Sichtlich erleichtert verließ Stephan Fenchel, Geschäftsführer der Markdorfer Real Massivhaus GmbH und Investor des Großprojekts in Jettenhausen, am Montagabend den Ratssaal. Eineinhalb Stunden lang diskutierte der Gemeinderat zuvor über die Einleitung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplan-Verfahrens für eine 8700 Quadratmeter große Wiese im Hägleweg. Dort sollen vier drei-bis fünfstöckige Gebäude mit 98 Wohnungen entstehen. Am Ende war das Ergebnis eindeutig: Der Rat sprach sich – mit einer Enthaltung – für das Projekt aus. Drei Gemeinderäte stimmten aufgrund von Befangenheit nicht ab.
Auch viele Mitglieder der Interessensgemeinschaft Hägleweg, einer Anwohnerinitiative, waren gekommen, um der Debatte zu folgen. "Wir wenden uns mit der Bitte an Sie, dieses Verfahren kritisch und intensiv zu begleiten, insbesondere sich selbst ein Bild über die geplante Bebauung und die unseres Erachtens nicht zu Jettenhausen und der Umgebungsbebauung passenden Baukörper zu machen", heißt es in einem Brief, der in der vergangenen Woche an die Stadtverwaltung und die Gemeinderäte ging. Darin bitten die Anwohner unter anderem um ein Schnurgerüst, das die Dimension des geplanten Projekts veranschaulicht. Zudem sei der geänderte Entwurf des planenden Architekturbüros Plösser immer noch "zu hoch und zu massiv".
Die Kritik der Anwohner schlug sich auch in einem Antrag von Gemeinderat Hannes Weber (Freie Wähler) nieder, der ein Modell, ein Schnurgerüst, eine Analyse der vorhandenen Infrastruktur und einen Vergleich mit dem bisher gültigen Bebauungsplan von 1971 beinhaltete. Außerdem bat Weber darum, die Bürger alsbald über das Vorhaben zu informieren. "Mir ist wichtig, dass die Bürger nicht das Gefühl haben, dass wir etwas hinter verschlossenen Türen entscheiden", sagte er. Baubürgermeister Stefan Köhler, der den Gemeinderat leitete, entgegnete diesem Argument: "Wir fordern Planer und Eigentümer auf, bereits vor dem Aufstellungsbeschluss eine Informationsveranstaltung für Bürger zu organisieren." Hier sei die Stadtverwaltung zwar dabei, aber nicht Veranlasser. "Wir stehen einem Informationsaustausch mit den Anwohnern sehr offen gegenüber", versicherte Investor Fenchel gegenüber dem SÜDKURIER. Die Veranstaltung soll öffentlich sein, so der Bauherr.
Webers Antrag bekam jedoch – weder in der eigenen Fraktion noch in den anderen – keine große Zustimmung. "Man kann nicht mit Luftballons Bauvorhaben darstellen", kommentierte Daniel Oberschelp (CDU) das Thema Schnurgerüst. Besser sei ein Massenmodell. "Angesichts unserer Sonntagsreden zur Wohnungssituation sollten wir Nägel mit Köpfen machen", sagte Heinz Tautkus (SPD) und wies darauf hin, dass es beim Thema Bauen immer ein Problem zwischen städtebaulichen Interessen und Einzelinteressen gebe. Auch Gerhard Leiprecht (Grüne) ist sich sicher: "Wir sollten uns intensiv mit Anwohnern befassen, aber hier äußert sich eben nicht die Familie mit zwei Kindern, die dringend eine Wohnung braucht." Die aktuellen Entwürfe, die Architekt Manuel Plösser vorstellte, sehen vor allem Zwei- bis Dreizimmerwohnungen vor.
Das Bauprojekt
- Pläne: Der Entwurf des Häfler Architekten Plösser sieht auf der rund 8700 Quadratmeter großen Wiese im Hägleweg in Jettenhausen vier drei-bis fünfstöckige Gebäude mit 98 Wohnungen sowie 141 Parkplätze vor. Investor ist die Markdorfer Real Massivhaus GmbH, die das Grundstück bereits Anfang 2015 gekauft hat.
- Kritik: Die IG Jettenhausen wehrt sich gegen die geplante Bebauung. Sprecher sind Ralf Scherer und Clemens Schulta. Ein Rechtsanwalt zweifelt zudem den Bebauungsplan von 1971 an, der derzeit dort gilt.
- Vorhabenbezogener Bebauungsplan: Der Gemeinderat stimmte der Einleitung des Verfahrens zu. Baubeginn soll im Herbst 2017 sein.