Liebe Obstbauern in der Region,
jeder, der schon einmal auf einem Hof oder am Marktstand eure Äpfel gekauft hat, weiß den Wert eurer Arbeit unmittelbar zu schätzen. Eure Kunden wissen, dass ihr von und mit der Natur lebt und sehr genau darauf achtet, wie ihr damit umgeht. Die Natur ist eure Lebensgrundlage, und ohne Artenschutz ist sie bedroht. Wer wüsste das besser als ihr?
Die Bevölkerung steht hinter euch
Dass ihr großen Rückhalt in der Bevölkerung vor Ort genießt, habt ihr auch an der breiten Unterstützung für euren Protest gegen die ursprüngliche Fassung das Volksbegehrens Artenschutz – Rettet die Bienen gemerkt. In diesem Zusammenhang habt ihr vielfach bemängelt, dass Landwirte eurer Ansicht nach zu wenig Wertschätzung genießen. Einige von euch sind deswegen mit den Schleppern zur Demonstration nach Stuttgart gefahren, manche sogar bis nach Berlin.
Was ich mich frage: Wo bleibt eigentlich euer Protest gegen die übermächtige Agrarlobby, die vorgibt, die Interessen der Landwirtschaft – also auch eure – zu vertreten? Die Agrarpolitik wir gesteuert von Landwirtschafts-Lobbyisten, die in Brüssel und in Berlin seit Jahrzehnten Agrarförderung nach der Maßgabe „wachse oder weiche“ einfordern und etwa das Verbot von Umweltgiften wie Glyphosat oder bessere Tierhaltungsgesetze mit allen Mitteln bekämpfen. Die Ignoranz dieser extensiv wirtschaftenden Agrarfabriken gegenüber den marktwirtschaftlichen und verheerenden ökologischen Folgen – wie Klimawandel, Bienen- und Artensterben und Grundwasserverunreinigung durch Nitrat – hat maßgeblich mit dazu beigetragen, dass viele Menschen der Landwirtschaft mit Misstrauen begegnen.
Die Milliarden kommen nicht bei den Richtigen an
Denn kein Bereich der EU wird mit mehr Fördergeldern subventioniert als die Agrarwirtschaft. Dennoch kommen die Milliarden – auch dank der Lobbypolitik eurer eigenen Verbände – nicht bei den Richtigen an, sondern befördern das Sterben der Kleinen und das Wachstum der Großen. Eure oft kleinteilig strukturierten Höfe im Südwesten Deutschlands, die mehr auf Qualität denn auf Quantität setzen, sind die ersten Opfer dieser Förderpolitik. Eure Arbeit wird durch diese Förderpolitik nicht belohnt, sondern bestraft.
Erst im April hat eine Studie der Universität Bremen die Verflechtung von Funktionären der Landwirtschaft mit der Agrarindustrie und Unternehmen wie Monsanto untersucht und das ganze Ausmaß der Lobbywirtschaft deutlich gemacht. Multiagrarfunktionäre wie Joachim Rukwied, der nicht nur Chef des baden-württembergischen, sonder auch des deutschen und des europäischen Bauernverbandes ist und laut der Studie zahlreiche weitere Funktionen in Verbänden und Unternehmen der Agrarbranche ausübt, ziehen die Strippen in der Agrarpolitk zugunsten konventionell wirtschaftendender Großbetriebe. Bundeslandwirtschaftminister sind oft genug nur willfährige Ausführende dieser Interessenspolitik gewesen.

Liebe Obstbauern, wo ist eurer Protest, eure lautstarke Stimme gegen diese Politik, die die Grundlagen eurer Existenz bedroht? Breite Unterstützung würde euch dabei sicher sein. Und um die Wertschätzung eurer Arbeit müsstet ihr euch dann auch nicht mehr sorgen.