Von der dicht befahrenen B31/Zeppelinstraße ist es nur zu erahnen: Hinter großen Bäumen, nur wenige Meter nördlich der Hauptverkehrsstraße durch Friedrichshafen, erstreckt sich eine Grüninsel inmitten von Häusern. Zum Landratsamt im Westen sind es nur wenige hundert Meter. Rings um die Wiese befinden sich Wohngebiete, die Ifenstraße selbst ist eine Sackgasse.

Es ist eine Stadt-Idylle, wie es sie in Friedrichshafen nicht oft gibt. Daran haben sich die umliegenden Bewohner über die Jahrzehnte gewöhnt und schätzen das Grün. Im Sommer lässt ein Häfler Landwirt Kühe auf der Wiese grasen, Büsche und Bäume spenden Schatten und sorgen für ein angenehmes Mikroklima. Dabei sollte die Wiese vor Jahrzehnten schon bebaut werden und es gibt auch einen Bebauungsplan, „Rumpel Ost“. Realisiert wurde die Bebauung nie.

Katzensprung zum Strandbad und in die Innenstadt: Im Bereich Ifenstraße (Kreis), zwischen Zeppelinstraße und Albrechtstraße, will die ...
Katzensprung zum Strandbad und in die Innenstadt: Im Bereich Ifenstraße (Kreis), zwischen Zeppelinstraße und Albrechtstraße, will die Stadt schnell Planungsrecht schaffen für mehr Wohnraum. | Bild: Stadt Friedrichshafen/FrankenAir

Das soll sich bald ändern. Das Vorhaben im Quartier Ifenstraße ist Teil eines größeren Plans zur Schaffung von Wohnraum in Friedrichshafen. Verwaltung und Gemeinderat haben im Frühjahr 2025 ein Art Masterplan entwickelt: Bis zum Jahr 2040 könnten so über 2800 Wohneinheiten geschaffen werden. Der Plan – Innenentwicklungskonzept genannt – umfasst mehrere Maßnahmenpakete: Baulücken sollen aktiviert, wenig bebaute Grundstücke besser genutzt werden. Man will außerdem schnell Planungsrecht für größere Schwerpunktbereiche schaffen – neben dem Güterbahnhofareal beim ZF-Forum hat die Ifenstraße hier die höchste Priorität.

Lange Zeit befand sich die Wiese in Privatbesitz, nun hat die rund 12.500 Quadratmeter große Fläche die Firma Prisma gekauft. Das Unternehmen ist in Friedrichshafen bekannt durch Projekte wie den Competence Park beim Flughafen, die „SeeStatt“ am Bahnhof oder die Zeppelin-Apotheke in der Eugenstraße. Nun möchte Prisma das Quartier Ifenstraße entwickeln. Auf Grundlage des Bebauungsplans von 1976 ist aus Sicht des Unternehmens das Areal nicht sinnvoll zu bebauen.

Idylle mitten im Wohngebiet: Auf der Wiese bei der Ifenstraße grasen bislang Kühe.
Idylle mitten im Wohngebiet: Auf der Wiese bei der Ifenstraße grasen bislang Kühe. | Bild: Marianne Herbert-Mirutz/IG Ifenstraße

„Der Bebauungsplan wurde nach den Prinzipien der autogerechten Stadt entwickelt“, sagt Prisma-Geschäftsführer Stefan Nachbaur. „Die Verkehrsflächen sind deutlich überdimensioniert und es sind qualitätsvolle Grundstücksflächen für oberirdische Sammelgaragen vorgesehen.“ Die bisherigen Baufelder stehen quer zur bestehenden Bebauung und würden eine Riegelwirkung gegenüber der rückwärtigen, nördlichen Bebauung erzeugen. Das soll sich ändern.

Anwohner bündeln Kräfte

Ziel der Überarbeitung des bestehenden Bebauungsplans sei „die Entwicklung eines störungsfreien Erschließungskonzepts, die Schaffung von Freiraumqualitäten im Wohngebiet, die Erhaltung und Stärkung der bestehenden Grünachse und die Neuaufstellung der städtebaulichen Bebauungsstruktur zu einem nachhaltigen, lebenswerten und funktionalen Wohnquartier“, formuliert es der Prisma-Geschäftsführer.

