Die Erfolgsgeschichte von Off-Grid Europe begann unter Party-Pavillons im Bodensee-Hinterland. Es war Winter, es schneite – und Christiane und Mark Kragh schraubten Energiecontainer im Garten eines Onkels in Frickingen zusammen.

Ein französisches Energieunternehmen hatte von dem deutschen Paar gehört, welches mit kleinen, solarbetriebenen Energiesystemen experimentierte – und wollte seine Tankstellen in Afrika elektrifizieren.

Stromnetze gibt es in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents bis heute nicht, die Versorgung über Dieselaggregate ist unzuverlässig, teuer und wenig klimafreundlich. Dafür scheint aber meist die Sonne, was für autarke, solare Lösungen spricht.

Den widrigen Arbeitsbedingungen zum Trotz montierte das Ehepaar Kragh deshalb Solarzellen auf Container und baute im Inneren Batteriespeichersysteme ein, die den Solarstrom speichern und bei Bedarf wieder abgeben können. Das Party-Pavillon-Projekt gelang. Kurz darauf folgte ein Auftrag, um 200 Dörfer im Senegal über die Energiecontainer mit Strom zu versorgen.

Installation von Solarmodulen in Afrika. Die Firma Off-Grid-Europa aus Pfullendorf baut Insel-Solar-Lösungen für Landstriche, in denen ...
Installation von Solarmodulen in Afrika. Die Firma Off-Grid-Europa aus Pfullendorf baut Insel-Solar-Lösungen für Landstriche, in denen es kein funktionieredes Stromnetz gibt. | Bild: Offgrid Europe

Heute, gut zehn Jahre später, elektrifiziert Off-Grid Europe mit seinen Energiesystemen Krankenhäuser, Unternehmen und weitere Dörfer, die bis dahin keinen Zugang zum Stromnetz hatten.

Längst gibt es einen richtigen Firmensitz im Pfullendorfer Industriegebiet und doch ist man mal wieder am Improvisieren. „Wir sind stark gewachsen und mussten ein zweites Gebäude anmieten“, sagt Christiane Kragh.

Umsatz vervierfacht

In diesen Büroräumen stehen die Schreibtische noch etwas verloren herum, Holzwände warten darauf, fertig eingebaut zu werden. Umsatz wie Zahl der Mitarbeiter haben sich Kragh zufolge die letzten drei Jahre vervierfacht – und die nächsten Monate sollen noch viele neue Fachkräfte dazukommen.

Zusammen mit den 40 anderen Softwareentwicklern, Ingenieuren, Schweißern, Logistikern und Vertrieblern in Pfullendorf sollen sie dafür sorgen, dass zwei von Off-Grid neu entwickelte Produkte ähnlich erfolgreich werden wie die Energiecontainer.

„Mit unserem Solar-Home-System wollen wir zum Beispiel auch einzelnen Häusern in informellen Siedlungen eine Stromversorgung ermöglichen“, sagt Christiane Kragh. Bis heute haben mehr als 600 Millionen Menschen in Afrika keinen Zugang zu Stromnetzen.

Ein Energiecontainer der Firma Off-Grid Europe wird eingehaust
Ein Energiecontainer der Firma Off-Grid Europe wird eingehaust | Bild: Off-Gride

Bei den Solar-Home-Systemen ist der Stromspeicher in einer tragbaren Box verbaut, an welchen sich eine Lampe, ein Kühlschrank oder ein Handyladekabel direkt anschließen lassen.

Rund 62.000 solcher Solar-Home-Systeme hat die angolanische Regierung bereits bestellt. Off-Grid Europe arbeitet in aller Regel mit den Regierungen vor Ort zusammen. „Das erleichtert bei großen nationalen Projekten die Finanzierung, die oft über Kredite erfolgt“, sagt Christiane Kragh.

Gegenüber Mitbewerbern, die im Bereich autarke, solare Energiesysteme Kragh zufolge vor allem aus Asien, der Türkei sowie Frankreich kommen, setzen sich die Pfullendorfer auch deswegen häufig durch, weil sie ihre Produktion schrittweise immer mehr nach Afrika verlagern. „Bei einer Arbeitslosigkeit von oft 60 Prozent ist man froh um Firmen, die Jobs vor Ort schaffen“, sagt Christiane Kragh.

Container mit Solarzellen und im Inneren mit Batteriespeichersystemen ausgestattet (im Bild links) liefern einer Siedlung in Afrika ...
Container mit Solarzellen und im Inneren mit Batteriespeichersystemen ausgestattet (im Bild links) liefern einer Siedlung in Afrika Solarstrom. | Bild: Offgrid Europe

Im Senegal gibt es bereits eine Tochtergesellschaft mit bald 80 Mitarbeitern, weitere sollen folgen. Off-Grid Europe spart sich durch die Fertigung in Afrika Transportkosten. „Vor allem aber macht es unsere Produkte langlebiger und damit nachhaltiger“, sagt Christiane Kragh. Denn die geschulten Mitarbeiter vor Ort seien dann auch in der Lage, Wartung und Reparatur der Energiesysteme zu übernehmen.

Am Standort Pfullendorf will das Ehepaar Kragh dennoch festhalten und bald eine größere Produktionshalle bauen. „Hier entwickeln wir neue Produkte und wir werden sie auch weiterhin teilweise hier fertigen“, sagt Christiane Kragh.

An Ideen für weitere Anwendungen mangelt es dem Ehepaar Kragh nicht. „Es ist eine Sache, dass sich die Menschen vor Ort darüber freuen, wenn sie endlich Licht in ihrem Haus haben“, sagt Christiane Kragh. Recht schnell aber käme dann auch der Wunsch auf, mit der Energie etwas anzufangen, die eigene Wertschöpfung zu steigern.

Aus diesem Wunsch heraus ist gerade ein weiteres Produkt fertig geworden. Es nennt sich Much Cooler und ist eine autarke, solarbetriebene Kühlhalle für Obst und Gemüse, die bis zu 3000 Tonnen Lebensmittel vor dem Verderben retten kann. „In Afrika geht oft bis zur Hälfte der Ernte verloren, weil sie vor Ort nicht gekühlt werden kann“, sagt Christiane Kragh.