Selbstverständlich geht es bei Wahlen immer um Gewinner und Verlierer. Doch während es bei der Betrachtung dann in der Regel um Parteifarben und Spitzenkandidaten geht, ist der Verlierer bei dieser Landtagswahl – die Politik selbst.

Bürger stimmen dann gerne ab, wenn sie das Gefühl haben, vertrauen zu können. Wenn sie das Gefühl haben, zwischen starken Alternativen auswählen zu können. Und vor allem: Wenn sie das Gefühl haben, ihre Stimme Polit-Profis zu geben, die Kompetenz und Glaubwürdigkeit ausstrahlen.

Schwerer Schlag für die CDU

Hier hat das Erscheinungsbild von zahlreichen Entscheidungsträgern in Bund und Land in den vergangenen Monaten erheblich gelitten, nicht zuletzt durch die sogenannte Maskenaffäre. Die schlechteste Wahlbeteiligung seit 2006 spiegelt das wider und das ist bedauerlich.

Knüppeldick trifft es dabei die CDU, die ihr schlimmstes Ergebnis in der Geschichte Baden-Württembergs einfährt. Eine Abrechnung, deren erste Teilzahlung schon vor fünf Jahren fällig war. Denn der Neuanfang, der 2016 nach dem damals schon schlechtesten Ergebnis von 27 Prozent der Stimmen versprochen worden war, blieb aus. Vertrauen und Glaubwürdigkeit wurden so verspielt und Susanne Eisenmann ist es nicht gelungen, ein anderes Bild von sich und ihrer Partei zu zeichnen. Die CDU steht nun wieder vor der Frage „Weiter so“ oder „Radikaler Umbruch“. Und während sie sich vor fünf Jahren für das „Weiter so“ entschied, bleibt jetzt nur der Umbruch.

Das Land der Grünen

So ein Schnitt, das war zu erwarten, bleibt den Grünen nach der Wahl erspart. Sie stabilisieren sich auf hohem Niveau und haben das ausschließlich ihrer Zugmaschine zu verdanken, dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Niemand im Polit-Betrieb des Landes ist so geachtet und mit so viel Vertrauen der Bürger ausgestattet. Kurz nach den ersten Ergebnissen sagte er: „Baden-Württemberg und Grün, das passt zusammen.“ Dass er die Geschicke Baden-Württembergs über die gesamte Legislaturperiode führen wird, ist zwar nicht wahrscheinlich. Aber das nehmen die Wähler in Kauf – immerhin hat Kretschmann seinen möglichen Nachfolger, Fraktionschef Andreas Schwarz, schon selbst ins Gespräch gebracht.

Der zweite Gewinner des Abends heißt Hans-Ulrich Rülke. Er führte die FDP wieder an die 10-Prozent-Marke und räumte einige Stimmen der CDU-Enttäuschten mit ab. Wenn es für ihn richtig gut läuft, findet er sich in einer Ampel-Koalition mit den Grünen und der SPD wieder. Zwar schwächelt die SPD und fährt ebenfalls ihr schwächstes Ergebnis in der Geschichte des Landes-Verbandes ein – aber auch Andreas Stoch liebäugelte im Wahlkampf mit einer Ampel-Koalition.

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Der zweite große Verlierer neben der CDU ist die AfD. Auch sie hat es gerupft, weil sie in diesem Wahlkampf kein eigenes Thema finden konnte. Verhalf ihr 2016 noch die Flüchtlingskrise zu einem Rekordhoch, gab‘s nun kein populäres Thema, von dem die Partei profitieren konnte. Nicht einmal von der Corona-Müdigkeit der Menschen.

So bleibt nach der Wahlnacht die spannende Frage: Wer regiert mit wem?

Wenn die CDU nicht für lange Zeit in der Versenkung verschwinden will, muss sie um jeden Preis in eine neue Regierungskoalition. Sie wird den Grünen und Winfried Kretschmann jedes Zugeständnis machen, das erwünscht ist. Es würde zwar die Macht erhalten. Aber möglicherweise weitere Glaubwürdigkeit verspielen. Es werden riskante Verhandlungen.

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