Lieber Herr Marrazzo, was ist das für eine Schnapsidee? In Ihrem Restaurant in Esslingen bei Stuttgart erlauben Sie für Gruppen, die zusammen an einem Tisch sitzen, keine getrennte Bezahlung mehr. Ein Tisch, eine Rechnung, heißt es bei Ihnen – zumindest, wenn die Gäste das bei Ankunft nicht ausdrücklich anders wollen.

Was soll das? Eine bessere Gelegenheit, sich bei all jenen unbeliebt zu machen, die Ihre Bella-Italia-Romantik nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben, gibt es fast nicht.

Viele Hilfen, trotzdem hart getroffen

Die Gastronomie surft seit den Corona-Jahren nicht eben auf einer Welle der Sympathie. Klar, die damaligen Schließungen trafen Ihren Berufsstand hart. Sie glichen mitunter sogar einem Berufsverbot. Aber dafür flossen auch üppige Corona-Hilfen. Die Mehrwertsteuer wurde gesenkt, und für findige Wirte wurden Hintertürchen wie der Straßenverkauf gelassen. Und als die Krise vorbei war, strömten die Leute wieder in die Restaurants, um Geselligkeit zu erleben. Nur wurden sie da eben oft enttäuscht.

Branche in der Krise, aber warum?

Mittlerweile steckt Ihre Branche wieder in der Krise. Die Kunden bleiben weg. Um knapp vier Prozent sind die Branchenumsätze im ersten Halbjahr 2025 gesunken. Ihr Verband klagt, dass diejenigen, die noch kommen, die Vorspeisen oder das Dessert wegließen und eher zur kleinen Hauptspeise griffen. Aber haben Sie sich schon einmal überlegt, dass das nicht nur an den Gästen, sondern auch an Ihnen selbst liegen könnte?

Der Gastronomie laufen die Beschäftigten weg. Kein Wunder – oft bekommen sie keine regulären, sondern nur prekäre ...
Der Gastronomie laufen die Beschäftigten weg. Kein Wunder – oft bekommen sie keine regulären, sondern nur prekäre Beschäftigungsverhältnisse. | Bild: SEBASTIAN WILLNOW, dpa

Um satte 26 Prozent ist ein Hauptgericht laut Branchenverband Dehoga seit 2022 teurer geworden. Und dabei ist noch nicht einmal eingerechnet, dass die Beilage heute in vielen Restaurants extra geordert werden muss. Schnitzel mit Pommes, heißt es heute auf der Karte. Nicht mehr Schnitzel mit Pommes und Salat, wie früher.

Die Preise sind einfach zu hoch

Und die erneute Mehrwertsteuersenkung auf Speisen von 19 auf 7 Prozent, die ihr Verband zeitlich unbefristet durchgesetzt hat, wird wieder nicht bei den Gästen ankommen, in Form von moderateren Preisen. Das braucht die darbende Branche für sich selbst, heißt es. In diese durchaus angespannte Stimmung platzen Sie nun also mit ihrem „Ein-Tisch-eine-Rechnung-Vorstoß“.

Ein Kellner eines Restaurants hält einen Geldbeutel in der Hand, während er in der anderen Hand Geld hält. Trinkgelder sind Teil des ...
Ein Kellner eines Restaurants hält einen Geldbeutel in der Hand, während er in der anderen Hand Geld hält. Trinkgelder sind Teil des Einkommens. | Bild: Felix Hörhager, dpa

Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich nicht nur so mancher Gast, sondern auch einige Wirts-Kollegen, fragen, was Sie da geritten hat? Allen ist das Gespür für die Kundschaft, die es im Moment besonders zu umsorgen gilt, damit sie in Zukunft auch noch vorbeischaut, nämlich nicht abhanden gekommen. Viele Gasthöfe stellen im Moment jedenfalls klar, dass in ihrer guten Stube bezahlt werden kann, wie man will. Hauptsache der Gast ist zufrieden und am Ende stimmt die Zeche.

Hat irgendwer an die Bedienung gedacht?

Apropos Zeche. Ihre Kellner haben Sie nicht zufällig gefragt, was die von Ihrem Vorschlag halten? Eine Rechnung bedeutet nämlich auch nur ein mal Trinkgeld. Ich könnte mir daher gut vorstellen, dass es den Servicekräften ganz recht ist, wenn jeder wie bisher einzeln bezahlt. Für Traumgehälter ist die Branche ja nicht bekannt. Auch darüber könnten Sie ja mal nachdenken.