Ein Nacktfoto des urlaubenden Kripobeamten Andreas Heim und seiner beiden Kinder im FKK-Bereich des Konstanzer Strandbads Hörnle hat im Sommer für viel Aufregung gesorgt. Der 44-jährige Kriminalhauptkommissar aus Dortmund hatte die Polizei verständigt, sich selbst in den Dienst versetzt und den „Fotografen“ bis zum Eintreffen der Kollegen unter dem Verdacht festgehalten, es könnte sich bei dem Mann um einen mutmaßlich pädophilen Straftäter handeln.
Der zu Hilfe gerufene Polizeihauptmeister stellte jedoch keine Straftat fest und löschte das Nacktbild, was zu Kopfschütteln beim Kripobeamten und Vater der Kinder führte. Die Staatsanwaltschaft Konstanz prüfte von sich aus den Verdacht einer möglichen Strafvereitelung im Amt gegen den Konstanzer Polizisten und stellte nach mehreren Monaten ihre Ermittlungen ein. Dagegen erhob Heim bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe Beschwerde. Die Aufsichtsbehörde hat diese nun abgelehnt, wie Wolfgang Hilkert, Leitender Oberstaatsanwalt in Karlsruhe, dem SÜDKURIER auf Anfrage bestätigt.
Rückversicherung bei Kripo
„Die Generalstaatsanwaltschaft teilt die Bewertung durch die Staatsanwaltschaft Konstanz, dass ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat (...) durch den Badegast nicht gegeben waren“, sagt Hilkert. Es hätten keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Badegast das Nacktfoto anderen gegen Entgelt zur Verfügung stellen wollte, worunter auch das Tauschen von Bildern fallen würde, wie es bei pädophil veranlagten Menschen verbreitet ist. Nur wenn es eine entgeltliche Verbreitung des Nacktbildes gegeben hätte, hätte der Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen zur Anwendung kommen können.

Eine Strafvereitelung im Amt durch den Polizeibeamten würde laut Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe zudem voraussetzen, dass der Konstanzer Polizist neben dem objektiven Umstand eines Anfangsverdachts auch subjektiv von einem strafbaren Sachverhalt ausgegangen wäre und dennoch keine Ermittlungen aufgenommen hätte. „Dies konnte jedoch nicht festgestellt werden, denn der Beamte, der keine Strafbarkeit gegeben sah, hatte sich hinsichtlich der Frage, ob sich der Badegast strafbar verhalten haben könnte, sogar beim Kriminalkommissariat rückversichert und von dort die Auskunft erhalten, dass dem nicht so sei“, sagt Oberstaatsanwalt Hilkert. Auf dem Foto war der Kripobeamte Andreas Heim laut Generalstaatsanwaltschaft nur mit einem T-Shirt bekleidet und seine beiden Kinder nackt von der Seite zu sehen.
„Mit Sicherheit kein Pädophiler“
Erstmals hat sich nun ein Augenzeuge des Vorfalls gegenüber dem SÜDKURIER zu Wort gemeldet. „Ich habe den geschilderten Vorfall aus nächster Nähe mitbekommen und kenne die betroffene Person persönlich – er ist mit Sicherheit kein Pädophiler“, sagt der Mann, der auf Nachfrage ein früherer Arbeitskollege und „Stammtischbruder“ des „Fotografen“ ist und nicht namentlich genannt werden will. Seiner Ansicht nach habe der Vater überreagiert. „Das ist zwar verständlich, aber ein klärendes Gespräch wäre sinnvoller gewesen. Der beschuldigte Polizist hat das wohl ähnlich gesehen“, sagt der Augenzeuge.
