Irgendwann reicht es. Als der Mann den Polizisten, der einst seine Aussage aufnahm, aufs Übelste beleidigt, hat Richter Arno Hornstein genug gehört. Der Zeuge ist per Videoschalte aus dem Krefelder Polizeipräsidium in den Gerichtssaal zugeschaltet. Hornstein bricht die Vernehmung jetzt ab. Es ist das erste Mal in diesem mühsamen Verfahren, dass es auch dem Richter entfährt: „Und mit solchen Zeugen will man einen Krieg gewinnen.“

Der Fall Jan Heisig hat mehrere Schauplätze – nicht nur auf der Höri am Bodensee, auch Gefängnisse und die Drogenszene Krefelds spielen in diesem Verfahren eine wichtige Rolle. Denn Mike W. wird vorgeworfen, bevor es am 2. Juni 2019 zu der wohl tödlichen Attacke in Hemmenhofen kam, in der Drogenszene nach Helfern gesucht zu haben, um „jemanden verschwinden zu lassen“.

Die „Platte“ im Verhör

Um das zu klären, hat das Gericht diverse Personen von der „Platte“, dem Krefelder Theatervorplatz, geladen. Die meisten sind der Ladung beim ersten Mal nicht gefolgt. Dafür wurden Zellengenossen aus Gefängnissen nach Konstanz geholt oder zugeschaltet. So auch am Mittwoch. Und wie schon an anderen Verhandlungstagen glichen diese Vernehmungen einem Kraftakt.

Mike W. wird vor dem Landgericht Konstanz angeklagt. Der Mann soll Jan Heisig im Juni 2019 getötet haben.
Mike W. wird vor dem Landgericht Konstanz angeklagt. Der Mann soll Jan Heisig im Juni 2019 getötet haben. | Bild: Hanser, Oliver

Der Zeuge, der sichtlich nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte, zeigte sich unkooperativ. Obwohl ihm das Gericht die Anreise an den Bodensee erspart hatte, machte er keinen Hehl daraus, dass er ohnehin nicht gekommen wäre. Auf die Belehrung über die Konsequenzen einer Falschaussage reagierte er lakonisch: „Mir geht es drinnen besser als draußen.“ Nach 16 Jahren hinter Gittern habe er auch vor 16 weiteren keine Angst.

„Das wird ja immer besser“

Der Mann, der W. aus einer Substitutionspraxis kennt, beschrieb ihn zunächst als höflich und zuvorkommend, wollte ihm einen Mord nicht zutrauen. Als er jedoch erfuhr, dass W. gestanden hat, Jan Heisig geschlagen und dessen Leichnam vergraben zu haben, reagierte er mit Ausrufen wie „Ui“ und „Krass“. Jedes weitere Detail, das Richter Hornstein ihm vorhielt, bestritt er. Danach wollte er seinen Anwalt einschalten.

Im Garten seines früheren Wohnhauses wurde die Leiche von Jan Heisig mehr als fünf Jahre nach seinem Verschwinden entdeckt.
Im Garten seines früheren Wohnhauses wurde die Leiche von Jan Heisig mehr als fünf Jahre nach seinem Verschwinden entdeckt. | Bild: Durain

Bisher einten die Personen aus dem Umfeld des 49-Jährigen vor allem, dass sie sich in ihren Aussagen an keine entscheidenden Details erinnern konnten oder wollten. Die Zellengenossen, mit denen W. einsaß, berichteten, dass W. immer behauptete, den Mann am Bodensee nicht umgebracht zu haben.

Tat schon 2017 geplant?

Nur der letzte Zeuge an diesem Tag, der aus der JVA Ratingen zugeschaltet wurde, bestätigte dem Gericht ohne Umschweife, dass es wohl schon länger einen Plan gab, an den Bodensee zu reisen, um Geld einzutreiben.

Diesen hätten die Halbschwester und ihr damaliger Freund, eine inzwischen verstorbene Kiezgröße, ausgeheckt. Dazu sei er schon 2017 von ihnen angesprochen worden. „Die wollten das wohl durch Gewalt tun.“ Er habe das Angebot abgelehnt. Der Häftling dachte daher auch, dass jener Freund für den Tod von Heisig verantwortlich sei, nicht der angeklagte Mike W..

Urteil erst im neuen Jahr

Fest steht unterdessen aber: Der Prozess wird verlängert. Kommende Woche soll nur noch am Dienstag verhandelt werden, dann erst wieder am 18. Dezember. Am Dienstag soll die Halbschwester Heisigs, die vom Angeklagten und weiteren Zeugen massiv belastet wurde, aussagen. Das Urteil soll Mitte Februar verkündet werden.