In Konstanz ist ein neues Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie gegründet worden. Das klingt nach einem bürokratischen Beschluss und für Unbeteiligte nicht unbedingt spektakulär. Spricht man mit Martin Wikelski, revidiert sich diese Einschätzung aber in Sekundenschnelle.
Der Biologe beschreibt das neugegründete Institut als baden-württembergisches Silicon Valley. Er spricht von Hunderten von klugen Köpfen aus aller Herren Länder und Millionen Euro, die nun in die Region strömen werden. „Das ist ein Riesending. Es gibt weltweit nichts Vergleichbares!“
Jahrzehnte an Vorbereitung
Seit der Wende sei es in Deutschland nur sehr selten zu vereinzelten Institutsgründungen gekommen. Auf die jetzige habe man lange hingearbeitet. „Die ersten Ansätze gab es, als Konrad von Bodman noch Fachleiter für Biologie an der Uni Konstanz war“, blickt Wikelski zurück. Zwei Jahrzehnte habe es gedauert, das Max-Planck-Gesellschaft und die internationalen Evaluatoren von der Idee des Forschungsinstituts zu überzeugen.

Langfristig sollen an dem neugegründeten Forschungseinrichtung, das sich aus dem Max-Planck-Institut für Ornithologie heraus entwickelt hat, an die 200 Mitarbeiter tätig sein. Ihr Forschungsfeld: Das Kollektiv-Verhalten von Tiergruppen und globale Tierbewegungen.
Martin Wikelski und seine Direktoren-Kollegen Iain Couzin und Margaret Crofoot werden sich Fische, Vögel, Paviane, Heuschrecken und die Lupe nehmen. Die Erkenntnisse, die sie sich davon erhoffen sind aber längst nicht auf das Tierreich beschränkt. Im Gegenteil: „Jedes Individuum lebt im Kollektiv, in einer Gruppe, im Schwarm“, erklärt Wikelski. „Dort entstehen Entscheidungen, die auf individueller Ebene nicht vorhersehbar wären.“
Börsencrash und Klimaprotest: Auch Menschen zeigen Schwarmverhalten
Als Beispiele für unerwartete Gruppendynamik nennt Martin Wikelski den Börsencrash, die Gelbwesten-Proteste und die Fridays-for-Future-Demonstrationen. Der Biologe möchte vom Verhalten der Tiere lernen, im besten Fall sogar Lösungsansätze für aktuelle Konflikte finden. „Durch den Klimawandel angestoßen, wird zum Beispiel die Bedeutung von Migrationsströmen zunehmen.“ Wikelski, seine Professorenkollegen möchten deshalb die Migrationsdynamiken von Tieren mithilfe neuester Technologien untersuchen und für die Gesellschaft relevante Schlüsse ziehen.
Im Moment läuft die Kommunikation unter den drei Direktoren des neu gegründeten Instituts oft noch telefonisch oder über das Internet ab. Der Grund: Während Wikelski einen großen Teil seine Arbeitszeit im Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell verbringt, erforscht Iain Couzin das Kollektivverhalten von Tieren von Konstanz aus. Margaret Crofoot, – sie gilt als Pionierin im Bereich der Bewegungsökologie – wird erst Juli im Rahmen einer Alexander-von-Humboldt-Professur nach Konstanz wechseln. Bis dahin arbeitet die Amerikanerin noch an der University of California in Davis.
Jetzt muss gebaut werden
Aber das neue Zuhause der drei Wissenschaftler und ihrer Mitarbeiter befindet sich bereits in Planung. „Stand jetzt wird das Institutsgebäude auf dem derzeitigen Nordparkplatz der Uni Konstanz entstehen“, berichtet Martin Wikelski. Die Arbeiten für den millionenschweren Neubau sollen 2022 beginnen.