Urig, knarzend, original, ursprünglich – Weinstuben gehören zu Konstanz wie der Bodensee, die Rheinbrücke oder das Münster. In den Weinstuben treffen sich seit Jahrhunderten Menschen, um bei einem Viertele über das Dasein an sich zu philosophieren. Wichtig: Hier stehen der gepflegte Konsum eines guten Tropfens und die begleitenden Gespräche im Mittelpunkt.

Die Weinstube war schon immer ein Ort des Austausches. Wer Neuigkeiten wollte, der musste hierher kommen. Doch was macht eine gute Weinstube aus? Hincooker Andreas Schuler war unterwegs in den Konstanzer Weinstuben und hat sie sich näher angesehen.

In Konstanz gab es zu Hochzeiten mehr als 50 Weinstuben. Heute sind es laut Homepage der Stadt noch neun: d‘Quaker, Hintertürle, Franz Fritz, Niederburg, Weinglöckle, Weinteufele, Zum Küfer Fritz Pfohl, Zum Guten Hirten, Zur Steinernen Kugel. Das Weinteufele von Conny und HP Kratzer wurde gerade eben erste geschlossen – was ein großer Verlust ist für die Weinstuben-Szene der Stadt.

Die Auswahl: Wir haben eine subjektive Vorauswahl an Weinstuben ohne Anspruch auf Vollständigkeit getroffen. Bei dem Streifzug durch die Konzilstadt haben sich fünf Lokalitäten hervorgetan, die man aus Sicht des Hincookers unbedingt besucht haben sollte. Diese sind alle in der historischen Altstadt zu finden.

Bewertungsskala: Weil der Hincooker reinen Wein einschenkt, vergibt er für die Weinstuben bis zu fünf Viertele.

Hier sind Hincookers Top fünf Weinstuben der Stadt:

Weinstube und Weinkeller Franz Fritz, Niederburggasse

Die Flügeltüren sind geöffnet, die Gäste sind willkommen: In der Niederburggasse lädt das Haus zur Mugge in die Weinstube und in den ...
Die Flügeltüren sind geöffnet, die Gäste sind willkommen: In der Niederburggasse lädt das Haus zur Mugge in die Weinstube und in den Weinkeller Franz Fritz. | Bild: Andreas Schuler

Das Haus zur Mugge beherbergt die Mutter aller Konstanzer Weinstuben: Die Weinstube und Weinkeller Franz Fritz. Die Treppen hinab in den urigen Weinkeller von Andreas Fritz führen in eine andere Welt. Hier weht ein Hauch von Andalusien oder Apulien: kühlende Kalksteinwände, opake Weine, flackerndes Kerzenlicht. Rauchig-würzige Aromen hängen in der Luft. Als würde man ein riesiges Eichenfass betreten. Hätte Bacchus in Konstanz Rebensaft trinken wollen, er wäre gewiss hier eingekehrt.

Im Keller wird seit 1422 Wein ausgeschenkt. Seit 1640 ist das Haus im Besitz der Familie Fritz. Wer hierher kommt, weiß einen guten Tropfen zu schätzen. Und hat etwas zu sagen: Beim Fritz wird getratscht, geschumpfen, geplaudert, gelästert. Die Konstanzer Welt wird erklärt, verklärt, und auch mal Süßholz geraspelt.

Andreas Fritz schenkt reinen Wein ein Video: Andreas Schuler

Man muss lange suchen, um eine Rebsorte zu finden, die es im Fritz nicht gibt. Winzer Andreas Fritz ist gleichzeitig Weinhändler und beliefert andere Weinstuben der Stadt. Zu jeder Sorte haben er oder sein Mitarbeiter Manfred die passende Geschichte. Frische Brezeln und warme Seelen stehen als Begleiter des süffigen Tropfens bereit. Manche Gäste bringen ihr Vesper auch mit und schlotzen dazu ein Viertele. Gelebte Weinkeller-Tradition.

Bei Andreas Fritz, in Andreas seinem Keller, wie Einheimische gerne sagen, treffen sich die Menschen zum Stammtisch und genießen bei ...
Bei Andreas Fritz, in Andreas seinem Keller, wie Einheimische gerne sagen, treffen sich die Menschen zum Stammtisch und genießen bei einem guten Tropfen das Leben. Unkontrollierte Besäufnisse sind hier so unerwünscht wie selten. | Bild: Andreas Schuler

Wer vor seinem Viertele lieber Treppen hoch- statt hinabsteigt, kann dies im selben Haus machen: Die Weinstube im Obergeschoss hate Michaela Kovacova von Jürgen Franz übernommen. Hier, wo einst die legendäre Erika Fritz zwischen 1950 und 1989 als Wirtin und unvergessenes Unikum die Seele der Niederburg darstellte. Auch hier sind Gemütlichkeit und Geselligkeit zuhause.

