Aus der Vogelperspektive fällt es am ehesten auf: Riesige Flächen in der Stadt sind für Autos reserviert. Rechnet man nur die größten Parkplätze zusammen, die ZF und MTU, Messe oder Flughafen beanspruchen, kommt nach SÜDKURIER-Recherchen eine Fläche von mindestens 31,5 Hektar zusammen – ein etwa anderthalb Mal so großes Areal wie der Riedlewald.
Friedrichshafen ist eine Industrie- und Messestadt mit großem Bedarf an Stellplätzen. Beispiel Messe: „Wir können theoretisch insgesamt 17 282 Parkplätze für Pkw anbieten, davon nach Bedarf rund 10 000 Stellflächen direkt am Messegelände oder in unmittelbarer Nähe“, erklärt Pressesprecher Wolfgang Köhle.

Einbezogen sind Parkplätze in der ganzen Stadt wie am Bodensee-Center oder am Wellenbad, die nur zu bestimmten Zeiten nutzbar sind. Doch selbst diese riesige Zahl an Auto-Abstellplätzen reiche bei große Messen nicht aus, weil zum Beispiel unter der Woche nicht alle Park & Ride-Parkplätze (P&R) voll nutzbar sind.
5000 Stellplätze für ZF-Mitarbeiter
Denn tausende Mitarbeiter der Großbetriebe pendeln täglich in die Stadt. Rund 65 Prozent der 9400 Mitarbeiter am Standort kämen mit dem Auto, teilt ZF auf Anfrage mit – mehr als die Hälfte davon als Alleinfahrer, nur fünf Prozent in Fahrgemeinschaften. Auch bei Zeppelin nutzt etwa die Hälfte der Belegschaft das Auto für den Weg zur Arbeit. Bei MTU kommen die Mitarbeiter aus einem Umkreis von 60 Kilometern, oft mit schlechter Verkehrsanbindung, so ein Sprecher.
Und was das Unternehmen an beiden Werken und im Parkhaus an der Leutholdstraße an Stellplätzen habe, „reicht nicht aus, um allen Anspruchsberechtigten einen Parkplatz zur Verfügung zu stellen“. ZF hat knapp 5000 Stellplätze für seine Mitarbeiter am Stammsitz, und die würden auch gebraucht. Zum Vergleich: Die Stadt Friedrichshafen bewirtschaftet gerade mal halb so viel – insgesamt 2660 Stellplätze, davon 1045 an der Straße und 1615 in Parkhäusern. Dazu kommen 450 im GZH.
Für ZF gibt es keine Alternativen zum Flächenverbrauch fürs „Heilig‘s Blechle“ ihrer Mitarbeiter. Erst wenn die Beschäftigten verstärkt andere Verkehrsmittel nutzen, „können wir darüber nachdenken, auch die Zahl der Parkplätze entsprechend anzupassen“, teilt ein ZF-Sprecher mit. Auch bei MTU sei an eine Reduzierung der Stellfläche nicht zu denken. Im Gegenteil: Die Sperrung der Südbahn wegen der Bauarbeiten bis Mitte 2021 stelle das Unternehmen vor große Herausforderungen, weil es keine Parkplätze für jene gebe, die dann aufs Auto umsteigen. „Wir arbeiten derzeit an kreativen Lösungen, die aber noch nicht spruchreif sind“, so ein MTU-Sprecher.
Großparkhaus für 1900 Autos
Wäre denn nicht der Bau von mehr Parkhäusern geeignet, um Flächen frei zu machen? Die Zeppelin GmbH hat‘s vorgemacht: 1900 Stellplätze auf sieben Etagen bietet das Zeppelin-Parkhaus in der Leutholdstraße auf einer Grundfläche von 0,7 Hektar. In der Ebene kämen hier maximal 400 Stellplätze unter. Elf Millionen Euro hat das Parkhaus gekostet, in das sich die Großbetriebe eingemietet haben. Allein ZF belegt 750 Stellplätze; die Mitarbeiter werden mit Werksbussen an ihre Arbeitsorte gebracht. Zeppelin nutzt für den eigenen Bedarf nur 330 Stellplätze. „Die Auslastung ist erwartungsgerecht“, teilt eine Sprecherin mit.

Beim ZF-Forum war der Bau eines Parkhauses vorgesehen, die Pläne wurden nach Aussage eines ZF-Sprechers aber „nach intensiver interner Prüfung wieder verworfen“. Gründe werden nicht genannt. Inzwischen räumt ZF ein, gerade zu prüfen, ob dieser Parkplatz, der – auch von ZF-Mitarbeitern im benachbarten Werk 1 – „sehr stark genutzt“ wird, sogar noch vergrößert werden kann, weil es an manchen Tagen zu Engpässen komme. Eine Entscheidung sei aber noch nicht getroffen worden.
„Allein der Bau eines Parkhauses muss nicht zwingend eine Lösung sein“, so der ZF-Sprecher. Die Aufgabe liege zuerst einmal darin, die vorhandenen Parkplätze effizient zu bewirtschaften. Erst wenn dieser Ansatz an seine Grenzen stoße, könne die Schaffung zusätzlicher Parkplätze eine Lösung sein. Auch für die Messe GmbH sind Parkhäuser keine Option. „Das größte Problem besteht darin, dass für die wenigen Bedarfsspitzen der Bau eines Parkhauses und der Betrieb mit nachhaltiger Bewirtschaftung nicht möglich sind“, erklärt Wolfgang Köhle.
Vorschlag nicht weiter verfolgt
Und wenn die Stadt das anbieten würde? Grund und Boden für den großen Parkplatz am Forschungs- und Entwicklungszentrum von ZF, auch P 7 genannt, gehört der Stadt. 2015 hatten die Freien Wähler im Gemeinderat den Antrag gestellt, hier ein P&R-Großraumparkhaus für 9000 Autos ins Auge zu fassen. In dieser Größenordnung bestehe „kein Bedarf“, urteilte die Verwaltung. Der Rat beschloss allerdings, eine abgespeckte Variante auf dem P 7 zu prüfen. Geschehen ist allerdings nichts.
Großraumparkhaus?
2016 gaben die Technischen Werke eine Einschätzung zur Idee eines Großraumparkhauses ab. 9000 Stellplätze wären überdimensioniert, hieß es da. Als Zielgruppe kämen nur Berufspendler, vorrangig ZFler, in Betracht. Dafür würden bis zu 1200 Plätze ausreichen. Auch für die Bedienung der Messe wäre ein Parkhaus in dieser Größe ausreichend, da der bestehende Parkplatz mit 1250 Plätzen lediglich an 20 Messetagen benötigt werde. Für ein öffentliches P&R-Parkhaus am Stadtrand brauche man zudem eine eng getaktete Busverbindung in die Innenstadt, was den Stadtverkehr rund 450 000 Euro zusätzlich kosten würde. (kck)