Von ihrer Aussage hängt vieles ab: Rechtsmedizinerin Ulrike Schmidt sagt im Prozess um die Freiburger Gruppenvergewaltigung aus. Es geht um die Verletzungen der damals 18-Jährigen, die laut Anklage im vergangenen Herbst von mindestens elf Männern unweit des Eingangs einer Diskothek im Industriegebiet der Stadt vergewaltigt worden sein soll.

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Doch Opferanwältin Christiane Steiert will nicht, dass die detaillierten Beschreibungen der Verletzungen öffentlich verlesen werden – oder dass die Fotos, die die Rechtsmedizinerin davon gemacht hat, publik werden. Sie beantragt den Ausschluss der Öffentlichkeit – zum Schutz der Intimsphäre ihrer Mandantin. Nicht einmal die Verteidiger der Angeklagten haben dagegen Einwände.

Hinter verschlossenen Türen

Die Vernehmung der Rechtsmedizinerin nimmt weniger als zwei Stunden in Anspruch. Staatsanwalt Thorsten Krapp gibt wieder, was die Expertin dem Gericht berichtet hat. Schon die Aussage von Hauptermittler Stefan Sandner gab Aufschluss, dass bei dem Opfer abgebrochene Fingernägel, Kratzspuren und unzählige DNA-Spuren festgestellt worden waren. Schon damals zitierte Sandner den Bericht der Rechtsmedizin: „Die Verletzungen decken sich mit den Aussagen des Opfers.“

Detaillierte Beschreibung durch die Rechtsmedizinerin

Nun folgte die detaillierte Beschreibung durch die Rechtsmedizinerin selbst: Krapp sprach von „Halteverletzungen am Oberarm und Hämatomen, die plausibel mit Griffverletzungen in Verbindung zu bringen sind“, auch von „Kratzspuren, die teilweise eindeutig auf so etwas wie ein Gestrüpp“ zurückzuführen seien. Franziska W. wurde der Spurensicherung zufolge in einem Gebüsch wenige Meter vom Tor des Hans-Bunte-Areals, einem Technoclub im Industriegebiet Freiburgs, vergewaltigt.

Bei den Fingernagelspuren sei sogar eine Kratzrichtung ablesbar. Dies sei möglich, weil sich durch das Kratzen feine Gewebeschichten aufrollen. Je nach Aufwicklung wurde nach oben oder unten gekratzt – ein möglicherweise maßgebliches Detail, das Aufschluss darüber geben könnte, ob sich die junge Frau gewehrt hat.

„Es gibt bei mehreren Angeklagten Kratzverletzungen unterschiedlichen Ausmaßes und unterschiedlicher Natur“, sagte Staatsanwalt Krapp. Die rechtsmedizinischen Erkenntnisse dazu werden aber noch gesondert von einem Experten vor Gericht geschildert.

„Haltehämatomen“ grundsätzlich nicht rekonstruierbar

Aber deuten die Hämatome nicht eindeutig auf eine Gewalttat hin? Krapp erläutert, dass es bei „Haltehämatomen“ grundsätzlich nicht rekonstruierbar sei, wie die Verletzung entstand: „Einem Hämatom selbst ist nicht anzusehen, ob es ein Festhalten oder Herunterdrücken war. Ob ich jemanden halte oder am Boden fixiere – der Druck ist immer der gleiche“, erklärt Krapp. Besonders am Kopf, der mit Haar bedeckt ist, seien „generell keine Spuren zu erwarten, selbst wenn eine Krafteinwirkung stattfand“, betont Krapp.

Der Staatsanwalt hat Erfahrung: „Es gibt unheimlich wenige Sexualdelikte, wo Sie griffige Verletzungen vorfinden“, macht er deutlich. Bei den meisten Sexualdelikten gebe es „wenige und unspezifische Verletzungsspuren“. Auch gab er zu bedenken, dass selbst bei einvernehmlichem Geschlechtsverkehr schnell „Penetrationsverletzungen im Scheidengewebe“ entstehen. Allein daraus ließen sich keine Schlüsse ziehen.

Toxikologische Gutachten des mutmaßlichen Opfers

Dennoch: Die Rechtsmedizinerin habe geschildert, dass sie nach ihrer Erfahrung „sogar eher viele“ Spuren gefunden habe. Und: „Was sie an Verletzungen festgestellt hat, ist plausibel mit dem Ablauf“, den die junge Frau später beschrieb, sagt Krapp.

Weniger aufschlussreich ist das toxikologische Gutachten des mutmaßlichen Opfers. Franziska W. hat offenbar Drogen genommen, es wurden Spuren von MDNA, der chemische Begriff für die Partydroge Ecstasy, gefunden. Es belegt die Aussage, dass die 18-Jährige eine Pille konsumierte, gekauft vom Angeklagten Alaa A. Der Rechtsmediziner betont jedoch, dass die Droge, anders als von einigen Verteidigern suggeriert, keine luststeigernde Wirkung habe. Dies sei durch verschiedene Studien belegt.

In jener Nacht traf Franziska W. kurz nach dem Kauf der Ecstasy-Pille den Hauptangeklagten Majd H., der sie zu einem Drink einlud. Im Blut der Frau wurden Alkoholreste gefunden. Der Schätzung des zuständigen Rechtsmediziners zufolge hatte sie zum Tatzeitpunkt etwa 1,1 Promille im Blut. Die Hypothese: Majd H. hat ihr etwas ins Getränk gemischt. Der Rechtsmediziner spricht von dem Wirkstoff GHB. Eine mittlere Dosis würde die Alkoholwirkung verstärken. „Auszuschließen ist es nicht“, sagt er. Mit Sicherheit sagen kann er es aber nicht.

Die Einschätzung der Rechtsmedizin ist maßgeblich für die Rekonstruierung jener Nacht. Staatsanwalt Krapp klingt etwas konsterniert nach diesem Verhandlungstag: „Es ist ein weiteres Mosaik in einem mühevollen Bild.“