Die Stimme am Telefon ist noch ein bisschen heiser. Nach seinem knappen Sieg im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen genehmigte sich CDU-Mann Guido Wolf „noch zwei Gläschen Wein“, wie er im Gespräch mit dem SÜDKURIER berichtet. Zum Feiern hatte der gebürtige Oberschwabe allen Grund: Er gehört zum exklusiven Club der zwölf CDU-Mandatsträger landesweit, die ihren Sitz im Landtag verteidigen konnten und ihn nicht an die Grünen abgeben mussten.
Wolf, 59, stößt nicht in die Fanfaren des Triumphs. Zu bitter ist für die CDU-Welt das Ergebnis, das die Grünen im Land endgültig als neue Volkspartei etabliert. Die bekanntesten Minister im Kabinett – Susanne Eisenmann und Thomas Strobl – waren bisher ohne Sitz im Parlament und haben auch am 14. März keinen Sitz errungen. Wolf hat einen.
Das Mandat ist die Basis für alles andere
Wolf hütet sich davor, über die beiden und speziell über den Alt-Kontrahenten Strobl etwas Schlechtes zu sagen. Er formuliert feiner: „Das Mandat ist die Basis für alles andere.“ Das heißt im Rückschluss: Wer von der Basis nicht gewollt und nicht gewählt wird, kann schon aus Gründen der demokratischen Etikette in den kommenden Tagen kaum das große Wort führen. Dass Thomas Strobl bereits am Sonntagmittag als Verhandlungsführer der CDU eingeteilt wurde, beantwortet Wolf am Telefon mit einem langen und gleichwohl gehaltvollen Schweigen.
Der Justizminister Wolf hat Genugtuung verspürt. Genugtuung für gute Arbeit, die er sich selbst attestiert und die ihm offenbar auch viele Wähler bescheinigen. Er war im Wahlkreis präsent, sagt er. Die Kritik daran, dass er sich rar gemacht habe in den Dörfern des Heubergs oder in den Städten der Baar, akzeptiert er nicht.
Das schwierige Jahr 2016
Guido Wolf hat die spannende Auszählung der Stimmen, die ihm eine knappe Mehrheit von 845 Stimmen bescheinigte, aus einem anderen Grund zufrieden gemacht. Der Schlüssel dazu liegt in der Wahl vor fünf Jahren, als die CDU erstmals als stärkste Partei von den Grünen abgelöst wurde.

Wolf war damals als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen und hatte die Wahl dann verloren. Die im März 2016 beginnenden Verhandlungen mit den Grünen führte Thomas Strobl; er hatte Wolf das Zepter aus der Hand genommen und ihn in den Hintergrund gedrängt. Damit sah sich der Tuttlinger über Nacht in die zweite Reihe verwiesen – von einem Bundespolitiker, der mit der Landespolitik zunächst wenig am Hut hatte und die Szene als Joker betreten hatte.
Der unterschätzte Justizminister
Wolf ist ein politischer Überlebenskünstler. Sein Naturell ist grundoptimistisch. Er grollte – wenigstens öffentlich – nie über diese Entwicklung und über die Schnelligkeit, mit der seine Parteifreunde handelten, um den Hoffnungsträger von 2016 in den Hintergrund zu verbannen. Wolf erhielt das Justizministerium. Dort leistet er nach Einschätzung von Fachleuten gute Arbeit. Er schuf neue Arbeitsplätze im Vollzug, die längst gefordert waren. Die neuen CDU-Frontleute ließ er werkeln, dieweil er sein Ressort ruhig regierte, Stellen schuf und zuwartete.
Sein Optimismus und ein Sack voll Glück halfen ihm. Denn sein vermeintlich zweitrangiges Ressort kam gut durch die Coronakrise; die große Aufmerksamkeit war eben nicht auf den Strafvollzug gerichtet. Anders ging es den exponierten CDU-Ministern Susanne Eisenmann und Thomas Strobl. Als Schulministerin geriet Eisenmann in das Spannungsfeld zwischen Eltern, Lehrern und Kindern. Die Öffnungsdebatte fiel zu ihren Ungunsten aus, das TV-Duell erst recht.
Der dichtende Landrat aus Tuttlingen
Guido Wolf sitzt seit 2006 im Landtag. Damals ließ er sich als Landrat von Tuttlingen in das Parlament wählen. Schnell machte er als Debattenredner und talentierte Stegreifdichter auf sich aufmerksam. Führungsanspruch meldete er erstmals 2011 an, als sich die CDU nach der moralisch-politischen Pleite eines Stefan Mappus neu orientieren wollte.
Diese Reformhoffnungen vermochte die CDU nicht einzulösen. Stattdessen nutzte sie die Zeit in der Opposition für Personalfragen. Wolf setzte sich im Mitgliederentscheid gegen Strobl durch und verdrängte wiederum Peter Hauk von der Spitze der Fraktion. All das ist unvergessen. „An 2016 habe ich eine ausgeprägte Erinnerung“, sagt Wolf deshalb.