Das geplante Nahwärmenetz für Dingelsdorf und Wallhausen gilt gemeinhin als Leuchtturmprojekt. Allerdings hinkt das Vorhaben dem ursprünglichen Zeitplan hinterher. Eine wesentliche Verzögerung hat derzeit das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu verantworten. Dies wurde bei einem Besuch der Grünen-Landtagsabgeordneten Nese Erikli im Dingelsdorfer Rathaus deutlich.

Die dabei erhaltenen Informationen veranlasste nun Peter Kopp, eine E-Mail an den CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Jung zu schreiben. Darin rügt er unter anderem, dass das BAFA rund 30 ergänzende Fragen an das ausführende Unternehmen Solarcomplex zu dessen Antrag für eine Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW), der bereits im März gestellt worden war.

Kopp ärgert sich darüber, dass alle politischen Verantwortlichen im Landkreis dieses Vorhaben als Leuchtturmprojekt hervorheben würden „und trotzdem immer noch nicht mit den Arbeiten begonnen werden kann“. Bereits jetzt sei gegenüber den ursprünglichen Planungen mit einem Verzug von rund einem Jahr zu rechnen.

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„Daraus werden vielleicht sogar 1,5 Jahre Verzug“, befürchtet Kopp. Mit seiner Anmerkung „als betroffener Bürger fehlt mir dazu jegliches Verständnis“ dürfte er wohl den Nerv vieler Menschen treffen. Peter Kopp fordert Andreas Jung auf, politischen Einfluss geltend zu machen, dass diese Genehmigung nun schnellstens erteilt wird.

Schließlich seien Wärmenetze von der Bundesregierung stets als „zwingend notwendig“ dargestellt worden. „Eine schnelle Antragsgenehmigung würde auch uns Bürgern zeigen, dass unter anderem der Bürokratieabbau umgesetzt werden kann“, betont er.

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Sein Unmut wird dadurch verständlich, weil Peter Kopp mangels Planungssicherheit für seine drei Häuser in Wallhausen eine andere Wärmeversorgung umsetzen musste. Da er von der Idee der Nahwärme nach wie vor überzeugt ist, hat er eine Vorverlegung für den Hausanschluss beantragt, sodass ein späterer Anschluss möglich ist, ohne dafür die Straße öffnen zu müssen.

„Ich habe eine funktionierende Gasheizung“

Überzeugt von der Idee und auch etwas unzufrieden ist Jakob Schmid aus Wallhausen. Von der Presse erwartet er, dass diese auf die Missstände hinweist. Er möchte ebenfalls Nahwärme nutzen. Sein Einfamilienhaus steht am oberen Ende der Straße Seehang, in der noch weitere Eigentümer auf einen Anschluss warten.

„Ich habe eine funktionierende Gasheizung“, erklärt er. Als Gründe für seine Teilnahme an der Nahwärme nennt er die ökologische Fortentwicklung und die unsichere Preisentwicklung anderer Energieträger. „Wenn man dran ist, ist man fertig“, fasst er zusammen.

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An Nese Erikli gerichtet sagt er, „das Land hat beim Bund auch etwas zu sagen. Die Leute stehen auf Abruf“. Auch wenn ihn die Verzögerungen beim BEW-Antrag stören, nimmt er eine wichtige Erkenntnis aus dem Gespräch mit. „Positiv gesehen: Es spricht nichts dafür, dass der Antrag abgelehnt wird.“

„Die Schweizer haben es uns vorgemacht“

Roland Brucker, ebenfalls aus Wallhausen, lässt sein Einfamilienhaus auch ans Nahwärmenetz anschließen. „Das sichert mir eine gewisse Unabhängigkeit vom Gas und Öl. Ich kenne einige im Ort, die begeistert sind von dieser Idee. Und die Schweizer haben es uns ja schon vorgemacht“, berichtet er.

Das Projekt findet er auch deshalb gut, weil Gemeinden so eine gewisse Eigenständigkeit zeigen und bewahren würden. „Meine Erdgasheizung habe ich 2010 eingebaut, deren Ersatz in nächster Zeit einmal kommen muss. Daher finde ich es gut, unabhängig von der Weltsituation zu sein. Wir haben hier zusammen unser kleines Fleckle. Da bin ich gerne Dörfler“, erklärt er.

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Zornig ist immer noch Herbert Gieß. „Ich bin einer von den verschmähten Oberdorfern“, sagt er verärgert. Seine beiden Häuser mit zusammen sechs Wohneinheiten hätte er gern ans Nahwärmenetz angeschlossen. Bereits im Mai hatte er im SÜDKURIER seinen Unmut darüber geäußert, dass durch einige unmittelbare Anwohner einer Wiese am Ortsrand mögliche Interessenten verunsichert wurden. Die etwa zwei Hektar große Fläche war in den Regionalplan als mögliche Fläche für eine Photovoltaik-Anlage aufgenommen worden.

„Die Ortsverwaltung war zu schwach, Solarcomplex zu mächtig. Die Ortsverwaltung ist zu wenig auf die Eigentümer zugekommen. Ich kenne einige, die unschlüssig waren“, erklärt Gieß. Der Dingelsdorfer Franziskus Paul entgegnet: „Ich weiß nicht, ob der Vorwurf an die Ortsverwaltung gerechtfertigt ist. Es gab immer Veranstaltungen, und Interessenten müssen sich informieren.“

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Durch was drohen weitere Verzögerungen?

Ein weiterer Grund für eine Verzögerung könnte es bei der Hauptleitung von der Wärmezentrale am Klausenhorn nach Wallhausen geben, wie Ortsvorsteher Horst Böttinger-Thyssen verdeutlicht. Ursprünglich sei vorgesehen gewesen, diese unter dem wassergebundenen Radweg zu verlegen. Da sich nun Widerstand wegen der angrenzenden Mähwiese aus dem Bereich Natur- und Umweltschutz regt, soll diese Leitung unter der Verbindungstraße Dingelsdorf/Wallhausen verlegt werden.

Dem unbedarften Betrachter stellen sich dabei einige Fragen. Betroffen wäre nur ein vergleichsweise schmaler Streifen Mähwiese, der einfach wieder hergestellt werden könnte. Stattdessen soll nun ohne Not eine intakte Straße aufgerissen werden. Dazu kämen neben einer längeren Strecke zusätzliche Kosten, eine längere Bauzeit, Belästigungen durch Staus und ein vermehrter CO2-Ausstoß.

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Einen weiteren wichtigen Meilenstein bildet das Genehmigungsverfahren für die erforderliche Freiflächen-PV-Anlage zur Stromversorgung. Diese soll nach dem Dingelsdorfer Ortsende südlich der Wallhauser Straße gebaut werden. Dazu müssen jedoch der Landschafts- und der Flächennutzungsplan geändert und anschließend ein Bebauungsplan erstellt werden.

Nese Erikli verspricht, in Absprache mit dem Ortsvorsteher und Solarcomplex, ein Schreiben an Andreas Jung mit der Bitte um nachhaltige Unterstützung aufzusetzen.