Wie gefährlich ist die millionenfach eingenommene Verhütungspille „Yasminelle“? Die aus Bad Säckingen stammende Felicitas Rohrer klagt gegen den Pharmariesen Bayer. Die heute 36-Jährige hatte die von der Bayer Vital GmbH vertriebene Pille genommen – und war fast gestorben. Von dem Pharmakonzern verlangt sie Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der juristische Streit dauert schon zehn Jahre. Nun verhandelt der in Freiburg ansässige vierte Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe den Fall. Vor dem Landgericht Waldshut-Tiengen hat Rohrer im Dezember 2018 in erster Instanz verloren. Gegen dieses Urteil ist sie in Berufung gegangen, deshalb liegt der Fall in zweiter Instanz nun beim OLG.

Bei Einlieferung ins Krankenhaus klinisch tot

„Es geht mir um Gerechtigkeit“, sagte Rohrer beim Prozessauftakt am Dienstag in Freiburg. Im Sommer 2009, als sie 25 Jahre alt war, nahm die damals in Bad Säckingen lebende Frau „Yasminelle“. Ihr Hausarzt hatte ihr diese weltweit vertriebene und von den Behörden zugelassene Anti-Baby-Pille verschrieben. Nach der Einnahme erlitt sie eine lebensgefährliche beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand. Sie kam in Bad Säckingen ins Krankenhaus und von dort in die Uniklinik Freiburg. „Als sie in die Klinik eingeliefert wurde, war sie klinisch tot“, heißt es in den medizinischen Berichten. Eine Notoperation rettete ihr das Leben.

Rohrer macht das Verhütungsmittel mit seinem Wirkstoff Drospirenon für ein hohes Thrombose-Risiko und ihre medizinischen Probleme verantwortlich. Noch heute leide sie unter gesundheitlichen Einschränkungen. Zudem könne sie keine Kinder mehr bekommen.

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Rohrer, die heute bei Offenburg lebt, reichte im Frühjahr 2011 Klage gegen Bayer ein, seither läuft das Zivilrechtsverfahren. Das Landgericht Waldshut-Tiengen wies ihre Klage im Dezember 2018 ab. Die gesundheitlichen Probleme seien nicht zweifelsfrei auf die Einnahme des Verhütungsmittels zurückzuführen, entschied das Gericht. Möglich seien auch andere Ursachen.

Anti-Baby-Pille mit sehr „hoher Wahrscheinlichkeit“ für Erkrankung verantwortlich?

Nun entscheidet die nächste Instanz. „Es ist unstrittig, dass Yasminelle eine erhöhte Thrombose-Gefahr mit sich bringt“, sagte die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, Eva Voßkuhle. Dies räume auch Bayer ein. Die zentrale Frage aber sei, ob Rohrers Erkrankung „mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ auf die Anti-Baby-Pille zurückzuführen sei. Und inwieweit andere Ursachen ausgeschlossen werden könnten.

Felicitas Rohrer litt im Sommer 2009 eine beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand und führt dies ...
Felicitas Rohrer litt im Sommer 2009 eine beidseitige Lungenembolie sowie einen Kreislaufzusammenbruch mit Herzstillstand und führt dies auf die Einnahme des Verhütungsmittels zurück. | Bild: Philipp von Ditfurth

Medizinischer Gutachter hat wachsende Zweifel

Klarheit erwartete sich das Gericht von einem medizinischen Gutachter, der bereits im ersten Verfahren ausgesagt hatte. „Meine Zweifel sind mit der Zeit gestiegen“, sagte der Mediziner Andreas Creutzig nun. „Yasminelle“ könnte die beidseitige Lungenembolie verursacht oder zumindest mitverursacht haben. Es könnten aber auch eine längere Flugreise vier Monate zuvor in Verbindung mit einer Vorerkrankung gewesen sein. Eindeutige Beweise gebe es nicht. Dies sagte auch Bayer-Anwalt Henning Moelle. Die Vorwürfe von Rohrer seien unbegründet.

Das Gericht will nun beraten. Als möglichen Termin für eine Urteilsverkündung hat es den 25. Juni angesetzt.