Nichts erinnert mehr in der Friedrichstraße 65 an das alte Hotel Schöllhorn, eines der wenigen historischen Gebäude in der Stadt, die den Krieg überstanden hatten. Das Gebäude wurde abgerissen, das Areal planiert. Direkt daneben, in der Friedrichstraße 63, steht ein efeuberanktes Gebäude mit Walmdach, das einst die Stadtkasse beherbergte. Doch dessen Tage sind gezählt. "Der Verkauf des Grundstückes wurde im Gemeinderat im Juli beschlossen", bestätigt die städtische Pressesprecherin, Monika Blank, auf Anfrage. Das Votum fiel in nichtöffentlicher Sitzung. Angaben zum Käufer macht die Verwaltung zu Grundstücksgeschäften nie. Nach Informationen des SÜDKURIER handelt es sich um dieselbe Firma, die auch das Schöllhorn-Areal gekauft hat: die Wohnbau- und Immobilienfirma Junker aus Weingarten mit Dependance in der Häfler Karlstraße 11. Damit verfügt das Unternehmen nun über zwei zusammenhängende Grundstücke in Innenstadtlage.


Das einstige Stadtkassengebäude steht nicht unter Denkmalschutz. "Das Gebäude wurde am 19. November 2015 vom Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart begangen", so Blank auf Nachfrage. "Es wurde nicht als Kulturdenkmal im Sinn des baden-württembergischen Denkmalschutzgesetzes eingestuft." Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, was mit dem Gebäude geschehen wird: Es wird abgerissen. "Aufgrund des baulichen Zustandes und der städtebaulichen Bedeutung des Standortes strebt die Verwaltung eine Gesamtkonzeption im Zusammenhang mit den umliegenden Gebäuden an, die dem städtebaulichen Rahmenplan entsprechen soll", heißt es seitens der Verwaltung weiter.
Lochfassaden, von Spöttern auch Schießscharten genannt, können sich die Macher des Rahmenplans für die Neubauten in der Friedrichstraße ...
Lochfassaden, von Spöttern auch Schießscharten genannt, können sich die Macher des Rahmenplans für die Neubauten in der Friedrichstraße vorstellen: Nr. 63 ist die jetzige Stadtkasse, Nr. 65 das Schöllhorn-Areal. Wie die Fassaden am Ende aussehen, wird über ein Wettbewerbsverfahren ermittelt. Grafik: Wick+Partner | Bild: Mac17

Junker-Geschäftsführer August Junker war zu einem Gespräch nicht bereit, hat aber wohl den Vorstellungen der Stadt entsprochen: "Dazu zählt beispielsweise eine Gasse zwischen Friedrichstraße und Möttelistraße für Fußgänger und Radfahrer sowie eine Reduzierung von Tiefgaragenzufahrten von zwei auf eine aufgrund einer besseren Nutzung des Grundstücks", so Monika Blank.

Auf dem Schöllhorn-Areal plant die Firma Junker bislang mehrere Gebäude mit Wohnungen, möglicherweise auch mit gewerblicher Nutzung. Einen rechtskräftigen Bauvorbescheid hat die Verwaltung hierfür schon erteilt. Nach dem Zukauf nebenan wird es möglicherweise Neuplanungen geben. Beide Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Rahmenplans Friedrichstraße. Dort ist der zur Straße gewandte Bereich ausgezeichnet mit "Einzelhandel/Gastronomie stärken". Eine schematische Grafik (Bild) zeigt zwei neue Gebäude, wie sich das die Rahmenplan-Macher vorstellen könnten. Das ist freilich nur ein Vorschlag. Laut Monika Blank wurde festgelegt, "dass der Käufer zunächst ein Wettbewerbsverfahren bzw. Mehrfachbeauftragung zum städtebaulichen Erscheinungsbild mit mehreren Planungsbüros durchführen muss, um ein städtebaulich anspruchsvolles und hochwertiges Ergebnis zu erreichen. Der Entwurf des Wettbewerbssiegers wird dann den Gremien zur Zustimmung vorgelegt, erst dann stehen die weiteren planerischen Schritte an".

Fix vereinbart ist, dass die Firma Junker mindestens 30 Prozent des neu geschaffenen Wohnraums als bedarfsgerechten sozialen Wohnbau erstellen muss. Es ist davon auszugehen, dass die Stadt der Firma Junker die Zusage erleichtert hat durch einen Nachlass in Höhe von 30 Prozent des Kaufpreises. Das ist jedenfalls der Grundsatzbeschluss, den der Gemeinderat am 9. Februar als "Baustein II" des städtischen Wohnraumförderungsprogramms beschlossen hat.

Junker war nicht der einzige Interessent für das Stadtkassengebäude: "Es gab zwei Bewerber", teilt Monika Blank auf Anfrag mit, ohne Details zu nennen. Nach SÜDKURIER-Informationen handelt es sich dabei um die Kreisbaugenossenschaft (KBG). Diese besitzt angrenzend in der Möttelistraße zwei Gebäude mit 21 Wohnungen, kam aber nicht zum Zug.

Derzeit ist im alten Stadtkassengebäude der Familientreff Insel untergebracht. Er bleibt zunächst dort, so Blank. "Erst wenn der Familientreff einen neuen Standort gefunden hat, wird der beschlossene Verkauf des Grundstücks auch vollzogen."

Denkmalschutz

Anders als das Gebäude Hotel Schöllhorn, das um das Jahr 1830 entstanden ist, handelt es sich bei dem Haus in der Friedrichstraße 63 um einen Nachkriegsbau. Die erste Bebauung fand an dieser Stelle im Jahr 1932 statt, das Hau wurde bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg großteils zerstört. Das bestehende Gebäude wird vom Landesdenkmalamt als nicht schutzwürdig eingestuft und steht nicht auf der Liste der erhaltenswerten Kulturgüter.

Für Denkmalschützer spielt das Alter eines Gebäudes nicht die alleinige und entscheidende Rolle. Bei einem Bauwerk kommt es vor allem darauf an, ob es ein stilprägendes Zeugnis einer Epoche darstellt und möglichst originalgetreu Einblicke in die Baukunst und Lebensweise jener Zeit vermittelt. So steht beispielsweise die einstige Schindele-Tankstelle an der Ecke Wera-/Friedrichstraße mit den gebogenen Scheiben für die 50er Jahre. Auch das Hotel Schöllhorn galt am Ende als denkmalwürdig, doch das rettete das fast 200 Jahre alte Gebäude nicht. Als es Ende 2015 zum Kulturdenkmal erklärt wurde, gab es schon eine Abrissgenehmigung. (asa)