Frau Schätzle, Frau Merkel geht in den Ruhestand, was bedeutet das für Sie als Merkel-Doppelgängerin?

Programmänderung. Es bedeutet für mich, dass es weniger Firmenauftritte und Auftritte bei besonderen Anlässen geben wird. Das war doch ein Großteil meiner Tätigkeit. Was sich nicht ändern wird, ist mein Kabarett-Programm. Das ist und bleibt ein witziges Programm, bei dem Frau Merkel weiterhin auftaucht. Die Ähnlichkeit muss man nutzen. Und es gibt ja immer was, was in der Politik gerade witzig ist. Zum Beispiel wird der neue Bundeskanzler an Nikolaus vereidigt, das finde ich jetzt schon lustig.

Wie läuft das bei Ihren Firmenauftritten ab, machen Sie dort als Frau Merkel Kabarett?

Ja. Ich spreche im Vorfeld mit den Veranstaltern, was der Anlass ist, zum Beispiel eine Verabschiedung, und bereite mich entsprechend vor. Ich hatte zum Beispiel in diesem Jahr eine Einbürgerung von einem afrikanischen Dozenten. Dessen Freundin schrieb mir, dass sie einen Anruf wünsche, weil er anlässlich seiner Einbürgerung gesagt habe: „Jetzt fehlt nur noch, dass die Bundeskanzlerin anruft.“ Dann habe ich per Video-Anruf mit ihm telefoniert.

Dann haben Sie aufgrund der Ähnlichkeit viel erlebt, was sonst nicht möglich gewesen wäre?

Ich dachte zuerst, das ist ganz lustig, wenn Du in Deinem Kabarett diese Rolle bedienen kannst. Aber dass das dann solche Blüten treibt, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich durfte ja auch bei Filmen mitwirken, wie „Kartoffelsalat“ mit Otto Waalkes oder hatte Auftritte mit Youtube-Stars. Damals wusste ich noch gar nicht, was Youtube-Stars sind.

Ich war aber auch bei vielen hochkarätigen Veranstaltungen und durfte zum Beispiel die Dax-Vorstände oder die Mitarbeiter des Schweizer Außenministeriums unterhalten. Eine Tour durch Holland mit dem Obama- und dem Queen-Double in einer Stretchlimousine war auch ein besonderes Erlebnis. Ich bin auch bei vielen Firmenfeiern im Berliner Reichstag aufgetreten. Solche Auftritte wird es jetzt nicht mehr geben.

Wie haben Sie das hingekriegt, sind Sie ein Naturtalent?

Das wundert mich manchmal selbst. Aber ich glaube, es ist Interesse und der Wille, das zu schaffen. Es hat mir schon immer gefallen, die Dinge zu einem Witz zu machen und wenn andere es geschafft haben, mich zu amüsieren. Das Leben ist schwer genug, da braucht man irgendetwas, das einen Punkt setzt und ihm eine andere Richtung gibt. Die Frau Merkel kam überraschend in mein Leben. Ich habe sie aber immer gern gespielt, es hat mir viel Spaß gemacht.

Sie haben Frau Merkel wahrscheinlich intensiv studiert. Was sind denn ihre Eigenschaften?

Sie bewegt sich auf jeden Fall sehr ungelenk und plump. Sie wirkt unsportlich, obwohl sie ja wandert und am Anfang ihrer Kanzlerschaft sogar mit Roland Messner eine Bergtour gemacht hat. Sie ist spröde und bietet wenig Angriffsfläche, zum Beispiel im Vergleich zu Stoiber oder Strauß. Man muss dann mehr auf Inhalte eingehen und die lustig verpacken.

Was bewundern Sie an Frau Merkel?

