Die Gasspeicher füllen sich, die Koalition schafft Hilfen, die Sonne scheint. Doch die Sorgen, dass Deutschland im Winter ein ernsthafter Versorgungsengpass bevorsteht, sind so groß wie nie. Fast jeder Zweite sieht der Zukunft inzwischen mit ausgeprägten Befürchtungen entgegen, das zeigt der aktuelle BaWü-Check, eine Umfrageserie der baden-württembergischen Tageszeitungen durch das Institut für Demoskopie Allensbach, kurz IfD.
Das erschütternde Ergebnis: In keiner Umfrage zuvor hatten die Menschen so wenige Hoffnungen für das anstehende Jahr.
Krieg in der Ukraine, Gasmangel, Inflation. Bundeskanzler Olaf Scholz schwört die Bürger auf eine lang anhaltende Krise ein. Und während die Ampelkoalition, um die Folgen einer Energie-Knappheit in den kommenden Monaten abzufedern, ein drittes Entlastungspaket über 65 Milliarden Euro verabschiedet, fragen sich die Länder, inwieweit das von ihnen mitgetragen werden soll.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann forderte deshalb schon am Sonntag, möglichst schnell die Ministerpräsidentenkonferenz einzuberufen. Das Entlastungspaket habe massive Auswirkungen auf die Länderhaushalte, sagte der Grünen-Politiker dezidiert.
Betreffen könnte das unter anderem den Nachfolger für das Neun-Euro-Ticket. Ziel sei eine Fahrkarte von etwa 49 bis 69 Euro pro Monat. „Die Bundesregierung ist bereit, den Ländern für ein bundesweites Nahverkehrsticket jährlich 1,5 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen“, teilte die Ampelkoalition in diesem Zusammenhang mit – vorausgesetzt, die Länder werfen den gleichen Betrag in den Topf.
Baden-Württemberg dürfte also mindestens in diesem Bereich eine größere Investition bevorstehen. Inmitten von Krisen und milliardenschwerer staatlicher Unterstützungsprogramme ist es dennoch bezeichnend, dass das Land in den Augen der Bürger gut dasteht. Wie die Ergebnisse des BaWü-Check beschreiben, stufen 47 Prozent der Befragten die finanzielle Lage des Landes als positiv ein.
Noch besser bewerten die Menschen die Situation ihrer Stadt oder Gemeinde: Hier hat jeder Zweite einen guten oder sogar sehr guten Eindruck.
Andererseits wachsen auch dort die Sorgen. Wie auf Landes- so wappnen sich auf kommunaler Ebene die Akteure für die kalte Jahreszeit und erarbeiten ihrerseits bereits erste Konzepte, um Strom zu sparen. Vielerorts gehen nachts die Lichter aus, am Salemer Schloss zum Beispiel, am Überlinger Münster, auch am Stuttgarter Fernsehturm. Die Krise wird sichtbar, wenn auch nicht überall, wenn auch nur nachts.
Immerhin, die Mehrheit der Baden-Württemberger, 75 Prozent, unterstützt solche Maßnahmen. Mehr als die Hälfte (57 Prozent) wäre den Ergebnissen des IfD zufolge sogar bereit, ein wenig zu frieren, wenn bestimmte Gebäude einer Stadt oder Gemeinde nur noch bis auf 19 Grad beheizt werden. Auch den Verzicht auf Ampelanlagen und Straßenbeleuchtung in der Nacht würde etwa die Hälfte der Befragten grundsätzlich noch mittragen.
Allerdings, das zeigen die Resultate des BaWü-Checks in seiner elften Ausgabe auch, je größer der Eingriff in den Alltag und damit die eigene Betroffenheit ist, desto weniger sind die Menschen bereit, sich zu beschränken: Das betrifft vorübergehende Schließungen von Thermen, Saunen und Schwimmbädern, die nur noch 24 Prozent der Befragten befürworten, ebenso wie Absagen von Volksfesten und Weihnachtsmärkten.
So weit ist die Krise also noch nicht in den privaten Bereich vorgedrungen. Deshalb dürfte es auch nicht verwundern, dass die meisten einen strengen finanziellen Sparkurs der Landesregierung ablehnen. Laut Ergebnissen des BaWü-Check halten 16 Prozent die derzeitige Finanzpolitik sogar für übertrieben sparsam.