Bereits im Sommer, als die Landesregierung zum Bürgerempfang zu Gast im Graf-Zeppelin-Haus war, haben wir den OB gefragt, ob er zu einem Abschiedsinterview bereit sei. Ein rückblickendes Gespräch wollte Andreas Brand nicht. So ganz ohne Bilanz sollen 15 Jahre Amtszeit an der Stadtspitze von Friedrichshafen aber nicht bleiben.

Der OB als Bürgermeister: Bei den jährlichen Radtouren nahm er Bürger mit auf den Weg. So bürgernah zeigte er sich selten.
Der OB als Bürgermeister: Bei den jährlichen Radtouren nahm er Bürger mit auf den Weg. So bürgernah zeigte er sich selten. | Bild: Anette Bengelsdorf

Der OB als Bürgermeister

Hatte Andreas Brand ein offenes Ohr für die Anliegen „seiner“ Bürger? Eines muss man ihm lassen: Wer ihm schrieb und Probleme schilderte, bekam in der Regel immer eine Antwort. Manchmal halft er sogar bei der Lösung, selbst wenn es rechtlich fragwürdig war: 2018 hatte er eine rechtswidrige Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus in Ettenkirch angeordnet.

Vor allem in den vergangenen Jahren war Brand zunehmend unnahbar, ließ sich bei vielen offiziellen Terminen – auch aus gesundheitlichen Gründen – vertreten. So leutselig wie bei der jährlichen Sommerradtour durch Friedrichshafen zeigte sich der OB zuletzt nur selten, zum Beispiel bei Bürgerempfang oder Seniorenschiffsfahrt: Hier schüttelte er fleißig Bürgerhände.

Glückwunsch für den neuen Sozialbürgermeister: OB Andreas Brand (rechts) gratuliert Andreas Hein, dem jüngsten Neuzugang in der ...
Glückwunsch für den neuen Sozialbürgermeister: OB Andreas Brand (rechts) gratuliert Andreas Hein, dem jüngsten Neuzugang in der Verwaltungsspitze. | Bild: Cuko, Katy

Der OB als Rathauschef

Rund 1500 Mitarbeiter hat das Rathaus, gut ein Drittel mehr als zum Amtsantritt von Andreas Brand im Juli 2009. Wie zufrieden die Stadtbediensteten mit ihrem Job sind, wurde 2023 erstmals abgefragt. Ergebnis: Acht von zehn Mitarbeitern sind zufrieden oder wenigstens nicht unzufrieden. Dazu passt allerdings nicht, dass sechs von zehn Mitarbeitenden angaben, den Arbeitgeber wechseln zu wollen. Im Wahlkampf erklärten mehrere Kandidaten, als neuer OB die Mitarbeiter im Rathaus wieder mehr mitnehmen zu wollen.

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Andreas Brand kann Verwaltung, baute Prozesse und Strukturen allerdings wie in einer Pyramide auf. Ohne die Entscheidung von ganz oben ging meistens nichts vorwärts. Brand baute sein OB-Büro personell stark aus, auch als Schnittstelle zu den drei Bürgermeistern, die ihre Dezernate eigentlich selbst verantworten. Welches Thema in den Gemeinderat kommt, bestimmt der OB. Manche Vorlage blieb sehr lange in seiner Schublade oder sogar ganz liegen. Andere ließ er umschreiben, wenn er es für richtig und nötig erachtete. Im Zweifel vertraute Andreas Brand lieber seinen Beratern als seinen Bürgermeistern oder Amtsleitern. Ein Grund für die kostspielige Berateritis im Rathaus.

Der Gemeinderat tagt: Rund 170 Sitzungen hat OB Brand geleitet.
Der Gemeinderat tagt: Rund 170 Sitzungen hat OB Brand geleitet. | Bild: Kley, Denise

Der OB als Chef im Gemeinderat

15 Jahre Gemeinderat, das waren für Andreas Brand rund 170 Sitzungen, die er souverän leitete. Öffentlich kam es nur selten zu harten Diskussionen. Viele Knackpunkte in der Stadtpolitik wurden nicht-öffentlich zumindest vorberaten. Nicht jeder Ratsbeschluss wurde auch umgesetzt. Manchen saß der OB einfach aus. Allein die Liste der Anträge, die aus den Ratsfraktionen kamen und nach wie vor als „offen“ markiert sind, belegen das.

Dass ambitionierte Vorhaben stecken geblieben sind, liegt nicht nur daran, dass sich der Gemeinderat nicht auf eine Linie einigen konnte, so wie beim Uferpark. Die Stadt plante in Brands Amtszeit viele Großprojekte, die sie nicht zu Ende brachte oder sogar zu den Akten legte, weil sie nicht mehr finanzierbar sind. So wie das Museums-Quartier mit dem Kunsthaus fürs Zeppelin-Museum. Dabei wurden Projekte zuweilen so aufgebläht oder komplex, dass der Rat kapitulieren musste. Auch hier ist der Uferpark ein Beispiel, dessen Neugestaltung mit der des Bahnhofsvorplatzes und der Friedrichstraße verknüpft wurde.

