibt zunächst von einem „großartigen Erfolg, dass der Cluster ‚Politics of Inequality‘ weiterhin im Rahmen der Exzellenzstrategie gefördert wird.“ Es sei aber „bedauerlich“, dass der Cluster „Collective Behaviour“ nicht mehr gefördert werde, er habe internationale Anerkennung genossen: „Der damit verbundene Verlust des Status als Exzellenzuniversität ist schmerzlich.“ Doch die Stadt werde weiterhin „fest an der Seite unserer Universität“ stehen, er sei von ihrer Arbeit überzeugt: „Der Titel mag nun erst einmal weg sein – die Exzellenz bleibt.“

Weitere Stimmen aus Stadt und Region

Landrat Zeno Danner schreibt dem SÜDKURIER: „Der Verlust des Exzellenztitels ist natürlich ein Rückschlag und dämpft kurzfristig das Signal an die Außenwelt.“ Der Exzellenz-Status sei bisher ein „starkes Aushängeschild“ für die Region gewesen und habe Netzwerke und zukunftsweisende Projekte geschaffen.

Gleichzeitig sei er aber stolz auf die weitere Förderung des Clusters „The Politics of Inequality“ und die bisherige Arbeit der Hochschule. Die Universität trug ihren Titel mit Selbstverständnis, nannte sich „der kleine Benjamin im Exzellenzgeschäft“, es wurde Teil ihrer DNA: Ab dem 1. Januar 2027 ist der Exzellenzstatus wieder verschwunden.