Auch die Kirchen müssen den Sparstift ansetzen. Die rückläufigen Einnahmen aus der Kirchensteuer lassen immer weniger Spielraum. Umso mehr erstaunt es, was in Meßkirch ermöglicht wurde: Innerhalb von drei Jahren wurde eine neue Orgel beschlossen, bestellt, geplant und aufgebaut.
Und das Geld? Eine gute Million Euro kostet das nagelneue Instrument aus der Schweiz. Ein Dreiviertel der Bausumme sind in kurzer Zeit eingeworben und vor allem gespendet worden.
Positive Grundstimmung für eine neue Orgel
Pfarrer Stefan Schmid kann bis heute kaum glauben, dass der ganze Prozess so zügig über die Bühne ging. Entscheidendes Gremium war der Stiftungsrat, der über das Geld der Pfarrei entscheidet. Dort war die Grundstimmung für eine neue Orgel positiv, erinnert sich Schmid.
Nur vereinzelte Stimmen hätten gefragt, ob es auch billiger gehe; bisher verrichtete ein elektronisches Instrument ihren Dienst – laut, aber völlig unpassend.
Eine Elektro-Orgel hat mit einer Pfeifenorgel nur die Tasten gemeinsam. Pfarrer Schmid und Kirchenmusiker Volker Nagel blieben beharrlich. Entscheidend war wohl, dass der Pfarrer zu einer der Sitzungen eine Drehorgel mitbrachte.
Auch der Denkmalschutz zog mit
Diese funktioniert wie eine Pfeifenorgel, und Schmid nutzte den klingenden Kasten, um die Funktion einer Orgel zu demonstrieren und zu zeigen, wie viele Teile ineinandergreifen, bis ein Ton in der Luft steht.
Der Leierkasten überzeugte, das Projekt wurde beschlossen. Auch der Denkmalschutz, sonst ein als schwierig geltender Partner beim Umbau von historischen Häusern, zog mit. Im Juli wurde das neue Instrument eingeweiht.
Die Erklärung für dieses Express-Projekt: Alle zogen an einem Strang. Pfarrer, Musiker und Gremien waren sich einig, dass die wuchtige und ungewöhnliche breite Stadtkirche St. Martin mit einem herausragenden Instrument bestückt werden soll.
In der Ausschreibung lag der Schweizer Orgelbauer Kuhn vorne – nicht der billigste Anbieter, aber nach Überzeugung der Beteiligten der beste. „Wir haben ihn in seiner Werkstatt in Männedorf besucht, ein ganzer Bus voll“, berichtet Organist Volker Nagel. Dort sahen sie: Kuhn und seine Mitarbeiter machen alles selbst.
Alle Teile von Hand gefertigt
In der Werkstatt am Zürichsee konnten sie eine Zinkpfeifenmacherin bei der Arbeit beobachten. Sämtliche Teile wurden von Hand gefertigt und auf den Meßkircher Raum abgestimmt. Ein Einzelstück.
Der stattliche Preis von über einer Million Euro erklärt sich auch durch Sonderwünsche. Volker Nagel spielt Orgel und ist als Chorleiter zwischen Donau und Heuberg unterwegs. Er machte den Vorschlag, dass ein zweiter Spieltisch gebaut und geliefert wird – ein beweglicher Tisch auf Rollen, von dem aus die Orgel bedient werden kann.
Die Apparatur steht im Chorraum. Für Konzerte oder das Begleiten von Sängern leistet der zweite Spieltisch gute Dienste. Nagel ist begeistert von seinem neuen Instrument, er führt die verschiedenen Register auf den drei Manualen vor.
Später setzt sich auch der Pfarrer an die Klaviatur, auch er ein begeisterter Organist, der in jeder freien Minute vom Pfarrhaus aus schnell nach St. Martin läuft und sich auf die Sitzbank schwingt.
240.000 Euro aus einer Erbschaft
Beim lieben Geld kamen auch eine glückliche Fügung zum Tragen. Über 240.000 Euro waren durch ein Vermächtnis vorhanden. Es stammt aus dem Erbe von Prälat Albert Füssinger; der pensionierte Geistliche, der in Baden sehr bekannt war, lebte bis zu seinem Tod auf der Insel Reichenau.
Er hinterließ eine Stiftung von 400.000 Mark, die in Form von 240.000 Euro in den Orgelbau einflossen. Füssinger hatte in seinem Testament festgelegt, dass das Geld der Orgel zugutekommen solle. Außerdem steuerte die Erzdiözese kräftig bei, nicht zuletzt durch einen bischöflichen Fonds. Dreiviertel der Bausumme ist bereits in die Schweiz überwiesen.
Patenschaften für einzelne Pfeifen
Auch in der Öffentlichkeit schlug das Projekt Wellen: Der Bauförderverein vergab Patenschaften für einzelne Pfeifen. Für Beträge zwischen 50 und 1000 Euro konnte man Pate einer bestimmten Pfeife werden. Bei etwa 2000 Pfeifen kommt etwas zusammen.
Die Frage, ob man so viel Geld für etwas anders, für einen anderen guten Zweck spenden könne, kam nicht auf. 130.000 Euro hat der Bauförderverein durch die Patenschaften eingeworben, und das in kurzer Zeit.
Nagel erklärt es so: „Für viele bedeutet St. Martin ein Stück Heimat, mit dem sie etwas verbinden: eine Taufe zum Beispiel oder eine Hochzeit. Deshalb spenden sie“.