Frau Senger, viele Operationen sind verschoben, Rehabilitationen ausgesetzt – wie geht es den Dorfhelferinnen in der Corona-Krise?
Wir arbeiten weiterhin, aber es ist ruhiger geworden.

Trotzdem brauchen die Familien Hilfe – eine Frau, die wegen eines Bandscheibenvorfalls in der Klinik war und anschließend in die Reha soll, die aber ausfällt, kann ihr Kind ja trotzdem nicht versorgen. Wie regeln Sie das?
Diese Einsätze sind natürlich weiter gelaufen, wenn die Familie das wollte. Einige hatten wegen des Coronavirus auch Angst und haben uns abgesagt. So wie eine Frau, die an einer schweren Schwangerschaftsdepression leidet, bei der wir schon länger im Einsatz sind. Sie wollte nicht mehr, dass wir kommen. Viele Männer sind wegen der Kurzarbeit ganz zu Hause. Dann wird unser Einsatz nicht bezahlt.
Wann kommen Dorfhelferinnen?
Mit welchen Familiensituationen haben Sie es zu tun?
Zur Zeit haben wir viele Schwangere mit Zwillingen und Risikoschwangere, die liegen müssen, zu hohen Blutdruck haben oder mit vorzeitigen Wehen ins Krankenhaus müssen. Wir helfen Familien in Not, wenn Mütter in der Klinik sind, ein Geschwisterkind dorthin begleiten oder körperlich und seelisch zeitweise überfordert sind. Auf Höfen helfen wir auch im Stall, egal, wie alt die Kinder sind oder auch, wenn keine Kinder da sind. Familien mit einem behinderten Kind unterstützen wir mit der Verhinderungspflege.
Aber Sie sind auch bei Familien, denen ihr Leben mit Kindern über den Kopf wächst...
Ja, mit unserem HOT-Programm, dem Haushalts-Organisations-Training, zeigen wir Familien in prekären Familiensituationen, wie sie ihren Haushalt führen und in Ordnung halten, ihre Kinder und sich selbst versorgen, aber auch, wie sie mit Geld umgehen. In diese Familien kommen wir über das Jugendamt.
Die Dorfhelferinnen haben sehr engen Kontakt zu den Familien – wie sorgen sie für beiderseitigen Schutz?
Wir achten besonders darauf, dass der Abstand eingehalten wird, wir mit Handschuhen arbeiten und die Mutter sich in einem anderen Raum aufhält, während die Dorfhelferin kocht und sauber macht. Bei Frauen, die eine Chemotherapie machen, ist zwingend immer dieselbe Dorfhelferin im Einsatz. Mit den Kindern sind wir in engem Kontakt, das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn sie gewickelt werden müssen und auf den Arm möchten. Vorab klären wir mit den Eltern ab, ob wir Masken tragen.
Erleben Sie es auch, dass sich eine Krankenkasse weigert, einen dringenden Einsatz zu verlängern, während es für eine andere kein Problem ist?
Ja, durchaus. Wir haben eine Frau, die in einer psychiatrischen Klinik war, deren Kinder wir betreut haben. Als sie nach Hause kam, weigerte sich die Kasse, weiter zu zahlen, obwohl die Frau unsere Unterstützung gebraucht hätte. Jetzt ist sie wieder in der Klinik, weil sie es allein nicht geschafft hat. Manchmal geht es aber auch schnell. So hat mich gestern ein Vater angerufen, der mit seinem Kind, das sich das Bein gebrochen hat, in der Klinik war. Seine Frau arbeitet, das andere Kind braucht Betreuung zu Hause. Heute Morgen schon hat mich die Krankenkasse informiert, dass wir mit dem Einsatz starten können.
Wenn die Kasse die Genehmigung verweigert, rufen Sie dann dort an?
Ja. Wir arbeiten sehr eng mit den Krankenkassen zusammen. Manchmal berufen die Mitarbeiter sich auf ihre Vorschriften, manchmal sehen sie jedoch ein, dass eine Familie weiter Hilfe braucht. Es kommt auch vor, dass sie sich bei uns melden, weil sie für eine Familie eine Dorfhelferin suchen.
Betreuen Sie auch Familien mit sehr schwer kranken Müttern, die eventuell sterben müssen?
Ja. Zur Zeit haben wir eine Frau, die an einem Hirntumor leidet. Sie hat zwei Kinder, eines davon ist behindert.
Stellen Sie es Ihren Dorfhelferinnen frei, selbst zu entscheiden, ob sie es sich zutrauen, in einer solch schwierigen Familiensituation die Betreuung zu übernehmen?
Man bekommt einen Blick dafür, welche Dorfhelferin eine besondere Empathie für solche schwierigen Situationen mitbringt. Diese Familie betreut eine junge Dorfhelferin, die sich sehr gut einfühlen kann. Ich habe engen Kontakt und tausche mich mit ihr aus. Anfangs war die Familie sehr unsicher. Die Mutter kann kaum sprechen wegen des Tumors. Meine Kollegin erzählte, wie sie sie trotzdem ins Gespräch einbezieht. Das ist sehr berührend. Und die Familie öffnet sich jeden Tag mehr.
Wenn eine Frau stirbt, endet damit ja auch Ihr Einsatz als Dorfhelferinnen, weil die Krankenkasse die Kosten nicht mehr übernimmt, obwohl die Hilfe gerade dann gebraucht würde. Wie gehen Sie damit um?
Ja, das stimmt. Dann kann der Mann sich krankschreiben lassen und dessen Kasse übernimmt die Kosten oder das Jugendamt. Wenn alle Stricke reißen, haben wir noch unser Spendenkonto, mit dem wir einspringen können.