Ich muss an ihr bewundern, wie sie das gemeistert hat. Wie sie sich als Frau durchsetzen konnte. Man sieht es ja jetzt: Sie hätten die drei obersten Posten wieder nur mit Männern besetzt. Ich bewundere auch ihre Art, wie sie schwierige Gespräche und Partner gemeistert hat. Sie war einfach souverän und konnte mit ihrer Intelligenz viele in den Sack stecken. Ich dachte auch immer, wenn es in ihrer Vergangenheit irgendein Skandälchen gegeben hätte, dann hätte man das ausgegraben: Aber da war bei ihr nichts.

Sind Sie ihr eigentlich mal begegnet?

Nein, das bin ich nicht, aber ich habe viele Menschen aus der Politik getroffen und es hat viele interessante Gespräche gegeben. Und ich muss sagen, viele Politiker haben mich beeindruckt. Natürlich sind sie am Machterhalt interessiert, aber sie müssen auch etwas dafür tun und extrem fleißig sein. Einer hat mir mal erzählt, dass er 750 Wahlkampfauftritte absolviert hat. Mir hat auch oft ihre Bodenständigkeit und ihre klare Sicht der Dinge imponiert.

Wären Sie nicht die ideale Besetzung für die Verfilmung des Krimis „Miss Merkel – Mord in der Uckermark“ von David Safier?

Da käme ich nicht zum Zug: Ich bin viel zu groß und zu schlank. Ich bin Frau Merkel im Gesicht sehr ähnlich, in der Augen- und der Mundpartie. Aber von der Statur her sind wir sehr verschieden. Außerdem bin ich eher schlanker geworden und sie hat ja im Laufe ihrer Amtszeit immer mehr zugenommen. Es hat für mich auch nie Sinn gemacht, nur mein Gesicht vorzuzeigen. Das habe ich immer bei Buchungen gesagt. Für mich macht das nur Sinn, wenn es mit einer Parodie verbunden ist. Eine reine Zoovorstellung möchte ich nicht.

Als Kabarettistin greifen Sie auch in Ihrem neuen Programm „Es isch wie‘s isch“ eher Alltagsthemen auf. Warum?

Mein Thema ist, weil ich ja jetzt auch schon ein bisschen älter bin, der Bezug zu früher. Nicht dass ich sage, früher war alles besser. Früher war überhaupt nichts besser. Aber ich ziehe Parallelen und bereite Dinge aus dem Alltag mit einem bodenständigen Humor auf. Es muss lustig sein, die Leute müssen etwas zum Lachen haben und sich im Programm wiederfinden. Das ist das Wichtigste, sonst habe ich das Thema verfehlt.

Früher waren mir politische Sachen wichtig, aber jetzt gefällt mir das nicht mehr. Die Dinge sind so komplex und es ist mir oft zu einfach, wie kritisiert wird. Oder dieses Sozialgejammer: Da sitzen gut situierte Leute und jammern über zehn Euro Mindestlohn.

Wie haben Sie denn die Corona-Zeit erlebt, ohne Auftritte?

Angefangen hat das mit der Absage von einem Starkbieranstich in Hohenschwangau in Bayern bei einer Privatbrauerei. Da habe ich noch gedacht: Haben die eine Angst vor dem Coronavirus. Es sollte Richtung Ostern verschoben werden, dann wurde aber irgendwann klar, dass es nicht mehr stattfinden kann. Ich habe angefangen, Youtube-Videos zu aktuellen Themen zu machen. Das ist aber ein mühsames Geschäft, weil man es ständig am Laufen halten muss und jede Woche ein neues Thema braucht.

Einmal habe ich, als es hieß, dass ab Montag die Maskenpflicht gilt, aus so einem Deutschlandfähnle eine Maske genäht, damit ich als Frau Merkel am Montag im Bundestag eine Maske habe. Das nächste Video wird über die Werbekampagne „The Länd“ sein. Ich fing dann an, ein neues Programm zu schreiben. Aber zwischendurch bekam ich schon Zweifel: Jetzt hast Du ein Programm geschrieben, aber wann kannst Du das aufführen? Zum Glück ist es jetzt ganz gut gestartet, vor allem die Open-Air-Veranstaltungen, und kommt gut an.