Überlingen Technische und gestalterische Gründe veranlassten den Verschönerungsverein, auf Informationen zu Bürgermeister Jakob Kessenring in der gleichnamigen Straße zu verzichten. Diese rückt aufgrund der neuen Aufenthaltsqualität mehr denn je in den Blickpunkt. Damit auch ihr Namenspatron, der im 16. Jahrhundert als Stadtoberhaupt eine nicht nur rühmliche Rolle spielte.

Es gab vereinzelte Stimmen, die aufgrund der von ihm veranlassten Hinrichtungen eine Umbenennung der Straße forderten. Dafür sah der Verschönerungsverein keinen Anlass. Allerdings braucht er eine neue Idee, wo er die Erläuterungen zu Kessenring unterbringen kann. „Die historischen Straßenschilder sind an den Hauswänden abgebracht“, sagte Rolf Geiger bei der Vorstellung der Ergänzungen zu den Bürgermeistern. Da funktioniere die aktuelle Methode nicht.

„Geradezu lächerlich“ nennt SÜDKURIER-Leser Andreas Martin die Vorbehalte gegen Jakob Kessenring vor dem Hintergrund der Geschichte. Allerdings frage er sich, was aus der Idee geworden sei, Infotafeln in der Sankt-Ulrich-Straße anzubringen. Tatsächlich hatte der Kulturausschuss im Jahr 2018 zunächst über eine Änderung des Straßennamens kontrovers diskutiert, da es sich bei dem im 14. Jahrhundert zu Tode gekommen Jungen dieses Namens keineswegs um einen Heiligen gehandelt habe. Sein Tod wurde zu Unrecht jüdischen Bürgern angelastet und war Auslöser massiver Verfolgungen.

Oswald Burger vom Verein Goldbacher Stollen und KZ Aufkirch in Überlingen hatte dazu einen erläuternden Text verfasst. „Den Knaben Ulrich fand man 1332 tot in dieser Straße. Überlinger Christen beschuldigten die Juden und ermordeten über 300 Juden aus der Stadt. Die Überlinger verehrten Ulrich als Heiligen und errichteten ihm eine Kapelle. Dieses Schild erinnert an die jüdischen Opfer von 1332.“

Für das vom Verschönerungsverein entwickelte Format passte dieser Text jedoch nicht. Man kam überein, einen geeigneten Standort für eine größere Infotafel zu suchen. Angedacht war das östliche Ende der Straße an der Kreuzung beim Augustinum, wo im Mittelalter sogar eine St. Ulrichs-Kapelle stand. Wenige Überreste davon schlummern wohl im Untergeschoss eines kleinen Wohnhauses, das später hier errichtet wurde. Die Zusatztafeln, so der Verein damals, würden eine Umbenennung der Straße überflüssig machen. Der Plan war ursprünglich, diese in dem beschriebenen Bereich anzubringen. Doch bis heute fehlt ein solches Schild noch immer. Auch Leser Andreas Martin bedauert das und schreibt: „Besonders in der heutigen Zeit, in der Antisemitismus leider wieder zunimmt, wäre es angebracht, dass sich die Stadt Überlingen auch zu schwarzen Flecken ihrer Geschichte bekennt.“