Alles andere wäre eine Überraschung gewesen: Manuel Hagel hat Partei und Öffentlichkeit nun offiziell wissen lassen, dass er als CDU-Ministerpräsident die erste Landesregierung nach der Ära Kretschmann anführen will. Die Erklärung an diesem Samstag folgte einem genauen Masterplan. Keinesfalls sollte Hagels großer Moment im Bundestagswahlkampf untergehen. Jetzt steht der 36-Jährige Ehinger ein volles Jahr voll im Fokus – die Bühne gehört ihm.

Spannend dürfte werden, was er mit der Bühne und auch mit dem Land eigentlich anfangen will. Denn außer, dass der CDU-Überflieger das „Erbe von Winfried Kretschmann in guten Händen“ halten will, steht dahinter noch ein großes Fragezeichen. Der stets verbindlich auftretende Oberschwabe kann zusammenführen, das hat er Partei und Fraktion bewiesen, und er will, so betont er stets, mit seinem Team „zusammen führen“. Aber wohin?

Bislang musste er nicht liefern

Bislang hat Hagel bei der Gewichtung von Inhalten taktische Flexibilität bewiesen, je nachdem, welches Thema jeweils im Meinungsklima ganz oben stand – ob Klimaschutz, Bildungsmisere, Migrationsprobleme oder innere Sicherheit. Auch vom christlichen Menschenbild spricht er oft. Was das aber konkret für Partei und Politik heißen soll, bleibt im Vagen. Liefern musste Hagel bislang nicht.

Es ist nicht nur das Duell mit dem grünen Mitbewerber Cem Özdemir, dem sich Hagel stellen muss. Özdemir ist bekannt im Land, pflegt einen weltläufigen Auftritt und ist ein glänzender Redner. Er kann sich, künftig ohne Amt und Mandat, mit voller Kraft seiner Kandidatur widmen.

Anders als Hagel, der als Landtags-Fraktionschef und Landesvorsitzender gefordert ist – aber über seine Heimatregion und die landespolitische Blase hinaus vielen Menschen noch immer ein gänzlich Unbekannter.

Können Städter damit etwas anfangen?

Dazu steht Hagel in Gestus und Habitus und mit dem predigthaften Duktus seiner Reden, obwohl junger Familienvater mit modernen Überzeugungen, für den Geist einer alten Baden-Württemberg-CDU, wie er heute nur noch im ländlichen Raum annähernd so lebendig ist wie früher. Aber für zunehmend mehr Menschen im Land – nur gut ein Drittel lebt noch im ländlichen Raum – ist das eben nicht mehr Teil ihrer Lebensrealität.

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Wer hart arbeitet, mit zwei Einkommen keine Wohnung in der Stadt bezahlen kann und trotz Rechtsanspruch ohne Klage keine Kita findet, kann mit Hagels Beschwörung von Tugenden wie Fleiß, Leistungsbereitschaft, Disziplin und Bescheidenheit mutmaßlich wenig anfangen. Die Probleme der CDU in Großstädten untermauern dies.

Die wahre Gefahr wächst rechts heran

Es dürfte schwer werden, damit in den urbanen und suburbanen Zentren das Landes Wähler zurückzuholen. Oder gar Aufbruchstimmung zu wecken bei jüngeren Generationen, die sich mit vielfältigen weltweiten Krisen konfrontiert sehen und politisch sozialisiert wurden mit Bundesregierungen, die in gleich welcher Konstellation dabei versagten, elementare Aufgaben zu lösen. Der Erfolg der Linken lässt grüßen. Klares Profil zu zeigen, daran hindert Hagel im kommenden Jahre zudem noch die Einbindung in die aktuelle Landesregierung.

Die größte Unbekannte und Gefahr für Hagels Ambitionen aber wächst rechts heran. Während die Grünen auf einen vergleichsweise treuen Wählerstamm zurückgreifen können, gräbt die AfD der CDU weiter ungebremst Stimmen ab. In einer bundesweiten Umfrage ist die AfD mit 24 Prozent bereits auf zwei Punkte an die CDU herangerückt.

Die erste große Abrechnung

Mit der Landtagswahl in Baden-Württemberg könnte es 2026 die erste große Abrechnung mit einer Bundesregierung der enttäuschten Erwartungen geben – zu Lasten der CDU. Dazu kommt, dass die Wirtschaftskrise den Automobilstandort Baden-Württemberg ins Mark trifft.

Wo Menschen entlassen werden, Kreditraten nicht mehr bezahlt werden können, Lebenspläne zerplatzen, werden die Schuldigen schnell in der Politik ausgemacht, entladen sich Wut und Frust an den Wahlurnen.

2026 könnte nicht mehr der Abstand zu den Grünen für die Südwest-CDU der entscheidende Maßstab sein – sondern der zur AfD. Die Aufgabe für Hagel könnte größer kaum sein.