Gegründet wurde die Weinkellerei durch Franz Fritz 1922. Die Söhne Hermann und Erwin übernahmen 1964. Sie verlegten den Geschäftsschwerpunkt auf den Einzel- und Großhandel mit Weinen und trennten sich von der Küferei. Seit 1988 führt Winzer und Weinbautechniker Andreas Fritz den Familienbetrieb. Sein Sohn Lukas übernimmt Stück für Stück.

Fazit: Der kleinste Weinkeller mit dem größten Sortiment aus ganz Europa – bei Andreas Fritz kommt jeder auf seine Kosten. Hier schlägt das Konstanzer Herz.

  • Bewertung: 5/5 Viertele

Küfer Fritz, Weinstube zum Pfohl, Salmannsweilergasse

Der Pfohl, die Weinstube zum Küfer Fritz in der Salmannsweilergasse.
Der Pfohl, die Weinstube zum Küfer Fritz in der Salmannsweilergasse. | Bild: Andreas Schuler

Es ist kein Zufall, dass der Küfer Fritz denselben Nachnamen trägt wie die Weinstube Franz Fritz – die Urväter der beiden Lokale waren Cousins. Josef Fritz gründete die Weinstube Küfer Fritz 1880, allerdings wurde hier im einstigen Salmannsweiler Hof bereits im 13. Jahrhundert von Zisterziensermönchen Wein ausgeschenkt.

Erst in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts existieren Sitzgelegenheit – bis dahin war das Lokal eine reine Stehschenke. Wein wurde an dem großen Tisch getrunken, der um einen Holzpfahl gebaut in der Mitte des Raumes steht. Daher heißt der Küfer Fritz im Volksmund auch der Pfohl.

Im Küfer Fritz treffen sich die Menschen zum Stammtisch Video: Andreas Schuler

Seit 2018 ist Fredi Rey der Pächter. Seine Weinstube gehört zu den wenigen in Konstanz, die von Montag bis Samstag ab 11 Uhr einen Frühshoppen anbieten. Corona habe aber viel verändert. „Die Leute sind vorsichtiger geworden, das Geld sitzt nicht mehr so locker. Deswegen verkaufen wir zwar gute, aber preiswerte Weine“, sagt Fredi Frey. Dazu gibt es traditionelles Vesper.

Ihm geht das Herz auf, wenn er die vielen Stammtische beobachtet, die hier teilweise schon seit Jahrzehnten abgehalten werden: „Das ist richtig toll, das ist die traditionelle, uralte Weinstubenkultur von Konstanz.“

Fazit: In der Weinstube Pfohl zum Küfer Fritz wird der Geist des Mittelalters lebendig, die Luft ist mit dem Geruch von Fässern und Weinreben geschwängert. Die Weinkarte ist weniger ausgeprägt als beim Namensvetter in der Niederburg, daher gibt es einen kleinen Abzug, der die Qualität jedoch nicht schmälert.

  • Bewertung: 4,5/5 Viertele.

Zum Guten Hirten, Zollernstraße 6-8

Der Gute Hirte in der Zollernstraße – im Sommer kann man auch auf der Gasse sitzen und zum Feierabend sein Viertele genießen.
Der Gute Hirte in der Zollernstraße – im Sommer kann man auch auf der Gasse sitzen und zum Feierabend sein Viertele genießen. | Bild: Schuler, Andreas

Es war so, als habe es den Pächterwechsel nie gegeben: Als Tamara Unterwerner den Guten Hirten Ende 2022 aufgab, befürchtete so mancher Stammgast den Abgang der süffigen Rebensaftes in der Zollernstraße. Doch dem war bekanntlich nicht so: Hubertus Reiber übernahm im Frühling 2023, der Mann also, der schon jahrzehntelang das Hotel Villa Barleben in der Seestraße erfolgreich führte. Und siehe da: Der Gute Hirte ist nach wie vor eine der Topadressen in der Konstanzer Altstadt.

Im Guten Hirten treffen sich Einheimische und Touristen gerne zum Viertele.
Im Guten Hirten treffen sich Einheimische und Touristen gerne zum Viertele. | Bild: Schuler, Andreas

Fazit: Hubertus Reiber ist ein Vollprofi mit dem Herzen an der richtigen Stelle, ihm macht in der Gastronomie so schnell niemand etwas vor. Er hat die Weinkarte im Hirten etwas aufgefrischt, etwas veredelt – ohne den Kontakt zu den Menschen und den Produkten der Region verloren zu haben. Zur Weinstube Franz Fritz fehlt noch etwas, was aber nicht schlimm ist. Beide Stuben haben einen einzigartigen, unverkennbaren Charakter.

Bewertung: 4/5 Viertele

Hintertürle, Konradigasse

Auch bei Dunkelheit gut zu finden: das Hintertürle in der Konradigasse.
Auch bei Dunkelheit gut zu finden: das Hintertürle in der Konradigasse. | Bild: Andreas Schuler

Im Oktober 1990 übernahm Cecile König das Hintertürle von den Schwiegereltern, die die Weinstube 1976 eröffneten. Mit ihrem Mann eröffnete Cecile König 1988 die Heimat, eine trendige Studenten-Kneipe im selben Gebäude.

