Auf dem ersten Blick wirkt es einschüchternd, das findet auch Carmen Kindler. Es sei schon ein „ganz schönes Gerät da an der Decke“, sagt die kommissarische Schulleiterin der Grundschule Nußdorf. Die Kinder hätten sich längst daran gewöhnt, Kindler offenbar noch nicht. „Wenn man darunter steht, hofft man, dass alles hält“, sagt sie.

Geräte ersetzen nicht das Lüften

Halten sollte das Gerät – erst in den Pfingstferien wurde es neben vier weiteren Exemplaren in der Grundschule montiert. Nach den Sommerferien ging die Technik in Betrieb. Inwiefern sie eine Lösung gegen Viren, Keime oder neue Corona-Varianten seien, stehe aber noch aus, da die Wintersaison erst begonnen hat, sagt Kindler. Fest steht für sie aber: „Sie ersetzen nicht das Lüften.“

Ein Lüftungsgerät in der Grundschule Nußdorf.
Ein Lüftungsgerät in der Grundschule Nußdorf. | Bild: Cian Hartung

Wenn die Geräte aber nicht das Lüften ersetzen, was bringen sie dann noch – mehr als ein Jahr nach Ende der Corona-Maßnahmen? Das könne Kindler hinsichtlich der Krankheitsfälle in den Klassen oder im Kollegium wohl erst im Frühjahr beantworten. Die kommissarische Schulleiterin ist sich aber sicher: „Sie werden schon ihren Nutzen haben.“

Schulleiterin: „Freue mich, dass wir sie haben“

Ähnlich ist die Meinung an der Realschule Überlingen. Hier gibt es nach Ende der Corona-Pandemie noch zwei mobile Luftfilter. Ende 2021 erhielt die Schule die Geräte, wie Schulleiterin Karin Broszat erklärt. Damals seien die Meinungen bei Lehrern und Eltern auseinandergegangen, ob man die Geräte überhaupt anschaffen solle. „Es war aber kein Fehler, es hat uns Sicherheit gegeben“, meint Broszat.

Karin Broszat, Leiterin der Realschule Überlingen, neben einem mobilen Luftfilter im Lehrerzimmer. Dort stehen, sie weil Lehrer in ...
Karin Broszat, Leiterin der Realschule Überlingen, neben einem mobilen Luftfilter im Lehrerzimmer. Dort stehen, sie weil Lehrer in vielen Klassen unterwegs und daher eher potenzielle Überträger seien, so Broszat. „Ansteckungen wollen wir damit verhindern“, sagt sie. | Bild: Cian Hartung

Nach Ende der Maßnahmen hätten die Lehrkräfte sie jedoch seltener eingesetzt. Nutzlos seien sie heute dennoch nicht, im kommenden Winter könnten sie hilfreich werden. „Die Grippe zieht hier durch die Klassen. Ich freue mich, dass wir sie haben“, sagt Broszat.

Fast eine Million Euro Kosten für 32 Geräte

Lüften oder Luftfilter – diese Frage beschäftigte in der Pandemie viele Überlinger Schüler, Eltern, Lehrer, Gemeinderäte und die Stadtverwaltung. In mehreren Sitzungen verwandelten sich Tagesordnungspunkte zu emotionalen Debatten. Stadtverwaltung und Gemeinderat einigten sich letztlich darauf, dass man Förderungen für mobile Luftfilter und stationäre Lüftungsgeräte für Kinder bis zu 12 Jahren beantrage.

Rund zwei Jahre später ist die dicke Luft verflogen, an Überlinger Schulen sind mittlerweile 29 stationäre Lüftungsgeräte und drei mobile Luftfilter in Betrieb. Die Gesamtkosten für Kauf und Installation belaufen sich bis heute auf etwa 900.000 Euro, wie die Pressestelle der Stadtverwaltung auf SÜDKURIER-Anfrage mitteilt. Davon zahlte die Verwaltung rund 190.000 Euro aus eigener Kasse, der Rest kam aus Fördergeldern. Betriebskosten sind darin noch nicht einberechnet.

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Mobile Luftfilter erhielten Schulen bereits Ende 2021 oder organisierten sie sich selber (wie im Falle der Grundschule Nußdorf). Stationäre Lüftungsgeräte wurden dagegen erst im Juni 2023 eingebaut. Erst zu Beginn des aktuellen Schuljahres im September gingen sie in Betrieb. Die Corona-Maßnahmen waren da seit mehr als einem Jahr bereits ausgelaufen.

Einige Schulen gingen leer aus

Dass sich der Einbau derartig verzögerte, erklärt die Stadt mit den „enormen Lieferengpässe und Auslastung der Firmen“ zur damaligen Zeit. Der Hintergrund laut Stadtverwaltung: Im Dezember 2021 beantragte man eine Bundesförderung für Unterrichts- und Gruppenräume für Kinder bis 12 Jahre. Aufgrund der langen Lieferzeiten lief der Förderzeitraum aber aus, sodass man entschied, sämtliche Lüftungsprojekte mit Ausnahme von vier Schulen zu stoppen. Diese waren die Franz-Sales-Wocheler-Schule sowie die Grundschulen Hödingen, Nußdorf und Lippertsreute. Die Burgbergschule ging beispielsweise leer aus.

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Trotz der verspäteten Installation sieht die Stadt die Geräte weiterhin als nützlich an. „Grundsätzlich ist der Einbau von Lüftungsgeräten in einigen schlecht zu lüftenden Klassen- und Gruppenräumen auch dann sinnvoll, wenn keine Pandemie besteht“, schreibt die Pressestelle.

Gemeinderäte verweisen auf Umstände in der Pandemie

Vertreter der Gemeinderatsfraktionen von SPD und LBU/Die Grünen verteidigen das Vorgehen und sehen noch immer einen Nutzen. So sagt Ulf Janicke (LBU/Die Grünen): „Man kann natürlich jetzt sagen: ‚Sie kommen zwei Jahre zu spät zum Einsatz‘. Andererseits wissen wir nicht, was der kommende Winter an Grippeinfektionen oder Corona-Varianten bereit hält.“ Für ihn zeige die Angelegenheit, wie schwierig es sein könne, im Gemeinderat ein emotionales und komplexes Thema anzugehen und nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. „Es haben sich ständig die pandemischen, wissenschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen geändert.“

Manuel Wilkendorf (SPD) sieht es ähnlich wie Janicke – und fügt an: „Die bessere Belüftung von Schulräumen ist langfristig ohnehin vorgegeben, daher ist es gut, dass wir damals Fördermittel erhalten haben.“ Das Geld hätte natürlich auch in anderen Bereichen bei Schulen und Kitas fließen können, meint er. „Grundsätzlich kann man nie genug in Bildung investieren.“