Sascha Gerner steht in seiner Produktionshalle in Überlingen. Er hält einen Kokosziegel in der Hand. „Der getrocknete Kot riecht dadurch wie Waldboden, er sieht aus wie Blumenerde“, sagt Gerner. Die Fasern der Kokosnuss gehören zu Gerners Geschäftsidee. In der Campingtoilette trocknen und kompostieren die Kokosfasern den Kot. So bereiten sie ihn darauf vor, im Restmüll oder im heimischen Kompost entsorgt zu werden.
„Unsere Campingtoilette benötigt weder Wasser noch Chemie“, sagt Sascha Gerner. Er ist selbst seit mehr als 25 Jahren überzeugter Camper. Das Thema Toilettengang beschäftigte ihn schon lange: Spätestens nach zwei bis drei Tagen müsse man auf einem Campingplatz halten, um die Toilettenkassette zu leeren.
Das widerspreche dem Ziel, so unabhängig wie möglich zu reisen. Und einen weiteren Nebeneffekt habe das Entsorgen auf den Campingplätzen: „Die Entsorgungsstationen auf dem Campingplatz riechen sehr speziell.“
„Ich habe meine ganzen Ersparnisse reingesteckt“
Eine Lösung musste her. Eigentlich vor allem für den eigenen Camper, wie Gerner erzählt. Doch er stellte sehr schnell fest, dass es in der Camping-Gemeinschaft ein Interesse an seiner Idee gab. „Wir haben im ersten Jahr bereits zwischen 50 und 60 Toiletten verkauft“, erzählt Gerner.
Das war im Jahr 2020. Ohne Investor habe er in seinem Wohnhaus begonnen, die Toiletten zu produzieren. „Ich habe meine ganzen Ersparnisse reingesteckt“, sagt er.
Das Besondere an Biotoi ist laut Gerner, dass keine Chemie eingesetzt wird. Zudem spare man sowohl Frischwasser als auch Abwasser. „Das ist entscheidend, denn Wasser ist im Camper knapp“, sagt Sascha Gerner.
Und man sei unabhängiger: Zwei erwachsene Personen müssten den Urintank nach drei Tagen leeren, der Feststoffbehälter muss nach ungefähr zwei Wochen geleert werden.
Zwei Millionen Euro für das Firmengelände
Die Toilette kostet, je nach Ausstattung, zwischen 850 und 1400 Euro. „Wir haben viele Interessenten in der Schweiz“, sagt Sascha Gerner. Er habe deshalb seinen Standort von Oberkirch (Ortenaukreis) bei Offenburg nach Überlingen verlegt. Neben Gerner als Geschäftsführer sind zwei Mitarbeiter in der Produktion angestellt, eine weitere Angestellte kümmert sich um das Büro.
In den Bau des Firmengeländes hat Sascha Gerner knapp zwei Millionen Euro investiert. Unterstützt wird er dabei von dem Förderprogramm „Spitze auf dem Land“. Das Programm soll kleine und mittlere Unternehmen im Ländlichen Raum unterstützen, die innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten. 2022 bewilligte das Land Baden-Württemberg der Firma BioToi eine Förderung von 300.000 Euro.
EU-Finanzierung für das Land wichtig
Das Programm wird zu gleichen Teilen vom Land Baden-Württemberg und der Europäischen Union finanziert. Die EU-Mittel stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE). Jährlich stehen rund 6,6 Millionen Euro Fördermittel für das Programm zur Verfügung, sagt ein Sprecher des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz auf SÜDKURIER-Anfrage.
Für das Land Baden-Württemberg sei die Kofinanzierung der Europäischen Union ein wichtiger Baustein, so der Sprecher weiter: „Eine vergleichbare Förderung von Projekten im Bereich Forschung, Innovation und Nachhaltigkeit ohne EFRE-Mittel wäre finanziell kaum darstellbar.“
Die Europäische Union fördert konkrete Projekte und Vorhaben in allen EU-Staaten. Diese Vorhaben sind stets kofinanziert. Das bedeutet, sie müssen zu einem Teil von dem Mitgliedstaat finanziert werden – dazu kommt dann Geld aus dem EU-Haushalt.
