Eine Werbekampagne des baden-württembergischen Kultusministeriums sollte im August neue Lehrkräfte anwerben. Dabei hat vor allem der Satz ‚Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen?‘ auf einem der Plakate am Stuttgarter Flughafen für Ärger gesorgt. Die Aktion hat sich vor allem an potenzielle Quereinsteiger gerichtet, die aus einer anderen Branche kommen und sich für den Lehrerberuf interessieren. Jennifer Ott und Philip Hagmann haben sich für diesen Weg entschieden. Sie lehren momentan an der Claude-Dornier-Schule, einer gewerblichen Berufsschule in Friedrichshafen. Wie zufrieden sind sie mit ihrem Entschluss?

Kindheitstraum doch noch erfüllt
„Tatsächlich hatte ich schon als Kind den Traum, Lehrerin zu werden“, erzählt Direkteinsteigerin Jennifer Ott. „Doch als Jugendliche wurde mir davon abgeraten.“ Welche Gründe das waren, verrät sie an dieser Stelle nicht. Deshalb habe sie sich damals dafür entschieden, Ökotrophologie, eine Kombination aus Ernährungs- und Haushaltswissenschaft, zu studieren. Die Bereiche Ernährung und Wirtschaft haben sie schon immer interessiert. Ihren Master hat die 32-Jährige in Ernährungsökonomie absolviert. Zuletzt war sie als Teamleiterin im Einkauf für Rohkaffee tätig, bis sie ihren Kindheitstraum doch noch aufgegriffen hat.

„Als ich gehört habe, dass immer mehr Lehrer gesucht werden, habe ich mich 2020 einfach mal darauf beworben“, erzählt Jennifer Ott. Obwohl sie direkt angenommen wurde, hat sie erst 2021 den Direkteinstieg in den Lehrerberuf gewagt. „Tatsächlich habe ich noch ein ganzes Jahr Bedenkzeit gebraucht“, gibt sie zu. In der Zeit habe sie sich viele Rückmeldungen von anderen Quereinsteigern geholt und die Möglichkeit genutzt, eine Woche lang in der Claude-Dornier-Schule zu hospitieren.
Nicht einfach, aber machbar
Mittlerweile ist Jennifer Ott im dritten Jahr an der Landesberufsschule für Hotel- und Gaststättenberufe in Tettnang, einer Außenstelle der Claude-Dornier-Schule. Hier unterrichtet sie die beiden Fächer Nahrung, also Felder wie Warenkunde, Lagerung und Ernährung, sowie Volkswirtschaftslehre. Nach ihrem Bewährungsjahr hat sie die Chance, verbeamtet zu werden. Im Vergleich zur freien Wirtschaft verdiene sie momentan deutlich weniger. „Dafür kann ich mir meine Freizeit viel besser einplanen“, sagt Ott. „Alles hängt von der Selbstdisziplin und -organisation ab.“ Nach den Unterrichtszeiten habe sie Zeit für private Termine, bevor sie sich abends wieder an den Schreibtisch setzt.
Zurückblickend würde Jennifer Ott die Entscheidung jederzeit wieder treffen. „Einfach war die Zeit nicht, aber sie war auf jeden Fall machbar“, sagt sie. „Allerdings hatte ich auch keine zweite Belastung wie eine eigene Familie.“ Die Herausforderung bestand darin, den Alltag in der Schule und die Seminare und Prüfungen an der pädagogischen Hochschule unter einen Hut zu bekommen. Insbesondere die Unterrichtsvorbereitung sei für sie am Anfang ungewohnt gewesen: „Die größte Hürde war für mich die Frage: Wie kann ich den Inhalt limitieren, sodass er trotzdem gut rüberkommt?“ Dabei habe ihr vor allem die Unterstützung und Erfahrung ihrer Kollegen geholfen.
„Ich habe meinen Sohn nicht mehr gesehen“
Einer ihrer Kollegen, der den gleichen Weg wie Jennifer Ott gewählt hat, ist Philip Hagmann. Der 36-Jährige unterrichtet die Fächer Sanitär-Heizung-Klima (SHK) und Wirtschaft an der Claude-Dornier-Schule. 2020 hat er sich für den Direkteinstieg entschieden. Mittlerweile hat er sein Bewährungsjahr absolviert und ist verbeamtet.
Zuvor hat er Energietechnik studiert, eine eigene Firma gegründet und berufsbegleitend einen Master in Gebäudetechnik gemacht. „Eigentlich habe ich ein richtig schönes Leben gehabt“, erzählt er. „Bis mein erster Sohn zur Welt kam und ich ihn vor lauter Arbeit kaum mehr gesehen habe.“ Das sei der Moment gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.

„Tatsächlich habe ich immer wieder darüber nachgedacht, zu unterrichten“, erzählt Philip Hagmann. „Aber wer will schon jemanden, der Gebäudetechnik studiert hat?“ Eine Kundin seiner Firma habe ihn gefragt, ob er nebenbei einige Unterrichtsstunden an einer berufsbildenden Schule in Ravensburg übernehmen würde.
Von da sei alles sehr schnell gegangen. „Als ich dann gesehen habe, dass die Stelle für SHK in Friedrichshafen unbesetzt war, habe ich die Chance ergriffen“, sagt der 36-Jährige. Die größte Herausforderung war für Hagmann die Unterrichtsvorbereitung. „Man hat ziemlich schnell gemerkt, wie lang eineinhalb Stunden sein können“, erinnert er sich.
Bessere Laune als im alten Job
Die Entscheidung, Lehrer zu werden, habe Philip Hagmann nie bereut. „Die Laune ist seitdem viel besser – zuhause und bei mir“, erzählt er. „Wer das vernünftig organisiert, kriegt das auch mit Familie hin.“ Mittlerweile habe er mehr Flexibilität und Freizeit in seinem Job als früher. Als Selbstständiger habe er im Schnitt 70 Stunden die Woche gearbeitet, jetzt komme er mit 25 Unterrichtsstunden, Vorbereitung von Materialien und Korrekturen auf eine normale 40-Stunden-Woche.
„Jeder Lehrer, der seinen Job ernst nimmt, kommt nicht unter 40 Stunden die Woche weg“, sagt er. Daher sollten Freizeit, Ferien und eine mögliche Verbeamtung nicht die Motivation für den Beruf sein: „Man muss wirklich Spaß an der ganzen Sache haben und mit Jugendlichen arbeiten können.“ Für ihn persönlich sei es immer wieder eine Bestätigung, die Weiterentwicklung seiner Schüler zu sehen und einen Teil dazu beizutragen.