Es ist ein historischer Moment: Erstmals seit der Rückkehr der Wölfe in den Schwarzwald gibt es Nachwuchs. Das Wolfspaar mit den doch eher sperrigen Namen GW1129m (der Rüde) und GW2407f (die Fähe) hat damit ein Rudel gegründet. Das zeigt das Bild einer Wildkamera, die die Forstwirtschaftliche Versuchsanstalt (FVA) in Freiburg geteilt hat. Hier sind bei der Fähe klar die Milchdrüsen erkennbar, für Experten ein klarer Beleg für Nachwuchs.

Die Rudelbildung kommt nicht unerwartet, Experten hatten sie schon vorhergesagt, nachdem die beiden Tiere zusammen gesehen worden waren. Doch wie geht es jetzt weiter?

Erhöht sich durch das Rudel die Gefahr für Spaziergänger und Wanderer im Südschwarzwald?

Von Biologe und Wolfs-Experten Rainer Luick gibt es eine ganz klare Antwort: „Nein.“ Er warnt vor Panikmache. Es sei sogar vom Gegenteil auszugehen: Zum Schutz der Wolfswelpen ziehe sich das junge Rudel eher in besonders geschützte Bereiche zurück, um dort in einer Erdhöhle die Jungen aufzuziehen. Das sei kaum der Bereich an Waldwegen.

Nur wer viel quer durch Waldgebiete laufe, etwa Förster oder Jäger, der könne als Zufallstreffer in Kontakt kommen. Dann freilich sollte man sich nicht weiter nähern: „Aber das gilt bei allen Wildtieren“, so Luick.

Was bedeutet das Rudel für Nutztierhalter?

Luick sieht klare Konsequenzen aus der Rudelbildung: „Der Wolf wird jetzt mehr jagen.“ Das Risiko für Angriffe auf Nutztiere im Umkreis des Schluchsees steigt also tendenziell. Dementsprechend sei wichtig, dass mit Nutztierhaltern in der Region besprochen wird, wie man Sicherheitsvorkehrungen noch weiter optimieren kann.

In einer in der Lausitz durchgeführten Studie des Senckenberg-Forschungsinstitut in Görlitz machten Nutztiere aber nur 1,4 Prozent der Nahrung der Wölfe aus. Mehr als 70 Prozent waren Rehe und Wildschweine. Wenn der Wolf Nutztiere jagt, dann meist Schafe und Ziegen, selten auch Rinder, wie ein Vorfall aus dem Schwarzwald zeigt.

Was mache ich, wenn ich doch mal einem oder mehreren Wölfen begegne?

Rainer Luick sagt: „Das sind Wildtiere, die verdienen Respekt. Man sollte die nicht füttern und auch nicht streicheln. Einfach nicht stören.“ Und falls der Wolf nicht von allein verschwinde, was der Normalfall sei: „Vielleicht macht man sich groß und schreit. Aber man sollte auf keinen Fall wegrennen.“

Das Bundesumweltministerium erklärt: „Wenn Wölfe die Erfahrung gemacht haben, dass die Wahrnehmung menschlicher Präsenz ohne negative Konsequenzen verläuft, reagieren sie bei Begegnungen in der Regel zwar vorsichtig, aber nicht extrem scheu und traben meist ohne übermäßige Hast davon.“

Den wenigen überlieferten Fällen, in denen die mittlerweile rund 1500 Wölfe in Deutschland Menschen angriffen, gingen in den allermeisten Fällen Provokationen voraus. Tollwut stellt kein Risiko mehr da, die Viruserkrankung in Deutschland seit 2008 als ausgerottet gilt.

Im Februar bahnte sich bereits alles an: Zwei Wölfe wurden in der Region am Schluchsee von einer Fotokamera aufgenommen.
Im Februar bahnte sich bereits alles an: Zwei Wölfe wurden in der Region am Schluchsee von einer Fotokamera aufgenommen. | Bild: FVA BW/dpa

Gibt es bald noch mehr Rudel im Schwarzwald?

Es ist tatsächlich wahrscheinlich, dass sich im Schwarzwald weitere Rudel bilden. Wie viele genau es werden könnten, ist schwer vorherzusagen. Ein Rudel besteht im Durchschnitt immerhin aus acht Tieren: Zwei Alttiere, vier Welpen und zwei Jährlinge, also einjährige Tiere.

Das Landes-Umweltministerium will keine Aussage darüber treffen, wie viele Rudel möglich sind. Für Biologen Luick sind zehn bis 20 Rudel im Großraum Schwarzwald denkbar. Letztendlich entscheide aber der Wolf, wie attraktiv der Lebensraum für ihn ist. Und: Für weitere Rudel braucht es auch weitere zugewanderte Wölfe, vor allem weibliche. Denn Wölfe vermeiden Inzest, die jetzt geborenen Jungen werden sich untereinander nicht paaren.

Wie groß ist ein Wolfsrevier?

In Mitteleuropa sind Reviergrößen zwischen 100 und 350 Quadratkilometern normal, in Skandinavien zum Beispiel wurden aber auch schon Reviere über 1000 Quadratkilometer nachgewiesen. Zur Einordnung: Der ganze Schwarzwald ist etwa 6000 Quadratkilometer groß, der Kreis Waldshut rund 1100 Quadratkilometer.

Wie weit bewegen sich die Wölfe?

Wölfe können täglich zwischen 50 und 150 Kilometer wandern. Die Reviergröße hängt maßgeblich von der Verfügbarkeit von Beutetieren ab, denn der Wolf kann nur wenige Tage ohne Futter überleben. Je weniger Beutetiere vorhanden, desto größer das Revier. Rainer Luick sagt aber: „Nach der Geburt der Jungen reduziert sich der Radius.“ Hier seien eher maximal 20 Kilometer denkbar. Das ist – als rein fiktives Beispiel zur Verdeutlichung – etwa die Luftlinie vom Schluchsee bis nach Waldshut oder Görwihl.