Wenn die eigene Mutter einen plötzlich mit fremdem Namen anspricht, dann läuten die Alarmglocken. So ging es 2014 auch Fried Schüle (62) aus Waldshut. Die Diagnose: Demenz. „Ich habe mich sehr hilflos gefühlt und gemerkt, wie isoliert man plötzlich ist“, sagt er.
Weil für ihn selbst der Austausch mit anderen Angehörigen sehr heilsam war, hat er 2021 gemeinsam mit den evangelischen Kirchengemeinden Küssaberg und Klettgau die lokale Allianz für Menschen mit Demenz „Mit-einander Hochrhein“ gegründet – und Friedas Gartencafé ins Leben gerufen.
„Wir wollten einen offenen Begegnungsort für Menschen mit und ohne Demenz schaffen“, sagt er. „Hier können sich Angehörige austauschen – und gemeinsam mit Betroffenen lachen, spielen, Kuchen essen – und den Schritt raus aus der Isolation wagen!“
Ein Gartencafé fürs Wochenende
Aus einem monatlichen Treffen in Waldshut wurde etwas viel Größeres: Seit 2023 gibt es selbstorganisierte Gartencafé-Teams in Wutöschingen und Tiengen, seit 2024 in Bad Säckingen, neuerdings auch in Jestetten und Erzingen. 75 Freiwillige organisieren die Treffen, zu denen bis zu 60 Menschen kommen.
„Quasi jedes Wochenende findet man ein Gartencafé im Landkreis Waldshut. Das ist eine Wundergeschichte, die mich sehr berührt“, sagt Fried Schüle. „Das Gartencafé macht einfach Freude, fühlt sich leicht wie ein Luftballon an – und zwar für alle Beteiligten, die hier eine gute Zeit miteinander verbringen.“
Spezial-Pflegekurse für Angehörige
Zusätzlich leitet Schüle als Kommunikationstrainer Spezial-Pflegekurse für Angehörige. In der Kommunikation mit Demenzkranken ist Einfühlungsvermögen gefragt. „Jedes Korrigieren oder Bevormunden tut Betroffenen weh“, sagt er. Seine Kernbotschaft: „Das Miteinander ist anders. Nähe und Liebe bleiben aber teilbar!“
Laut Deutscher Alzheimer Gesellschaft leben hierzulande rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Durch steigende Lebenserwartung nehmen die Fallzahlen zu. „Die Pflegesituation ist jetzt schon angespannt“, sagt Schüle. Es brauche neue Lösungswege, die Heime und pflegende Angehörige gleichermaßen entlasten.
Gästehaus nach Schweizer Vorbild
So ein Konzept entwickelt Mit-einander Hochrhein aktuell: In der leerstehenden Matthäuskirche in Erzingen soll „Friedas Gästehaus“ entstehen – ein Tag-/Nacht-Zentrum, das sich die Initiatoren vom Hochrhein in der Schweiz abgeschaut haben.
Es sollen wöchentlich rund zehn demenzbetroffene Stammgäste für 24 bis maximal 72 Stunden Platz finden. „Das soll pflegenden Angehörigen an ein bis drei Tagen die Woche oder bei Krankheit oder Ferienzeiten Luft zum Durchatmen geben“, erklärt Fried Schüle. Laut Studien sind drei Viertel aller pflegenden Angehörigen psychisch stark belastet. Freizeit- oder Sozialleben? Vorbei.
Von der Kirchengemeinde unterstützt
Für die Verwirklichung braucht es Offenheit im Landkreis. Denn „Friedas Gästehaus“ ist keine Tagespflege, sondern etwas Neues, und es soll bezahlbar sein. Deshalb unterstützt die evangelische Kirchengemeinde Klettgau die Idee durch die Überlassung der Matthäuskirche. Für den Umbau werden 2,5 Millionen Euro benötigt.
Fördermittel sind beantragt, man hofft auf Spenden und Stiftungen. In der Schweiz habe sich die Hybridlösung etabliert. Allein im Kanton Aargau gibt es 20 wohnortnahe Angebote. Schüle ist zuversichtlich: „Wir glauben daran, dass Friedas Gästehaus ein Modellprojekt sein wird, das sich deutschlandweit etablieren kann.“