Rottweil schafft etwas, was nur wenigen Orten gelingt: In den überregionalen Nachrichten wird die Stadt derzeit gleich zwei Mal genannt, und beide Meldungen stehen im Zusammenhang mit der Coronakrise.
Das städtische Krankenhaus ist faktisch abgeschottet, da sich nach einem Corona-Ausbruch 55 Mitarbeiter und zwei Patienten angesteckt haben. Und: Zwei Dutzend Narren ließen sich nicht davon abhalten, einen privaten Narrensprung abzuhalten. Schlag acht Uhr passierten sie am Rosenmontag vor hunderten Zuschauern das Schwarze Tor. „Die Narren strömten aus allen Gassen“, berichtet ein Beobachter.
Die Zuschauer standen dicht gedrängt
Auf der Oberen Hauptstraße wurden die 25 Maskenträger laut Polizei von einigen hundert Zuschauern erwartet. Diese standen teils dicht gedrängt. Eine junge Frau ließ auf ihrem Radio den Narrenmarsch abspielen. Die Versammlung löste sich nach etwa einer Viertelstunde auf natürlichem Wege auf: Die Hauptstraße mündet auf das Straßenkreuz, das nicht abgesperrt war.
Die Maskenträger zerstreuten sich am Ende der Fußgängerzone. Die Zuschauer wurden von den Polizeibeamten informiert und aufgefordert, ihren Einkäufen nachzukommen. „Wir erinnerten sie an die Abstandsregeln“, sagt Markus Haug, der den Einsatz leitete.

Haug spricht von einem „Ritt auf der Rasierklinge“. Dem Revierleiter und seinen Mitarbeitern war im Vorfeld klar, dass es in der Narrenhochburg am höchsten aller närrischen Tage nicht ruhig bleiben würde.
„Wir hatten im Vorfeld ein Bauchgefühl“, das sich dann als richtig herausstellte. Sie ließen die Narren deshalb durch das Schwarze Tor passieren, ohne sie aufzuhalten. 300 Meter weiter unten stieß der kleine Zug auf ein natürliches Hindernis, den Verkehr. Dort verlief er sich.
„Die Fasnacht ist der wichtigste Feiertag in Rottweil„
Aus Sicht der Polizei war der Einsatz ein Erfolg. „Es handelt sich bei den Teilnehmern um die Unbelehrbaren und Unvernünftigen“, sagt Haug dem SÜDKURIER. Daraus mache er keinen Hehl. Natürlich dürfe sich jeder anziehen wie er mag. Doch stiftet Fasnacht immer Nähe – bei den geschätzt 500 Zuschauern noch mehr als bei den Schantle und Bennerrössle.
Was ihm auch auffiel: Es waren etwa so viele Narren wie Journalisten anwesend. Dass in der alten Reichstadt etwas gehen würde, war unter Kennern klar. „Die Fasnacht, das sind die höchsten Feiertage in Rottweil„, sagt der Journalist Peter Arnegger. Das ganze Jahr ist auf die verrückten Tage ausgerichtet. Bereits ab Aschermittwoch geht es wieder „dagegen“, ab der Fastenzeit werden bereits die Wochen und Tage bis zum nächsten Schmutzigen gerechnet.
Die Zunft hat Großveranstaltungen im Vorfeld abgesagt
Der Mini-Sprung ist von der Narrenzunft weder gewollt noch genehmigt worden. Sie entschied sich bereits im Vorfeld, den Narrensprung für die insgesamt 6000 angemeldeten Häser abzusagen. „Die Narrenzunft handelt solidarisch, indem sie sich an die Vorgaben des Landes in Sachen Abstand handelt“, heißt es auf der Startseite der Organisatoren.
An „Fasnachtsveranstaltungen im großen Rahmen“ sei 2021 nicht zu denken, stellt sie weit im Vorfeld fest. Die verhuschte Veranstaltung gestern richtete sich auch gegen diese Empfehlung. Die närrischen Rebellen stellen auch nur einen Bruchteil des Narrenvolkes ab.

Im Krankenhaus brach das Virus auf der Intensivstation aus
Während einige Narren versuchten, den Rosenmontag für sich zu retten, wurde das Rottweiler Krankenhaus von viel ernsteren Sorgen umgetrieben. 55 Mitarbeiter der dortigen Helios-Klinik waren in der vergangenen Woche positiv auf Corona getestet worden, ebenso zwei Patienten.
Der Ausbruch wurde auf der Intensivstation registriert, die seitdem geschlossen ist. Intensivpatienten würden auf benachbarte Häuser in VS-Schwenningen oder Tuttlingen verteilt, berichtet eine Helios-Sprecherin.

Viele Mitarbeiter stehen unter Pendlerquarantäne
Weiterhin geöffnet habe die Covid-Station des früheren Kreiskrankenhauses. Sie sei derzeit mit zwei Patienten belegt bei vier verfügbaren Plätzen insgesamt. Einer der Patienten werde künstlich beatmet.
Gravierend ist die Situation beim Personal, das in die Gruppe der Kontaktpersonen der Kategorie I fällt: Die Pflegenden müssen sich zwei Wochen lang einer sogenannten Pendlerquarantäne unterziehen. Das bedeutet, dass sie wie gewöhnlich in der Klinik arbeiten und sich dann sofort nach Hause begeben. Dort müssen sie getrennt von den anderen Mitgliedern des Haushalts leben, schlafen und essen.
Immerhin: Die Situation wird besser
„Im Moment entspannt sich die Situation“, berichtet Andrea Schmid für die Klinik. Alle geplanten OPs seien abgesagt worden, und Besuche von außen seien derzeit nicht erlaubt. Doch arbeite die Notaufnahme wie immer, auch die Praxen sind offen. Auch an werdende Väter ist gedacht: Sie dürfen ihre Frauen auch weiterhin in den Kreißsaal begleiten.