Anoop Singh Mudher ist so etwas wie der bunte indische Hund in Konstanz. Der Mann mit dem Turban wird er gerne genannt – dabei hat er in seinem Schrank nicht nur ein Exemplar der indischen Kopfbedeckung, die im Selbstverständnis der Sikhs Weltzugewandtheit, Nobilität und Respekt vor der Schöpfung ausdrückt.
„Ich habe viele. Viele“, sagt der 63-Jährige lächelnd und zieh das IE nach dem V in die Länge. Am liebsten wechselt er täglich die Farbe. Denn die Welt sei bunt und schön – zu bunt und zu schön, um nicht glücklich und respektvoll aufzutreten. Einstellungen wie diese sind ein Grund, warum er so beliebt ist.
Anoop Singh Mudher hörte auf seinen Körper – und schloss das Sitara in Konstanz
Doch er hat sich rar gemacht auf den Straßen in der Konzilstadt. Sein Lächeln, seine betenden Hände mit den aufeinander liegenden, ausgestreckten Fingern, die er den Menschen gerne zum Gruße zeigt – beides war zuletzt nicht mehr so oft zu sehen.
„Ich bin angeschlagen. Es geht mir nicht so gut“, antwortet er auf die Frage nach seinem Wohlbefinden. „Ich hatte in den vergangenen drei Jahren vier Herzinfarkte und bekam fünf Bypässe. Es ist Zeit, auf den Körper zu hören. Geld ist nicht alles.“
Vor rund einem Jahr musste er sein geliebtes Restaurant Sitara schließen – ein großer Wasserschaden und ein weiterer wenige Monate später in dem denkmalgeschützten Haus aus dem 14. Jahrhundert machten eine Fortführung des Betriebes lange Zeit unmöglich.
Dazu kamen Herzinfarkt zwei und drei genau zu dieser Zeit. „Es ging nicht mehr“, sagt er und sein Lächeln wirkt auf einmal nicht mehr so fröhlich. „Es ist vernünftig ist, denn alles hat seine Zeit“, erzählt er. „Trotzdem ist es auch traurig. Ich war so gerne hier und habe so gerne für meine Gäste gekocht.“
An den Gerüchten über das indische Restaurant in Konstanz war nichts dran
Die kamen zum Teil von weiter her, um seine authentische indische Küche im Sitara zu erleben – aus Zürich, dem gesamten Thurgau oder St. Gallen, aus dem Schwarzwald, Oberschwaben und natürlich aus Konstanz. Mitte März, so der Plan, eröffnet sein Nachfolger das Restaurant unter neuem Namen, aber weiterhin mit indischer Küche (wir berichten noch ausführlich).

Es kursierten in Konstanz Gerüchte, die Ämter hätten sein Restaurant geschlossen wegen hygienischer Mängel. „Gerüchte heißen Gerüchte, weil sie Gerüchte sind“, sagt er, natürlich lächelnd, und zeigt von sich aus die Berichte der Lebensmittelkontrolle sowie weitere freiwillig und selbst bezahlte Hygienetests durch ausgewiesene und staatlich anerkannte Experten – von eine Zwangsschließung ist nichts zu sehen.
Auch auf der Homepage der Verbraucherinfo, auf der man unter „Daten der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörde im Landkreis Konstanz“ per Suchmaschine öffentliche Berichte über mangelhafte hygienische Zustände in Restaurantbetrieben finden kann, erscheint das Sitara nicht. Anoop Singh Mudher ist den Verbreitern dieser unschönen und unwahren Behauptungen nicht böse, „und wer möchte, kann sich gerne hier bei uns überzeugen, dass da nichts dran ist“. Damit soll es auch genug sein.
1980 kam Anoop Singh Mudher nach Ermatingen, zuvor arbeitete er in London als Bankkaufmann. In der englischen Hauptstadt lerne er seine Schweizer Ehefrau kennen, zusammen zogen sie an den Bodensee.
„Ich habe dann eine Ausbildung zum Intensivpfleger und als Craniosakral-Therapeut absolviert“, blickt er zurück – als Craniosakral-Therapeut macht man sich mit Berührungen an Kopf und Rücken auf die Suche nach Blockaden im Körper. Wie passend: Mit seiner ausgleichenden Art löst er auch gerne psychologische Blockaden in den Köpfen der Menschen.

Mit Freunden und Familie ging er schon damals regelmäßig in Konstanz flanieren. „Ich bin schon immer so gerne hier“, sagt er und berichtet von der schicksalshaften Begegnung im Jahr 2004. „Ich lief mit einem Kollegen durch die Konzilstraße, als mir plötzlich ein Mann aus einem leerstehenden Restaurant zurief: ‚Suchen Sie ein Lokal? Wollen Sie das Haus nicht übernehmen?‘.“
Anoop Singh Mudher will nun mehr Zeit mit seinem Hund Sunka verbringen
Roter Kopf hieß die Gaststätte damals über viele Jahrzehnte, bis zum Zweiten Weltkrieg war hier ein jüdisches Restaurant angesiedelt – der Ort war allerdings heruntergewirtschaftet. Doch Anoop Singh sieht Möglichkeiten, nicht Probleme. „Ich habe mich umgeschaut und nach einer halben Stunde den Vertrag unterschrieben.“

Er überließ nichts dem Zufall, flog nach Indien, verpflichtete speziell ausgebildete Köche und Mitarbeiter, kaufte originale indische Bilder, Tische, Stühle, Figuren oder Intarsien aus schwerem Holz für den Innenraum – und absolvierte bei den Experten seiner Heimat im eigenen Restaurant selbst gastronomische Praktika. Learning By Doing.
Er wollte vor allem eines: Den Menschen in Konstanz und in den angrenzenden Schweiz authentische indische Küche anbieten, „und nicht die für Europäer angepasste und umgewandelte indische Küche mit viel Zucker und Sahne“. Sein Ziel, die Gäste für eine kurze Zeit in seine Heimat zu verführen, setzte er perfekt um.

Schnell machte er sich einen Namen. In Konstanz eröffnete er noch den Rambagh Palace in der Brückengasse sowie das Maharani in der Konradigasse, in Singen für kurze Zeit das Sitara Curry House. „Doch nun sollen jüngere Menschen übernehmen“, sagt er.
Er möchte sich mehr dem Hobby Motorradfahren (“Ich liebe meine Harley“), seiner Familie mitsamt den Enkeln und natürlich seinem Hund Sunka widmen – der ist in Konstanz fast so bekannt und beliebt wie Anoop Singh Mudher. Der vierjährige Rüde der Hunderasse Löwchen geht gerne auch mal alleine spazieren in der Innenstadt – am liebsten jedoch an der Seite seines Herrchens. Die beiden sind ein unzertrennliches Duo. Wie zwei bunte indische Hunde.