Das Sparschwein für die Zeppelin-Stiftung heißt Ferdinand gGmbH. Doch die Strategie von 2016 geht nicht mehr auf.
Das Sparschwein für die Zeppelin-Stiftung heißt Ferdinand gGmbH. Doch die Strategie von 2016 geht nicht mehr auf. | Bild: Mommsen, Kerstin

Der OB als Chef der Zeppelin-Stiftung

Das historische Erbe des Luftschiffpioniers Graf Zeppelin, dessen Name in Friedrichshafen allgegenwärtig ist, hat Andreas Brand wohl zu dem machtbewussten Oberbürgermeister gemacht, der er letztlich war. Über ein Stiftungskapital von gut 1,5 Milliarden Euro, verbunden mit großem Einfluss auf zwei Stiftungskonzerne, wacht kaum ein Stadtoberhaupt in Deutschland. Qua Amt ist der Häfler OB gleichzeitig Vorsitzender der Zeppelin-Stiftung.

Die Zeppelin-Stiftung in der Hand der Stadt zu sichern, erklärte Brand in seiner zweiten Amtszeit mit zur Hauptaufgabe. Dass dieser teure Streit um die Stiftung seit Jahren die Gerichte beschäftigt, liegt auch daran, dass Andreas Brand nicht bereit war, das Gespräch mit den Stifternachfahren zu suchen. Ob das klug war, wird die Zukunft weisen. Bisher haben Albrecht von Brandenstein-Zeppelin und sein Sohn alle Gerichtsverfahren verloren. Bislang ging es aber nur um die Klagebefugnis, nie um die Frage, ob die Stiftung 1948 zu Unrecht aufgelöst und an die Stadt übertragen wurde.

Mit der Gründung der Vermögenstochter Ferdinand gGmbH 2016 wollte Brand finanziell vorsorgen, sprach von einer Milliarde Euro, die er binnen zehn Jahren ansparen will. Da sprudelten die ZF-Dividenden noch. Heute laufen der Stiftung die Ausgaben davon, die Einnahmen sind eingebrochen. Allein das Klinikum braucht 50 Millionen Euro bis Ende 2025, um nicht pleitezugehen. Der nächste OB wird einen Sparkurs fahren müssen.

Der OB als Chef im Aufsichtsrat: Bei der Zeppelin GmbH war Andreas Brand Vorsitzender, bei ZF Mitglied im Aufsichtsrat. Hier im Februar ...
Der OB als Chef im Aufsichtsrat: Bei der Zeppelin GmbH war Andreas Brand Vorsitzender, bei ZF Mitglied im Aufsichtsrat. Hier im Februar 2024 mit seinem stellvertretenden Vorsitzenden Heribert Hierholzer, dem damaligen Konzern-Chef Peter Gerstmann und seinem Nachfolger Matthias Benz. | Bild: Zeppelin Gmbh

Der OB auch als Chef im Aufsichtsrat

Bei der Zeppelin GmbH hat OB Brand den Vorsitz im Aufsichtsrat, bei ZF ist er Mitglied. Kaum ein anderes Stadtoberhaupt entscheidet in weltweit agierenden Konzernen mit Milliarden-Umsätzen maßgeblich mit, wo es lang geht. Andreas Brand war sich seiner Verantwortung stets bewusst, griff den Konzernlenkern aber auch ins Steuer. Dass er das Rad dabei zuweilen überdrehte, wurde erstmals offensichtlich, als ZF-Chef Stefan Sommer 2016 seinen Hut nehmen musste, weil er den Machtkampf gegen Brand verlor. „Ich werde immer Ihr OB der Stadt sein und eben nicht der Super-Chef von ZF und Zeppelin. Es gibt und gab keinen ‚Superman“, der das kann“, versprach sein Nachfolger Simon Blümcke im Wahlkampf mehrfach „ein neues Rollenverständnis“.

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Doch auch in vielen städtischen Unternehmen ließ sich Andreas Brand den Chefposten im Aufsichtsrat nicht nehmen. Stadtwerke, Messe und nicht zuletzt das Klinikum, das nicht aus den Schlagzeilen kommt: Überall gab Brand maßgeblich den Takt vor, in kritischen Situationen offenbar stark beeinflusst von Beraterfirmen oder Rechtsanwälten. Dass in den meisten Aufsichtsräten Stadträte in der Mehrzahl sind, von denen viele keine Fachkompetenz haben, ist ein Manko, das der neue OB beheben will.

Andreas Brand gefiel sich in der Rolle als Wirtschaftslenker. Doch dieses Engagement in den Unternehmen hat ihn enorm viel Kraft und Zeit gekostet. Die hätte er für städtische Projekte gebraucht.