Seit Januar muss Adelbert Rist noch knapper kalkulieren als vorher schon. Er betreibt das Gasthaus Seerose in Nitzenweiler in der Nähe vom Schleinsee und ist nebenher Brenner aus Leidenschaft. Seine Destillieranlage ist noch vom Vater. "Da kommt es nicht so auf modernste Technik an, sondern darauf, wie gut das Obst ist, das gebrannt wird", sagt er. Für seinen Mirabellen- oder Gravensteiner Brand hat er Goldmedaillen bekommen. Bisher konnte er seine Destillate an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein abliefern und so seine Brennsteuer in Naturalien zahlen. Die Verwaltung nahm auch den ungenießbaren Vor- und Nachlauf, reinigte ihn und verkaufte den Alkohol an die Industrie. Jetzt muss er alles selbst vermarkten und pro Liter gut 10 Euro Steuern zahlen. "Die Preise, die der Großhandel zahlt, sind trotz des schlechten Obstjahrs im Keller", sagt er.
Rists Großvater hat den Hof in Nitzenweiler gekauft, schon er begann mit dem Brennen. 1000 Obstbäume stehen auf dem Gelände – alte Streuobstbäume, die Rist mit Liebe pflegt. Sein derzeitiger Favorit ist die Wahl' sche Schnapsbirne. Vor wenigen Jahren hat er 100 Bäume dieser Sorte gepflanzt und für seinen ersten Brand gleich eine Silbermedaille errungen. "Die ist sehr aromareich, ein bisschen der Williams Christ ähnlich, aber ein Streuobstbaum."

Rist brennt sorteinreine Destillate, das heißt, nur eine Obstsorte kommt in die Flasche. Er verwendet gern alte Äpfel- oder Birnenarten. "Gravensteiner oder Boskop besitzen zum Beispiel ein ganz anderes Aroma als Delicious." Und er experimentiert gern. Für seinen "Cox Orange in der Frucht" hat er frische Äpfel in den ein Jahr lang gereiften Brand gelegt. Das Ergebnis schimmert sanft-golden im Glas, duftet intensiv nach Apfel und verbindet den Kick vom Brand mit einer leichten Süße. Er probiert die Lagerung in unterschiedlichen Fässern aus – Kirsche in Kirschholz etwa oder Zwetschge im Eichenfass. In Zukunft will er sich am Trendgetränk Gin versuchen. "Das darf ich jetzt. Früher durfte ein Kleinbrenner entweder Obst oder Korn brennen, jetzt geht beides."
Rund 17.000 Klein- und Obstbrenner gibt es noch in Süddeutschland, ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren ständig gesunken. Gerald Erdrich, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Klein- und Obstbrenner, informiert beim Internationalen Tag der Brenner in Friedrichshafen über das neue Alkohlsteuergesetz. Manches sei besser geworden, sagt Erdrich: dass die Vorschriften für Brennräume entschlackt wurden etwa oder dass in schwierigen Jahren Gärsalze erlaubt sind. Manches, wie die Gesamtmenge von 300 Litern pro Jahr, bleibt gleich. Die wirtschaftlichen Aussichten sieht er kritisch. Die derzeitigen Marktpreise des Großhandels reichten für das Überleben der kleinen Brennereien nicht aus. Es gibt viel Alkohol auf dem Markt, weil der Markt europaweit offen ist, das drückt auf den Preis. Verbraucher könnten davon profitieren. Spezialitäten und regionale Brände könnten aber auch teurer werden, weil die Kleinbrenner ihre Mindereinnahmen durch das fehlende Monopol ausgleichen müssen. Wie der Markt sich entwickelt, ist noch unklar. Sicher ist für Erdrich aber eines: "Wenn wir nicht mehr brennen, pflegt auch keiner die Bäume und dann gibt es bald keine Streuobstbäume mehr."

"Kleinbrenner und Destillatgenießer sind Umwelt- und Naturschützer par excellence", sagt auch Michael Kohler, der im Bundeslandwirtschaftsministerium das Referat für Wein-, Bier- und Getränkewirtschaft leitet. Seiner Ansicht nach gehört die Zukunft der Vermarktung von qualitativ hochwertigen Edelbränden und Spirituosenspezialitäten. Um ihre Interessen wirksam zu vertreten, sollten die Hersteller auch über die Gründung von Genossenschaften nachdenken.
Adelbert Rist blickt optimistisch in die Zukunft. Er ist von seinen Bränden überzeugt: Mit anderen Kleinbrennern der Region kreiert er gerade einen Zwetschenbrand, der in Fässern auf Bodenseeschiffen, in einer Höhle oder im Schlosskeller gelagert hat, um ihn gemeinsam zu bewerben. Außer im eigenen Gasthof bietet er seine Produkte in anderen Restaurants mit gehobeber Küche an. Damit die Flaschen auch optisch ansprechen, malt seine Frau jedes Etikett von Hand – kleine, farbenfrohe Kunstwerke, den bunten Aromen in den Flaschen nachempfunden.
Branntweinmonopol
Fast 100 Jahre lang galt in Deutschland das Branntweinmonopol. Klein- und Obstbrenner konnten ihre Destillate zu einem Festpreis an die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein abliefern. Seit 1. Januar 2018 muss jeder Brenner seine Destillate selbst vermarkten und pro Liter gut 10 Euro Steuern zahlen. Das neue Alkoholsteuergesetz schreibt weitere Änderungen fest: War bisher das Brennrecht an den Betrieb gebunden, kann jetzt jede Person eine Brennerlaubnis beantragen. Voraussetzung ist die Bewirtschaftung von 1,5 Hektar Wein- oder Obstkulturen oder drei Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Kleinbrenner dürfen wie bisher bis zu 300 Litern Alkohol im Jahr brennen. Überschreiben sie die Jahresmenge, war bisher ein Ausgleich innerhalb von zehn Jahren möglich. Dieser sogenannte Abschnitt dauert jetzt noch drei Kalenderjahre.