Der Plan klang so gut: Zwei Fähren auf der Linie Konstanz-Meersburg auf elektrischen Antrieb umrüsten und dabei so viel Treibhausgas einsparen, wie eine vollständige Wärmedämmung aller städtischen Gebäude bringen würde. So, die Hoffnung, geht Klimaschutz ganz kompakt, vor Ort und mit vergleichsweise einfachen Mitteln. Doch nun herrscht Ernüchterung: Bis die erste E-Autofähre über den Bodensee pendelt, dürfte es noch etliche Jahre dauern. Und ein mögliches Leuchtturmprojekt der Klimanotstand-Stadt Konstanz ist fürs Erste gescheitert.
Der OB brachte die Idee in die öffentliche Diskussion
Es war Oberbürgermeister Uli Burchardt persönlich, der den Plan beim Bürgerempfang Anfang des Jahres 2025 vorgestellt hatte. Das Staunen war groß: So groß soll der Einspareffekt bei nur zwei Schiffen sein? Und beim Nachrechnen zeigte sich: Tatsächlich verbrauchen die „Lodi“ und die „Tábor“ zusammen rund 850.000 Liter Diesel pro Jahr.
Würden beide Fähren auf E-Antrieb umgestellt, würden auf einen Schlag 2800 Tonnen weniger CO2-Äquivalent in die Luft geblasen. CO2-Äquivalente sind die allgemein anerkannte Rechengröße für Treibhausgase, die zur Erderwärmung beitragen.

Bis die beiden Schiffe aber wirklich mit Strom aus Akkus fahren, wird es viel länger dauern als erhofft, bestätigt Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter. Der Grund ist im Kern ganz einfach, wie er dem SÜDKURIER erklärt: Der Strom ist zu teuer. Und das nicht nur auf die Kilowattstunde berechnet, sondern auch in der Bereitstellung. Allein leistungsfähige Kabel und eine Ladestation in Konstanz-Staad würden ihm zufolge 7,3 Millionen Euro kosten.
Steuerbefreiung macht einen Strich durch die Rechnung
Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Mobilitätswende auf dem See kommt auch deshalb nicht voran, weil Diesel für die Schiffe billig ist. Rund 60 Cent bezahlen die Stadtwerke pro Liter. Denn von der Mineralöl- und der CO2-Steuer ist die Binnenschifffahrt in Deutschland befreit.
Beim Strom dagegen müsste sie die komplette Abgabenlast zahlen und wäre sogar gegenüber Privatleuten mit E-Auto finanziell schlechter gestellt. Schon die Begriffe atmen viel Bürokratie: Stromsteuer, Abgaben aus der Netzentgeltverordnung und die fehlende Anrechenbarkeit von THG (Treibhausgas)-Quoten machen den E-Betrieb teuer.
Höhere Kosten, gleiche Einnahmen – das ist ein Problem
Sehr teuer, sagt Norbert Reuter. Rund eine halbe Million Euro mehr würde die Energie zum Betrieb eines Schiffs kosten – bei gleichbleibenden Einnahmen. „Es würde ja kein Fahrgast mehr bezahlen, nur weil er auf einer E-Fähre unterwegs ist“, so Norbert Reuter. Und der Fährbetrieb, längst nicht mehr die Renditeperle früherer Jahre, käme weiter unter Druck. Da helfen auch millionenschwere, teils sogar schon fest zugesagte, Fördermittel für die Einmal-Investition für die Technik an Land nicht.

Anders als bei privaten Autos herrscht zwischen Diesel und Strom bei den Schiffen alles andere als Waffengleichheit, das bestätigen auch die Konstanzer Abgeordneten Andreas Jung (CDU, Bundestag), Lina Seitzl (SPD, Bundestag) und Nese Erikli (Grüne, Landtag). Sie alle wollen das Projekt E-Fähre weiter unterstützen, wie sie auf SÜDKURIER-Anfrage betonen.
Und dabei können sie laut Norbert Reuter einiges erreichen: Per Bundesgesetz könnte der Strom für die Schifffahrt verbilligt werden, das Land kann nicht nur an einer bereits gegebenen Förderzusage von stattlichen zwei Millionen Euro festhalten, sondern auch weitere Unterstützung leisten. Alle drei Parlamentarier wollen in ihren Bereichen dafür eintreten, versprechen sie.



Denn vom Tisch ist das Projekt E-Fähre bei weitem nicht, wie Stadtwerke-Chef Norbert Reuter betont. „Wir stoßen überall auf offene Ohren“, sagt er, man hoffe auf Regelungen beim Strompreis „im Jahresverlauf“. Dann könnten die Stadtwerke die Bagger bestellen, eine hoch leistungsfähige Leitung nach Staad legen und einen Lade-Anschluss bauen lassen.
Dass es dabei um mehr geht als um eine Wallbox für ein E-Auto im Carport, wird schon aus einer Zahl deutlich: Innerhalb von zehn Minuten muss so viel Strom in die Akkus gepumpt werden, dass eine Fähre mit dieser Energie nach Meersburg und wieder zurückfahren kann. Auch bei Kälte, Hitze, Sturm und Wellengang.
Die Umrüstung der „Tábor“ könne dann vergleichsweise schnell gehen, denn sie funktioniert bereits dieselelektrisch. Das bedeutet, dass die Fahrmotoren mit Strom angetrieben werden. Dieser wiederum stammt aus Dieselgeneratoren an Bord. Das Büro Technolog, das auch das Drama um die Gasfähre „Richmond“ zu einem guten Ende gebracht hatte, sieht den Tausch Generator gegen Akkus als möglich an. Die „Lodi“ würde dagegen ganz neue Fahrmotoren brauchen.
Auch wenn sich die Diskussion nun schon bald zehn Jahre hinzieht – schon für die „Richmond“ war ein E-Antrieb im Gespräch – spricht der oberste Fähre-Chef nicht von einem Scheitern, sondern lieber von einer Verzögerung. „Wir werden das vorantreiben“, so Norbert Reuter. Das nächste Schiff – die „Konstanz“ wird dieses Jahr immerhin stattliche 50 Jahre alt – werde sicherlich gleich als E-Fähre geplant.
Auch ältere Schiffe könnten noch umgebaut werden
Und sogar die Fähren der vorigen Generation, die „Kreuzlingen“ und die „Meersburg“, könnten noch ein zweites Leben bekommen. Auch bei ihnen sei ein E-Umbau nicht ausgeschlossen. Bis wann der Fährbetrieb aber komplett klimaneutral sein könnte, steht in den Sternen. Fürs Erste wäre es wohl ein Erfolg, wenn neben der mit Biogas angetriebenen „Richmond“ zwei der fünf weiteren Schiffe bis Ende des Jahrzehnts mit E-Antrieb über den See gleiten würden.