Wunibald Kurz, Hartmut Burlein, Axel Mors, Jenny und Kevin Riedmann, Daniela Metzdorf und viele andere Anwohner sind skeptisch und hinterfragen das Projekt. Es hat sich eine Interessensgemeinschaft Ifenstraße formiert. Mit dabei ist auch Marianne Herbert-Mirutz. „Wir bedauern, dass schon wieder eine grüne Lunge der Stadt verbaut werden soll, schreibt sich doch die Stadt auf die Fahnen, wie umweltschützend sie sein möchte“, sagt die 74-Jährige. Zusammen mit ihrem Mann Florian wohnt sie seit 1986 in der angrenzenden Uhlandstraße.

Um diese Grünfläche im Dreieck Zeppelinstraße, Albrechtstraße und Landratsamt (Hochhaus hinten) geht es: Die Firma Prisma will hier ...
Um diese Grünfläche im Dreieck Zeppelinstraße, Albrechtstraße und Landratsamt (Hochhaus hinten) geht es: Die Firma Prisma will hier Häuser bauen, bis zu 88 Wohneinheiten sind im Gespräch. | Bild: Andreas Ambrosius

Marianne Herbert-Mirutz und etliche weitere Anwohner finden den Bebauungsplan überdimensioniert, es wird eine Minderung der Lebensqualität befürchtet. Und nicht nur das. In Zeiten des Klimawandels und steigender Temperaturen stellten innerstädtische Grünflächen wie jene in der Ifenstraße einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz dar. Die Zerstörung eines Biotops, das als Kuhwiese genutzt werde, passe nicht zu den politischen Zielen, die sich Friedrichshafen gesetzt habe. „Wir möchten Grün auf Augenhöhe und nicht auf Flachdächern“, so Marianne Herbert-Mirutz.

Höhe bis zu vier Etagen

Im Gespräch sind bis zu 88 Wohneinheiten in bis zu vier Etagen hohen Gebäuden. Ringsherum stehen bislang Häuser mit zwei Geschossen. Es ist eine Kindertagesstätte mit vier Gruppen geplant. Angezweifelt wird, ob in substanziellem Umfang mietpreisbegünstigter Wohnraum geschaffen wird. „Das ist alles zu groß und massiv, das passt nicht zum gewachsenen Quartier“, sagt Marianne Herbert-Mirutz, „es ist unvereinbar mit dem Siedlungscharakter des Wohngebiets.“ Die Interessensgemeinschaft bereitet eine Internet-Seite vor, auf der sie ihre Ziele und Einwände vorstellen will.

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Investor Prisma ist mit den Anwohnern im Gespräch, man lege Wert auf „eine partnerschaftliche und kooperative Zusammenarbeit“, so Prisma-Chef Stefan Nachbaur. Anfang Juli hat Prisma die Anwohner bei einer Veranstaltung über das Vorhaben informiert. Rund 80 Besucher waren da und stellten eine Menge Fragen. Es habe Antworten gegeben, aber vieles sei auch vage geblieben – Vorbehalte seien nicht ausgeräumt, so Marianne Herbert-Mirutz. Stefan Nachbaur spricht von einer konstruktiven Veranstaltung.

Architekturwettbewerb läuft

Derzeit läuft ein Wettbewerbsverfahren mit fünf Architekturbüros. Die Interessengemeinschaft möchte gerne Einsicht in die Ausschreibung haben, bekommt diese aber nicht mit Verweis auf ein „nicht offenes, anonymes Verfahren“. Solange keine konkreten Vorschläge vorlägen, mache es keinen Sinn, sich damit auseinanderzusetzen, sagt Nachbaur. Eine Vorstellung soll nach Abschluss des Wettbewerbsverfahrens im Herbst 2025 geschehen. Ein weiteres Treffen mit Anwohnern sei geplant. „Wir möchten nicht nur informiert werden, sondern von Beginn an mitgestalten“, sagt Marianne Herbert-Mirutz.

Wie geht es weiter? Ende 2025 könnte es den Einleitungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan geben. Die Erstellung von Gutachten und Rechtsplan folgt im Frühjahr, der finale Satzungsbeschluss in den städtischen Gremien wird Mitte 2026 erwartet.