Am Donnerstag folgte ein besonderer Bauabschnitt im Zuge der Elektrifizierung der Südbahn: Die alte Eisenbahnbrücke zwischen Langenargen und Kressbronn musste Platz für eine neue machen, da ihre Abmessungen für den Einbau der Oberleitung nicht ausreichend sind. So erläuterte es eine Pressesprecherin der Deutschen Bahn im Vorfeld. Der riesige rote Spezialkran am Ufer der Argen hatte bereits seit einigen Tagen die Blicke auf sich gezogen.

Da überraschte es nicht, dass zu seinem schließlichen großen Einsatz am Donnerstagnachmittag zahlreiche Schaulustige die Baustellenabsperrung säumten, um einen Blick auf das Spektakel zu erhaschen. Gegen 14 Uhr 30 wurde nämlich die alte Eisenbahnbrücke, die sich zwischen Langenargen und Kressbronn über die Argen spannte, an einem Stück abgehoben und östlich der Argen abgesetzt. 75 Meter lang ist das eiserne Bauwerk und rund 400 Tonnen schwer. So ein riesiges Bauwerk sieht man selten in Gänze durch die Luft schweben.
Touristen und Einheimische, Rentner und Kinder, Radfahrer und Fußgänger versammelten sich auf der Hängebrücke über der Argen, die gute Sicht auf die Baustelle bot, sowie rund um die Baustelle herum, wo immer die Absperrung einen Blick auf die Arbeiten erlaubte.

Es gab aber auch Schaulustige, die ganz gezielt zum Termin zur Baustelle kamen und auch bereits die Vorarbeiten neugierig beobachtet hatten.
Unter ihnen war auch der Eisenbahnfan und ehemals im Baugeschäft tätige Ulrich Bittner aus Mariabrunn. „22 Tieflader waren allein dafür nötig, die Teile des Krans anzuliefern“, weiß er und deutet auf die Walzen, die den Kran an Stelle von Rädern fortbewegen: „Nur eine davon wiegt bereits 60 Tonnen.“ Auf die Frage, woher er all die Details kennt, schmunzelt er. Manches habe er über die vier Jahrzehnte in der Branche gelernt, anderes könne man online gut recherchieren wie die Informationen über den besonderen Krantyp etwa.

Hubert Jehle hält die einzelnen Bauschritte mit seiner Kamera fest. Als Hobbyfotograf mag der Rentner aus Eriskirch sich trotzdem nicht bezeichnen. „Ich bin nur zum Gucken da“, sagt er und erinnert sich zurück an seine Schulzeit. Damals, vor rund 50 Jahren, sagt er, sei hier schon einmal eine Eisenbahnbrücke versetzt worden. Vor einem halben Jahrhundert habe es allerdings noch keine solchen Spezialkräne gegeben. „Da musste man mit Hydraulik waagrecht verschieben“, ergänzt Bittner.
Schließlich hat das Warten für die Neugierigen ein Ende. Nachdem die letzten kleinen Stücke Geländer, die die Brücke noch an ihrem Platz gehalten haben, durchgesägt worden sind, zieht der Kran sie ganz bedächtig in die Höhe. Von unten wird mit vier Seilen an jeder Ecke justiert und gesteuert, damit die Brücke nicht in der Luft ins Schwingen gerät oder sich in eine falsche Richtung dreht.

Etwa eineinhalb Stunden schwebt sie so durch die Luft: zunächst in die Höhe, dann ein Stück zur Seite und schließlich langsam seitlich über die Argen ans östliche Ufer.
Vor dem Absenken muss dann nochmals getüftelt werden. Die Lager, auf denen der Brückenoberbau bisher geruht hat, müssen abgeschraubt werden. So kann die Brücke nämlich dann flach auf den Boden abgesenkt werden. „Damit beginnt die Demontage„, erklärt Projektleiter Martin Glaser. Die knapp 120 Jahre alte Eisenbahnbrücke habe nun nämlich ausgedient. Um sie ohne zu großen Aufwand zerlegen zu können, sei es wichtig, dass sie eben aufliege. „Leider war es nicht möglich, eine andere Lösung für sie zu finden“, führt er aus und wird dann beinahe ein bisschen sentimental. Er denkt darüber nach, dass die Brücke 120 Jahre lang treue Dienste geleistet hat. „Man muss sich vorstellen, über diese Brücke sind 120 Jahre lang täglich Züge gefahren“, erklärt er und äußert Stolz über dieses tolle Bauwerk, das die Generation der Urgroßväter des Eisenbahnbaus geschaffen habe. Moderne Brücken, gerade solche aus Beton im Straßenbau, seien oft nicht so langlebig.
„Die Brücke hier ist auch als Baudenkmal eingetragen und ziert sogar einen Bildband zum Thema“, verrät er außerdem. Kurz vor dem Abbau am Donnerstag sei daher auch nochmal ein Fotograf aus Stuttgart angereist, um die Brücke zum Abschied nochmals in Fotografien vollständig festzuhalten.

Während die alte Brücke erst in Einzelteile zerlegt und dann verschrottet wird, soll die neue Eisenbahnbrücke montiert werden. Die ist deutlich größer als ihre Vorgängerin und bringt so rund 200 Tonnen mehr auf die Waage. Zum Abschluss des aufregenden Tags auf der Baustelle bleibt nur ein Wunsch, den Martin Glaser gern bekräftigt: Die neue Brücke solle genau so lange wie die ehemalige ihren Dienst tun.