Dass die Höri-Bülle nicht nur irgendeine Zwiebel ist, das zeigt sich spätestens an dem besonderen Status, den sie hat: Bei der Bülle handelt es sich um ein kulinarisches Kulturgut. Sie ist EU-geschützt und darf daher nur dann so genannt werden, wenn sie auch wirklich auf der Höri angebaut wird. Damit steht sie auf einer Liste mit anderen berühmten Lebensmitteln wie Champagner, Parmaschinken oder Dresdner Christstollen. Kein Wunder also, dass die Höri stolz auf das besondere Gemüse ist und ihm mit dem Büllefest sogar eine eigene jährliche Veranstaltung gewidmet hat.
Doch was macht die Bülle eigentlich so besonders? Warum spielte sie zwischenzeitlich gar keine große Rolle mehr? Und wie hat sie die Höri geprägt? Das weiß Diana Maier-Ketterer Auskunft. Sie ist nicht nur Vorsitzende des Vereins Höri Bülle, sondern gehört mit ihrer Familie auch schon lange zu den Landwirten, die die besondere Zwiebel selbst anbauen.
Anbauauftrag vom Kloster Reichenau
Schon in alten Dokumenten des Klosters Reichenau sei die Höri-Bülle dokumentiert, wie Maier-Ketterer erklärt. Denn das Kloster habe der Höri den Auftrag zum Zwiebelanbau gegeben, „weil unser Boden einfach der bessere war für die Zwiebel“. Hauptanbaugebiet sei die vordere Höri, allerdings gehöre die gesamte Höri zum Anbaugebiet – und sogar der nicht weit entfernte Singener Ortsteil Bohlingen.

Doch es habe eine Phase gegeben, in der nur wenig Bülle angepflanzt worden sei, „weil der Anbau viel Handarbeit ist“, erklärt Diana Maier-Ketterer. Mit Maschinen könne die Bülle nicht geerntet werden, da sie sehr empfindlich sei. Zudem sei der Anbau damals teurer geworden, da nicht mehr traditionell Landwirtfamilien alleine ausreichten, sondern Erntehelfer eingestellt werden mussten. „Da haben die Nachteile überwogen in den 1990ern.“
Um die Bülle nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, hätten sich schließlich einige Menschen zusammengeschlossen, um wieder ein Bewusstsein für die Bülle und ihre Bedeutung zu schaffen. Zusammen habe man sich dafür eingesetzt, dass die Bülle schließlich zur EU-geschützten Spezialität erklärt wurde.

Was macht die Bülle zur Bülle?
Aber was macht die Höri-Bülle eigentlich neben ihrem Schutzstatus so besonders? Zum einen ist da ihre Vermehrung: „Das Saatgut wird von den Landwirtsfamilien selbst hergestellt, schon seit Generationen“, erklärt Diana Maier-Ketterer. Zu kaufen gebe es die Samen nicht. Außerdem habe die Bülle mehrere charakteristische Eigenschaften. Sie sei flach und geformt wie ein Ufo, ihre rote Schale färbe beim Schneiden nicht ab und sie könne sehr gut roh gegessen werden, denn sie habe eine „milde Schärfe“. Den Namen Höri-Bülle dürfe sie übrigens erst dann tragen, wenn sie wirklich ausgewachsen geerntet wird. Junge Bülle trage den Namen Lauchzwiebel.
Und dann ist da eben noch der besondere Anbau. Denn der Boden werde zwar mit einer Maschine vorbereitet, auch die Aussaat selbst geschehe maschinell. Geerntet werden müsse sie aber zum Großteil von Hand, denn die Schale sei sehr weich und durch Maschinen könne sie schnell verletzt werden. Zwar könne ein sogenannter Klemmbandroder eingesetzt werden, der die Bülle aus der Erde ziehe. Aber danach müsse sie von Hand aufgelesen und sortiert werden.

Und das ist viel Arbeit, zumal sehr viel Bülle angepflanzt wird: Insgesamt gehören zum Bülle-Verein aktuell zehn Erzeuger, Stand 2023 mit einer Anbaufläche von fast sieben Hektar. Auf diesen werden laut Maier-Ketterer pro Jahr etwa 59 Tonnen Bülle produziert.
Nicht im Kühlschrank lagern
Saison für die Höri-Bülle sei von etwa Mitte August bis Januar oder Februar. Um die rote Zwiebel möglichst lange haltbar zu machen, sollte sie laut Diana Maier-Ketterer kühl und trocken gelagert werden – und daher nicht im Kühlschrank, dort sei es zu feucht. In heutigen Kellern sei es dagegen meist zu warm. „Am besten ist es, sie draußen unter einem Vordach zu lagern“ – also zum Beispiel unter einem Carport. Viele ihrer Kunden würden die Bülle auch auf dem Balkon aufbewahren.
Im Winter mache es der Bülle auch nichts aus, zu gefrieren. Aber: „Sie sollte nicht angefasst werden, solange sie gefroren ist“, so Maier-Ketterer. Denn dann entstehen Druckstellen und die Bülle könne faulen. Stattdessen empfiehlt sie, die Bülle je nach Bedarf nach und nach zum Auftauen in die Küche zu holen.
Die Bülle war schon im überregionalen Fernsehen
Zu kaufen gibt es die regionale Höri-Bülle übrigens vor allem ebenda – nämlich in der Region, etwa in Geschäften oder auf Wochenmärkten. Allerdings sei sie mitunter auch in weiter entfernten Gebieten zu finden. „Es gibt auch Liebhaber, die sie über Großhändler auf dem Viktualienmarkt kaufen“, schildert Diana Maier-Ketterer. Und auch in Richtung Überlingen und Friedrichshafen habe sich die Bülle verbreitet.
Zudem sei sie mittlerweile bekannt und sei etwa in Stuttgart bereits bei der Slow Food-Messe präsentiert worden. Und auch auf einem Markt im Freilichtmuseum Beuren bei Nürtingen sei die Bülle schon verkauft worden. Außerdem hatte die Höri-Bülle schon einen überregionalen Auftritt im Fernsehen – bei der ARD-Quizshow „Wer weiß denn sowas?“ drehte sich eine Frage um sie.
Bülle in Hülle und Fülle
Dabei gibt es die Bülle nicht nur in ihrer ursprünglichen Form, also als Knolle, zu erwerben. In mühsamer Handarbeit werden aus der Bülle auch die sogenannten Büllezöpfe geflochten und mit Trockenblumen versehen – eine praktische und dekorative Art, sie zu lagern.
Und auch verarbeitet, etwa eingelegt, im Salz oder im Käse gibt es die Bülle. „Und fast jede Landwirtsfamilie macht ein Bülle-Chutney in irgendeiner Variante“, erklärt Diana Maier-Ketterer. So könne die Höri-Bülle auch das ganze Jahr über genossen werden – egal, ob gerade Saison ist, oder nicht.