Die Staatsanwaltschaft hat vor dem Landgericht Stuttgart erneut Anklage gegen den früheren ranghöchsten Polizeibeamten des Landes, Andreas R., erhoben. Nach gesicherten Informationen unserer Redaktion wird dem heute 52-jährigen ehemaligen Inspekteur der baden-württembergischen Polizei im Zusammenhang mit der im November 2021 bekannt gewordenen Affäre Bestechlichkeit vorgeworfen.

Damit droht der gesamte Fall in einem neuen Strafprozess vor Gericht wieder aufgerollt zu werden – dreieinhalb Jahre nach den zugrunde liegenden Ereignissen und zwei Jahre nach dem ersten Strafprozess, der für Andreas R. im Juli 2023 mit einem Freispruch vom Vorwurf der sexuellen Nötigung geendet hatte. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft machte dazu auf Nachfrage zunächst keine Angaben.

Beschuldigt für sexuelle Nötigung

Andreas R. war im November 2021 von einer deutlich jüngeren Kriminalbeamtin, die sich im Auswahlverfahren für den höheren Dienst befand, der sexuellen Nötigung beschuldigt worden. An einem langen Kneipenabend in Stuttgart, beim Alkohol floss, war es zum Austausch von Intimitäten zwischen dem Spitzenpolizisten und der jüngeren Beamtin gekommen. Als diese den Vorfall bei der Landespolizeipräsidentin meldete, wurde die Sache publik und löste ein Beben in Polizei und Politik sowie einen Untersuchungsausschuss des Landtags aus. Andreas R. wurde vom Dienst suspendiert, zwischenzeitlich wurde das Amt des Inspekteurs abgeschafft. Andreas R. wartet aber seitdem, des Dienstes enthoben, noch immer auf den Fortgang des Disziplinarverfahrens gegen ihn.

Nun wird er erneut vor Gericht angeklagt. Der Vorwurf lautet auf Bestechlichkeit und bezieht sich auf ein Skype-Telefonat, das im November 2021 drei Tage nach dem damaligen Kneipenvorfall zwischen Andreas R. und der Polizeibeamtin geführt und von der jungen Frau auf ihrem Smartphone heimlich mitgeschnitten worden war. In dem knapp einstündigen, beiderseitig in vertrautem Ton geführten Gespräch soll Andreas R. der jungen Frau immer wieder Komplimente gemacht und sein intimes Interesse an ihr zum Ausdruck gebracht, eine Fortführung der Annäherung in der Kneipennacht ins Spiel gebracht und ihr wiederholt zugesichert haben, dass ihr eine Verbindung zu ihm nicht schaden würde und er sie beim Auswahlverfahren unterstützen werde. Die Polizistin soll darin offengelassen haben, ob sie sich darauf einlassen wolle. Zu weiteren Kontakten aber kam es letztlich nicht mehr, da die Beamtin kurz darauf die Ereignisse bei der Landespolizeipräsidentin meldete und die Sache ins Rollen brachte.

Ein aufgezeichnetes Skype-Telefonat als Beweis

Im ersten Strafprozess hatte die Aufzeichnung des Skype-Telefonats bereits vorgelegen und war trotz der heimlichen Anfertigung vom Gericht als Beweismittel zugelassen worden. Allerdings war Bestechlichkeit im damaligen Strafverfahren nicht Bestandteil der Anklage gewesen. Auf die Möglichkeit einer Strafbarkeit in Bezug auf Bestechlichkeit hatten aber sowohl das Landgericht in seinem Urteil als auch zuvor das Oberlandesgericht in anderer Sache hingewiesen – ein mehr als deutlicher Wink, dem die Staatsanwaltschaft in der Folge mit der Aufnahme eines neuen Ermittlungsverfahren Rechnung trug, das nun in einer Anklage mündete.

Für Andreas R. dürfte dies, sollte es zum Prozess kommen, nicht zuletzt im Hinblick auf das Disziplinarverfahren, das derzeit ausgesetzt ist, noch brisanter sein als der damalige Vorwurf der sexuellen Nötigung. Bei einer Verteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Eine Verurteilung wegen Bestechlichkeit schon zu sechs Monaten Freiheitsstrafe aber würde disziplinarrechtlich schwerer wiegen als der damalige Vorwurf der sexuellen Nötigung. Für Andreas R., derzeit bei der Hälfte seiner früheren Bezüge vom Dienst enthoben, würde eine Verurteilung daher die sofortige Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zur Folge haben, inklusive Verlust aller Pensionsansprüche.