Das einzige, was man seinem Freund vorwerfen könne, sei, dass dieser zur falschen Zeit am falschen Ort mit seinem Handy hantiert habe. Im FKK-Bereich des Konstanzer Strandbads Hörnle gilt laut Hausordnung ein Kamera- und Handyverbot. Dazu sagt der Freund des Fotografen: „Wenn man jeden, der dort ein Handy dabei hat, des Platzes verweisen würde, wäre der Strand meist leer.“
Fingerspitzengefühl, aber keine Duldung
Darauf angesprochen, sagt Christopher Pape, Sprecher der Stadtwerke Konstanz, zu dem das Hörnle gehört, dass es grundsätzlich nicht gewollt sei, dass Fotos im FKK-Bereich gemacht werden und dies per Hausordnung auch nicht erlaubt sei: „Aber es braucht Fingerspitzengefühl und eine Verhältnismäßigkeit.“ Im Jahr 2021 habe jeder ein Handy dabei, manche müssten telefonieren oder Nachrichten checken. „Wenn wir jedoch mitbekommen, dass jemand gezielt andere Menschen, egal ob Kinder, Frauen oder Männer, fotografiert, dann schreitet unser Personal ein, das wird nicht geduldet“, sagt Pape dem SÜDKURIER.
Der Fotograf des Nacktbildes habe laut seinem Freund lediglich ein Selfie machen wollen. „Aus Mangel an Erfahrung mit diesem Gerät ging die Sache buchstäblich daneben, wodurch versehentlich die Kinder des Kripobeamten abgelichtet wurden. Dieser ging wutentbrannt auf meinen Kollegen los und wollte ihm an den Kragen“, schildert der Augenzeuge gegenüber dem SÜDKURIER. Nicht um sich dem Zugriff der Polizei zu entziehen, sondern um den Vorfall nicht weiter eskalieren zu lassen, habe es sein Freund vorgezogen, sich zu entfernen.
„Mit Sicherheit kein Versehen“
Über diese Aussagen kann der zweifache Vater und Kripobeamte Andreas Heim nur den Kopf schütteln. „Der Mann hat versucht, sich aus dem Staub zu machen. Es gab in dieser Situation nichts zu deeskalieren.“ Außerdem habe der „Fotograf“ versucht, sich vor Eintreffen der Polizei mit seinem Handy in eine Toilettenkabine einzuschließen.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht alleine mit seinem Handy in die Kabine lasse, weil ich dann befürchten muss, dass er mögliches Beweismittel auf seinem Smartphone vernichtet“, schildert Heim. Nach kurzem Nachdenken habe der Mann ihm sein Handy ausgehändigt, welches der urlaubende Kripobeamte dann den eintreffenden Streifenpolizisten übergab.

Der 44-jährige Kriminalist ist sich sicher, dass das Nacktbild von seinen beiden Kindern „keinesfalls aus Versehen“ entstanden ist – „es sei denn, er hat ein Selfie von seinem Bauch machen wollen“. Der Mann habe, als das Nacktfoto passiert sei, sein Smartphone in einer ungewöhnlichen Haltung vor seinen Bauch gehalten, sodass er das Display nicht sehen konnte. „Das Objektiv war auf meine Kinder gerichtet, nach dem Motto, ich ziel mal in die Richtung und schau dann, was ich erwischt habe“, sagt Heim.
Nächster Schritt Justizministerium?
Er kann nicht nachvollziehen, weshalb die beiden verständigten Streifenpolizisten keine Augenzeugen des Vorfalls vor Ort befragt oder zumindest deren Personalien für spätere Befragungen notiert haben. „Es war einer der wenigen guten Badetage in dieser Woche im Juli, es hätte ein gutes Dutzend Zeugen gegeben, die den kompletten Vorfall mitbekommen haben, wenn man gewollt hätte“, sagt Heim. Stattdessen sei ihm am Folgetag gesagt worden, dass ein Zeugenaufruf gestartet werden könne.
Laut Auskunft der Staatsanwaltschaft Konstanz haben die Polizisten keine Zeugen befragt, weil sie von Anfang an von keiner Straftat ausgegangen sind, was durch die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe nun bestätigt worden sei. Nun überlegt der Dortmunder Kripobeamte nach der Abweisung seiner Beschwerde, sich an das baden-württembergische Justizministerium zu wenden: „Mehrere Staatsanwälte und Juristen aus Nordrhein-Westfalen haben mir gesagt: ‚Wenn das kein Anfangsverdacht ist, was dann?‘“