Es ist ein Mammutprozess, in dem es nicht nur um die versäumte Steuererklärungen und Spendengelder geht. Im Betrugsprozess gegen Michael Ballweg geht es um mehr - zumindest wenn man den Prozessbeteiligten zuhört: um Freiheitsrechte, um Andersdenkende, die schwierigen Jahre der Corona-Pandemie und die Frage, wie weit der Staat in Krisenzeiten in Bürgerrechte eingreifen darf. Der Ballweg-Prozess steuert auf das Urteil zu - und könnte kommende Woche mit einem Paukenschlag enden.
Was macht den Prozess so besonders?
Auf der Anklagebank sitzt nicht irgendwer, sondern der Initiator der «Querdenken»-Bewegung, Michael Ballweg. Der Unternehmer hob die Bewegung im Frühjahr 2020 nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Stuttgart aus der Taufe. Die Demonstrationen verbreiteten sich rasch bundesweit und richteten sich gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Damals sammelte Ballweg Gelder von Unterstützern. Seit einigen Monaten steht er nun wegen versuchten Betrugs und Steuerdelikten vor Gericht.
Wie genau lautet die Anklage?
Ballweg soll laut Staatsanwaltschaft mehr als eine Million Euro von Tausenden Menschen für die Organisation eingeworben, die Spender aber über die Verwendung von Geldern getäuscht haben. Die Ankläger werfen ihm vor, mehr als eine halbe Million für private Zwecke verwendet zu haben. Er habe im Netzwerk Telegram und Demonstrationen zu Schenkungen aufgerufen, dann unter anderem Geld auf Kryptokonten transferiert, um die Rückverfolgung unmöglich zu machen, so die Staatsanwaltschaft. Von «gezielter Verschleierung» sprechen die Ankläger.
Dokumentiert sind jedenfalls belegbare Ausgaben für die «Querdenken»-Bewegung in Höhe von 843.111,68 Euro. Ballweg ist nicht wegen Betrugs, sondern nur wegen versuchten Betrugs angeklagt, weil einigen Spendern wohl gleichgültig war, was mit dem Geld passiert, so die Staatsanwaltschaft.
Außerdem wird ihm Steuerverkürzung und mehrfach versuchte Steuerhinterziehung vorgeworfen. Ballweg soll seine Steuererklärung nicht fristgerecht eingereicht haben – in der Zeit, in der er sich in Untersuchungshaft befand. Der «Querdenken»-Initiator saß nämlich wegen der Ermittlungen ab Juni 2022 mehrere Monate im Gefängnis – die Behörden sahen Fluchtgefahr. Laut Anklage stand Ballweg kurz davor, nach Costa Rica auszuwandern. Unterstützer hatten regelmäßig vor dem Gefängnis demonstriert. Im April 2023 wurde er aus der U-Haft entlassen.
Wie sagt Ballweg zu den Vorwürfen?
Ballweg und seine Anwälte wiesen die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft von Beginn an zurück. Er betont etwa, dass er in den Jahren 2020 und 2021 in Verbindung mit «Querdenken» erhebliche Verluste in Höhe von rund 80.000 Euro erlitten habe. Ballweg selbst sieht sich als Justiz-Opfer. «Das Verfahren war von Anfang an politisch motiviert», sagte er in seinem Schlusswort. Er ist überzeugt: «Ich bin unschuldig.» Auch in einer Pandemie müssten Grundrechte gelten - dafür habe er sich eingesetzt. «Es waren immer die Außenseiter, die die Welt verändert haben.»
Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt die Unschuldsvermutung.
Beobachter rechnen mit einem Freispruch Ballwegs - warum?
Weil das Landgericht bereits im Frühjahr eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit vorgeschlagen hatte. Die Richter hatten argumentiert, dass man Ballweg schlicht keinen Vorsatz nachweisen könne. Die Staatsanwaltschaft lehnte den Vorschlag überraschenderweise ab. Eine Verurteilung sei weiterhin wahrscheinlich, betonten die Ankläger damals - und beantragten sogar die Feststellung der Befangenheit der Berufsrichter. Ohne Erfolg.
Im Juni erkundigte sich die Staatsanwaltschaft dann noch laut Landgericht, ob auch eine Einstellung unter Auflagen in Betracht komme. Obwohl sich das Gericht dazu bereit zeigte, teilte die Anklagebehörde später mit, dass sie einer Einstellung weiterhin nicht zustimmen würde. Trotz der Signale der Kammer bleibt die Anklagebehörde auch zum Prozessende bei ihrer harten Linie.
Was genau fordert die Staatsanwaltschaft?
Sie fordert eine Freiheitsstrafe von drei Jahren. Ballweg sehe sich selbst als Märtyrer an im Kampf gegen einen Unrechtsstaat, sagte die Staatsanwältin. «In Wahrheit steht ein gewöhnlicher Angeklagter vor Gericht.» Unbequeme Meinungen seien nicht strafbar. Betrugs- und Steuerdelikte seien es sehr wohl. Die Staatsanwältin warf Ballweg und seinen Verteidigern vor, bewusst Zweifel gesät zu haben an der Legitimität des Verfahrens.
Neben der Freiheitsstrafe fordert die Anklagebehörde die Einziehung von mehr als einer halben Million Euro – Gelder, die Ballweg für seine Bewegung eingeworben, aber für eigene Zwecke verwendet haben soll.
Wie reagiert das Team um Ballweg?
Die Verteidigung zeigt sich empört angesichts des Plädoyers der Ankläger. «Grimms Märchen sind gegenüber dem, was sie vorgetragen haben, eine Enzyklopädie des Fachwissens», sagte Reinhard Löffler, einer der Anwälte Ballwegs, zur Staatsanwaltschaft. Es sei leichter in einem Gulasch die Augenfarbe des Ochsen zu erkennen als in den Aussagen des Angeklagten eine Betrugsabsicht.
Die Fronten in dem Verfahren sind jedenfalls verhärtet, der Ton emotional und aufgeladen. Seit Beginn sitzen loyale Unterstützer Ballwegs im Saal, die Richterin muss wegen Zwischenrufen immer wieder harsch zur Ruhe mahnen.
Das Urteil soll am 31. Juli gesprochen werden.