Normalerweise empfängt Paula Hezler-Rusch ihre Patienten in ihrer Praxis in Konstanz. Normalerweise sitzen sie ihr auf einem roten Stoff-Sofa direkt gegenüber. Und normalerweise therapiert sie genau dort psychisch kranke Menschen. Doch seit Covid-19 ist in der psychtherapeutischen Praxis in der Oberen Laube nichts mehr normal.

Um sich und die Patienten vor dem Corona-Virus zu schützen, therapiert die Ärztin mit roter Mähne viele Patienten fast ausschließlich am Bildschirm. „Die Video-Gespräche waren anfangs schon eine Umstellung für mich“, erzählt Paula Hezler-Rusch. Denn Therapie im Livestream – das gab es in dieser Form bei ihr noch nicht. Mittlerweile hat sie aber alles im Griff. Das Internet ist meistens stabil, die Sitzungen sind Usus, die Patienten machen mit.

Paula Hezler-Rusch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in ihrer Praxis in Konstanz.
Paula Hezler-Rusch, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, in ihrer Praxis in Konstanz. | Bild: Sebastian Küster

„Bei denen, die offen dafür waren, funktioniert das einwandfrei“, sagt sie. Einigen war der persönliche Kontakt trotz Pandemie zu wichtig. Sie kommen weiterhin persönlich vorbei. „Wenn jemand das Gespräch auf diese Weise braucht, dann ist das so“, sagt Hezler-Rusch, während sie auf ihrem antiken Schreibtisch Stifte und Notizblock sortiert.

Doch ohne einfache OP-Maske und ohne Sicherheitsabstand geht in ihrer Praxis nichts mehr. Selbst- und Fremdschutz wird hier groß geschrieben. „Das muss schon sein. Wir haben da eine wichtige Verantwortung“, sagt die Ärztin. Anfangs musste sich die Psychotherapeutin noch selbst um Schutzausrüstung kümmern. Mittlerweile bekommt sie Lieferungen von der Kassenärztlichen Vereinigung.

Eine Maskenpflicht gibt es in ihrem Berufsstand zwar nicht. Wer den Abstand von 1,5 Metern in der Praxis nicht einhalten kann, sollte sie laut Martin Klett stellvertretender Vorsitzender der Landespsychotherapeutenkammer Baden-Württemberg aber nutzen. „Wir haben gesehen, dass der Bedarf groß ist. Dann haben wir uns dafür stark gemacht. Und es hat geklappt“. sagt er.

Martin Klett, stellvertretender Vorsitzender der Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg.
Martin Klett, stellvertretender Vorsitzender der Psychotherapeutenkammer Baden-Württemberg. | Bild: Martin Klett

Mittlerweile habe jeder Psychologe im Land in der vergangenen Woche ein Paket mit Masken erhalten, die für einige Wochen ausreichen sollten. So sei – zumindest vorerst – gesichert, dass Psychotherapien aufgrund des Virus nicht unterbrochen werden müssen.

Wenn Hezler-Ruschs Patienten trotz aller Vorsichtsmaßnahmen krank werden – dann hilft auch bei denen, die das persönliche Gespräch bevorzugen, nur noch die Video-Sitzung. Doch nicht für alle psychischen Krankheiten ist der Livestream im Netz sinnvoll. Bei Depressionen zum Beispiel reicht ein Video-Gespräch eigentlich nicht aus. Denn: Am Gang des Patienten, an Gesichtsausdrücken und an der Gestik ließen sich für Psychologen wichtige Schlüsse ziehen, die auf dem Bildschirm unerkannt bleiben könnten.

Vor allem bei Menschen, die zum ersten Mal Hilfe bei einem Psychologen suchen, sei ein Treffen unersetzlich. Auch wenn es seit der Krise – zumindest theoretisch – möglich ist, Diagnosen in Video-Sitzungen zu stellen.

Der Psychotherapeutenkammer geht das noch nicht weit genug. In Anbetracht der aktuellen Situation sei es wünschenswert, dass „wir auch neue Patienten per Telefon sprechen könnten“, sagt Martin Klett.

Doch Paula Hezler-Rusch hat es sowieso schon überrascht, dass Ferndiagnosen plötzlich möglich sind. „Vorher war das nur in ausgewählten Modellprojekten der Fall. Ich bleibe dabei und muss den Menschen beim ersten Mal weiterhin live erleben“, sagt sie.

Verschließen vor der Zukunft – das kommt für die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie aus Konstanz trotzdem nicht infrage. Denn „es kann ja schon auch Vorteile haben – wie jetzt.“ Oder im Fall einer jungen Patientin. Eine Studentin, die unbedingt ins Auslandssemester wollte, sich aber in einer laufenden Behandlung befand. Sie setzte diese dann per Video fort. Ohne Livestream wäre ihr diese Lebenserfahrung im Ausland wahrscheinlich verwehrt geblieben.