Wie wahrscheinlich ist es, dass eine Strafanzeige gegen den Innenminister der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich juristische Folgen haben wird? „Ich hätte die Anzeige nicht erstattet, wenn ich erwartet hätte, dass sie direkt wieder eingestellt wird“, sagt Andreas Hennemann. Denn genau das hat der Konstanzer Rechtsanwalt am Freitag getan, Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundespolizeipräsident Dieter Romann angezeigt.
Die Anzeige dreht sich um die Zurückweisungen von Menschen an der Grenze, die einen Asylantrag stellen. Hennemann, der für die SPD im Konstanzer Gemeinderat sitzt, betont aber: „Es geht mir dabei gar nicht um die Bewertung der Migrationspolitik an sich, sondern darum, dass sich Herr Dobrindt über die Gesetzeslage stellt.“
Die juristische Basis, auf der die Zurückweisungen stattfinden, war von Beginn an umstritten, weil diese nur in absoluten Ausnahmefällen rechtlich begründbar sind. „Das Fass zum Überlaufen gebracht hat dann die Entscheidung in Berlin“, sagt Hennemann. Hier hatten drei Somalier gegen ihre jeweilige Zurückweisung trotz Asylantrag geklagt, alle drei haben Recht bekommen.
Was er sich gewünscht hätte
Das Gericht habe dabei auch die europarechtlichen Vorgaben abgewogen und die allgemeine rechtliche Lage bewertet, sagt Hennemann. „Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Dobrindt dann sagt: Jetzt setzen wir die Zurückweisungen aus, sprechen erst einmal mit den europäischen Kollegen und erarbeiten eine rechtlich tragfähige Lösung.“ Stattdessen hätten er und Bundespolizeichef Romann sich über das Urteil hinweggesetzt.
„Das ist eine populistische Herangehensweise, die man sonst derzeit eher nur von der anderen Seite des Atlantiks kennt“, sagt Hennemann mit Blick auf die USA. Er habe mit der Anzeige auch ein Zeichen setzen wollen: „Mich hat gewundert, dass es da gar keinen großen öffentlichen Aufschrei, keine Diskussion gibt, wenn der Innenminister, der auch Verfassungsminister ist, eine gerichtliche Entscheidung derart ignoriert.“
Angezeigt hat er Dobrindt und Romann letztlich wegen des Verdachts des Verleitens Untergebener zu Straftaten nach Paragraph 357 des Strafgesetzbuches – weil Bundespolizisten gemäß Weisung nun weiter auch bei gestellten Asylanträgen zurückweisen müssen.
„Nichts hinzuzufügen“
Und wie reagiert der Angezeigte selbst? Eine Anfrage des SÜDKURIER zu der Anzeige an das Bundesinnenministerium bleibt im Grunde genommen unbeantwortet: „Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat sich in den vergangenen Wochen vielfach zu diesem Thema geäußert – etwa in der Fernsehsendung ,Maischberger‘ am 3. Juni 2025. Dem haben wir nichts hinzuzufügen“, so ein Sprecher lediglich.
Zur damals noch gar nicht gestellten Anzeige hat Dobrindt freilich nichts gesagt. Er erklärte bei „Maischberger“ mit Blick auf die Entscheidung in Berlin: „Wir sehen, dass die Rechtsgrundlage gegeben ist, und werden deswegen weiter so verfahren – ganz unabhängig von dieser Einzelfallentscheidung.“
Welche Rechtsgrundlage das Bundesinnenministerium genau sieht, bleibt dabei weiter offen. Dem Verwaltungsgericht in Berlin legte die Bundesregierung zur Verhandlung über die drei Somalier keine Begründung vor, auf welcher Basis die Zurückweisungen passierten.
Nun bleibt abzuwarten, wie es mit Hennemanns Anzeige weitergeht. Seiner Erfahrung nach kann die Bearbeitungszeit für diese stark schwanken – offen ist, ob sie dadurch eher beschleunigt oder verlangsamt wird, dass sie sich gegen den als Abgeordneten vor strafrechtlicher Verfolgung erst einmal immunen Innenminister richtet.