Was wird aus der sogenannten Franzosensiedlung in Friedrichshafen? Schon vor vier Jahren war bekannt geworden, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Eigentümer 16 Häuser im Quartier mit mehr als 100 Wohnungen abreißen und dichter als heute bebauen möchte. Bewohner wehrten sich, sammelten Unterschriften gegen die Pläne. Die Gebäude seien sicherlich nicht abrissreif, so die Argumentation der Mieter, allenfalls gebe es hier und da einen leichten Sanierungsbedarf.
Auch die Gemeinderäte standen den Plänen damals skeptisch gegenüber, ließen den Vorhabenträger nochmal eine Schleife drehen und das Konzept überarbeiten. Seither war es zumindest in der Öffentlichkeit weitgehend ruhig um die Pläne geworden. Jetzt hat sich der Ausschuss für Planen, Bauen und Umwelt (PBU) wieder mit dem Projekt befasst. In der jüngsten Sitzung wurde mehrheitlich beschlossen, einen städtebaulichen Wettbewerb auszuloben.
Laut Robert Waibel vom Amt für Stadtplanung sei mit der Änderung der Pläne kein vollständiger Abriss mehr vorgesehen. Erhalten würden vier Gebäudekomplexe in der Schwabstraße. Hinzu komme ein kleiner Bereich, in dem eine Aufstockung statt eines Neubaus geplant ist. Im Auslobungstext für den Wettbewerb wurden zudem als Ziele eine „städtebaulich vertretbar innerstädtische Nachverdichtung“ sowie die Planung „bezahlbarer Mietwohnungen“ formuliert.
Bei dem Wettbewerb sollen auch Gemeinderäte aller Fraktionen sowie drei Vertreter der Mieter in der Jury sitzen. Der Siegerentwurf werde dann als Grundlage für ein Bebauungsplanverfahren herangezogen. Zudem werde kein vereinfachtes Verfahren umgesetzt, um eine „bessere Teilhabe am Planungsprozess für die Anwohner zu ermöglichen“, wie Waibel betonte.

Mirjam Hornung (CDU) bewertete die Anpassungen als guten Schritt. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan mache es möglich, als Stadt besser steuern zu können. Ziel sei es, Wohnraum zu schaffen und eine hohe Qualität für das Quartier zu erzielen. „Wie das künftig aussehen kann, muss nun der Wettbewerb zeigen“, betonte die Fraktionsvorsitzende. Auch Dagmar Hoehne (FW/FDP) hob hervor: „Ich glaube, dass das ein richtig schönes Quartier werden kann.“ Aufwertungen sah sie unter anderem durch autofreie und verkehrsberuhigte Bereiche, den Erhalt der Bäume und Zusatzangebote wie Quartiersbüro und Kita.
Walter Zacke (Grüne) sprach von einem langen Prozess zwischen der BImA, den Bewohnern und der Verwaltung. Man stimme für den Wettbewerb und ein dazugehöriges Beteiligungsgremium. Wichtig fand er, die Bewohner bei der Umsetzung mitzunehmen, denn „Veränderungen können Angst machen“. Tillmann Stottele (SPD/Linke) hob hervor, dass auf die Planungsbüros jetzt eine spannende und fordernde Aufgabe warte. Entscheidend sei für seine Fraktion, dass hier ausschließlich bezahlbare Mietwohnungen entstehen und Bewohner angesichts von Abriss und Neubau „nicht zigfach umziehen müssen“.
Fuhrmann: „Zulasten der Bewohner“
Philipp Fuhrmann (Netzwerk), der sich am Abend vor der Sitzung erneut ein Bild vor Ort gemacht hatte, zeigte anhand von drei Bildern, warum das Quartier in seinen Augen schon jetzt ein „perfektes Wohngebiet“ ist. Die Gebäude wurden mit neuen Fenstern ausgestattet. „Balkone, intakte Gebäude, Grünstreifen und große Baumbestände, Wiesen und Verschattungen“, zählte er nur einige Beispiele auf. Dazu Bewohner, die ihre Wohnanlage hegen und pflegen und offenkundig mit dem Zustand zufrieden sind, führte er weiter aus. Für seine Fraktion stehen die Gebäude nicht zur Disposition, die Wohnungen seien alle belegt und bezahlbar. SWG und Zeppelin-Wohlfahrt würden es schließlich auch schaffen, in Abstimmung mit den Mietern zu erneuern und zu sanieren.
Die AfD sah ebenfalls keine Notwendigkeit, die Gebäude abzureißen. Baubürgermeister Fabian Müller verwies auf das erklärte Ziel der Nachverdichtung. „Wo haben wir schon Eigentümer, die von sich aus verdichten wollen?“ Bei jeder potenziellen Innenentwicklungsfläche würden es schließlich Konflikte geben. Die Pläne im Franzosenquartier würden „zulasten der Bewohner gehen“, entgegnete Fuhrmann. Mirjam Hornung betonte: „Wir müssen froh sein, dass wir hier einen Investor haben, der zu 100 Prozent Sozialwohnungen schafft.“
Das Gremium stimmte bei vier Enthaltungen für den Start eines städtebaulichen Wettbewerbs. Andreas Gramlich, der als Anwohner und Vertreter der Bewohner des Quartiers vor Ort war, zeigte sich enttäuscht. „Warum sollen funktionierende Strukturen hier einfach zerstört werden?“, fragt er sich. Auch nach der Überarbeitung der Pläne sollen große und für Familien bezahlbare Wohnungen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden“, kritisiert er. Dass ausgerechnet in einem Quartier mit mehr als 100 Wohnungen und 500 Bewohnern auch noch nachverdichtet werden soll, ist in seinen Augen nicht nachvollziehbar.