Alle sieben Jahre werden Leitlinien beschlossen
Die Europäische Union tätigt Ausgaben für alle 27 Mitgliedstaaten, in denen 450 Millionen Menschen leben. Im Jahr 2024 stehen der EU 189,39 Milliarden Euro zur Verfügung. Zum Vergleich: Der Bundeshaushalt 2024 sieht Ausgaben von rund 477 Milliarden Euro vor, in Deutschland wohnen aber gerade einmal rund 85 Millionen Menschen.
Alle sieben Jahre einigen sich die EU-Institutionen auf den mehrjährigen Finanzrahmen (MFR). Der Rat der EU und das Europäische Parlament legen im MFR fest, welche politischen Prioritäten die Ausgaben in den kommenden sieben Jahren haben sollen.
Schwerpunkt auf Klimaschutz
Aktuell gilt der mehrjährige Finanzrahmen 2021 bis 2027. Für den aktuellen MFR gilt, dass verstärkte Prioritäten auf dem ökologischen und digitalen Wandel liegen.
30 Prozent der Gesamtausgaben aus MFR und NextGenerationEU dienen der Finanzierung klimabezogener Projekte. Zudem erhalten Agrarpolitik und Kohäsionspolitik mehr Geld.
Rechtsstaatsmechanismus seit 2021
Erstmals wurde außerdem ein Mechanismus zum Schutz der Rechtsstaatlichkeit im MFR verankert: Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten ist seit 2021 eine Voraussetzung, um Gelder aus dem EU-Haushalt zu erhalten. Und das kam bereits zur Anwendung: 2022 beschloss der Rat der EU, die Zahlung von 6,3 Milliarden Euro an Ungarn auszusetzen.
Im MFR 2021-2027 verwalten die nationalen Behörden drei Viertel der Haushaltsausgaben gemeinsam mit der Europäischen Kommission. Das nennt man geteilte Mittelverwaltung. Darunter fallen etwa die großen Strukturfonds.
Finanzierung wird sorgsam geprüft
Im Fall von Sascha Gerner und dem Programm „Spitze auf dem Land“ läuft die Mittelverwaltung über das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Stuttgart. Dort musste er sich mit seinem Projekt bewerben: Dem Bau seiner Produktionshalle.
Knapp 60 bis 70 Seiten habe er dafür ausfüllen müssen. „Die Finanzierung wurde komplett durchleuchtet“, sagt Sascha Gerner. Denn diese müsse auch ohne die EU-Förderung stehen. „Wir hätten den Bau auch ohne die Förderung umgesetzt. Durch die Förderung werden wir aber schneller wirtschaftlich“, sagt Gerner.
Durch die Förderung sei es möglich gewesen, mehr Raum für die Angestellten zu schaffen. Die Förderung beziehe sich lediglich auf den Bau des gewerblichen Gebäudes, nicht auf den Kauf des Grundstücks oder die Privatwohnung, die über der Halle entsteht. Die Firma ist im April 2024 nach Überlingen in die neu gebaute Produktionsstätte gezogen.
Geld ist noch nicht geflossen
Im vergangenen Jahr hat Gerner den ersten Abruf der Fördermittel beantragt. Eine Zahlung von 150.000 Euro stehe nun aus. Dazu musste er die Belege einreichen, das Landesministerium muss die Zahlung nun bewilligen. Geflossen ist das Geld noch nicht. Sascha Gerner plant aber schon weiter. 800 Toiletten möchte Gerner künftig jährlich produzieren. Zehn Arbeitsplätze sollen in Zukunft entstehen.
Er läuft jetzt um den Bau seiner Halle in Überlingen herum. 2025 möchte Gerner seinen Betrieb erweitern: „Hier sollen die Stellplätze entstehen“, sagt er und zeigt auf den Boden, der gerade noch aus Erde besteht. Ein Bauarbeiter gräbt mit einem Bagger hebt gerade ein Loch in der Erde aus. Zwei Montageplätze sollen entstehen. Dort können die Toiletten direkt in die Camper eingebaut werden. Bis dahin hofft Gerner, dass das Geld aus Brüssel geflossen ist.