Cecile König öffnet die Pforten des Hintertürle Video: Andreas Schuler

Die Gäste des Hintertürle sind Einheimische, die sich regelmäßig mit Freunden und Familie zu Wein und Vesper treffen. „Heute machen wir rund 30 Prozent unseres Umsatzes mit Essen“, berichtet die Wirtin. Früher sei deutlich mehr getrunken worden, heute würden die Menschen eher essen gehen und dazu einen Wein trinken, sagt König. Daher öffnet sie die Weinstube erst um 18 Uhr. Der Frühschoppen werde hier nicht angenommen.

Cecile König steht fast täglich selbst in der Küche und bereitet die klassischen Weinstuben-Gerichte zu. Man trifft sie aber auch im Service, der Kontakt zu ihren Gästen sei ihr sehr wichtig.

Cecile König steht hinter der Theke im Hintertürle und serviert ein Viertele.
Cecile König steht hinter der Theke im Hintertürle und serviert ein Viertele. | Bild: Andreas Schuler

Fazit: Das Hintertürle setzt beim Wein auf Qualität und auf die Region – aber auch auf Italien, Spanien und Frankreich. Die Karte ist sehr gut sortiert und bietet für jeden Gaumen etwas. Auch das typische Weinstubenessen schmeckt sehr gut. Zur Weinstube Franz Fritz fehlt kaum etwas, lediglich die Historie und das einmalige Kellerambiente.

Bewertung: 4,5/5 Viertele

Weinglöckle, Inselgasse

Patrick Schreibmüller vor dem Weinglöckle in der Inselgasse. Seit November des vergangenen Jahres ist der 33-Jährige Pächter des ...
Patrick Schreibmüller vor dem Weinglöckle in der Inselgasse. Seit November des vergangenen Jahres ist der 33-Jährige Pächter des Traditionshauses. | Bild: Nikolaj Schutzbach

Patrick Schreibmüller eröffnete als neuer Pächter am 11. November 2022 das altehrwürdige Weinglöckle. Der gelernte Erzieher habe schon immer in der Gastronomie gearbeitet und seinen Fachwirt für Organisation und Führung gemacht. So hat Schreibmüller viele Jahre im Salzbüchsle in der Salmannsweilergasse gearbeitet.

Der 33-Jährige hat einen Spagat zwischen neu und alt geschafft: Die Theke im Glöckle ist neu und modern, gleichzeitig hat er die fast schon historischen Bänke und Tische im großen Gastraum beibehalten. Das komme bei den Gästen sehr gut an, sagt er. Im hinteren Bereich stehen ebenfalls moderne hohe Tische und Hocker neben dem urigen Weinfass, das vor vielen Jahrzehnten in die Wand eingebaut wurde. Wo kann man denn schon in einem originalen Eichenfass sein Viertele schlotzen?

Patrick Schreibmüller sitzt im Weinfass, das im hinteren Bereich des Weinglöckle in die Wand eingelassen wurde.
Patrick Schreibmüller sitzt im Weinfass, das im hinteren Bereich des Weinglöckle in die Wand eingelassen wurde. | Bild: Andreas Schuler

Jung und Alt kehren im Weinglöckle ein, den Samstag möchte Schreibmüller langfristig gemäß der alten Konstanzer Tradition zu einem Frühschoppen-Tag etablieren. Bisher hat das Weinglöckle samstags von 11 bis 14 Uhr geöffnet. Schreibmüllers Ziel ist es, an diesem Tag durchgehend bis Mitternacht seine Pforten zu öffnen, sagt er. Die Weinkarte ist klein, aber fein: Neben regionalen finden sich hier auch italienische Weine. Dafür setzt Schreibmüller auf trendige Aperitifs und Longdrinks. Die Vesperkarte ist klassisch gehalten mit Gerichten wie Wurstsalat, Flammkuchen oder Gulaschsuppe.

Fazit: Patrick Schreibmüller hat sich den Einstieg in die Selbstständigkeit nicht einfach gemacht. Sein Mut, seine Leidenschaft für die Gastronomie sowie die zufriedenen Gäste machen es ihm leichter und scheinen ihn zu belohnen. Eine reine Weinstube ist das Weinglöckle schon länger nicht mehr, doch das urige Ambiente ist geblieben.

  • Bewertung: 4/5 Viertele

Fazit

Niederburggasse, Salmannsweilergasse, Konradigasse, Inselgasse – die Adressen in der historischen Altstadt versprechen mittelalterliches Flair: winklig, krumm, holprig, finster. Fast schon kitschig, so wie es die Tradition will. Alle besuchten Weinstuben schneiden gut ab, die Weinstube und Weinkeller Franz Fritz hat es dem Hincooker ganz besonders angetan. Na dann: Prost!