Es ist ruhig auf dem See. Die Tretboote schaukeln sanft im Gondelehafen. Die Regentropfen benetzen die Steganlage. Christina Helmer sitzt unter der Markise des Kassenhäuschens der Bootsvermietung ihres Bruders Marc Fluck und blättert in Fotoalben, die ein Stück weit die Geschichte des Familienbetriebs nachzeichnen. Sie seufzt. Die Familie hat lange beratschlagt, aber sich letztlich schweren Herzens zu der Entscheidung durchgerungen: Marc Fluck wird den Pachtvertrag nicht verlängern. Es ist die letzte Saison der Familie Fluck am Konstanzer Gondelehafen, denn der Vertrag mit der Stadt Konstanz läuft zum Jahresende aus.

„Ein Arbeitsplatz mit hundert Prozent Seesicht“, stellt Christina Helmer fest und blickt dabei über den Gondelehafen an der Imperia vorbei auf den See. „Es war eine schöne Zeit“, sagt sie, die seit 1994 mit einer kurzen Unterbrechung in dem Betrieb ihres Bruders mitarbeitet hat. Eigentlich hat sie schon früher begonnen, denn „als Familienmitglied ist man immer irgendwie dabei“.

Erst Radolfzell, dann Konstanz

Ihr Vater Albert Fluck hatte als gelernter Bootsbauer mit seiner Mutter Victoria in Radolfzell 1970 mit der Bootsvermietung begonnen, die er bis 1987 geführt hat. „Mein Bruder Marc hat auch Bootsbauer gelernt“, erzählt Christina Helmer. Als der Betreiber der Bootsvermietung im Konstanzer Gondelehafen im Jahr 1993 verstarb, hat sich Marc Fluck beworben und den Zuschlag bekommen. Seinerzeit habe es keine richtige Steganlage gegeben. Auch die Boote seien in keinem guten Zustand gewesen. „Der Großteil der Boote musste entsorgt werden“, so Helmer.

So sah die Bootsvermietung aus, als Marc Fluck sie im Jahr 1994 übernommen hatte. Die Boote mussten großteils entsorgt werden.
So sah die Bootsvermietung aus, als Marc Fluck sie im Jahr 1994 übernommen hatte. Die Boote mussten großteils entsorgt werden. | Bild: Familie Fluck

Im Jahr 1994 „hat Marc mit Oma Victoria, die damals 81 Jahre alt war, angefangen“, berichtet Christina Helmer. „Es gab nur zwei Stege“, schildert sie. „In der Mitte des Hafenbeckens war eine Kette. Unsere Boote haben wir immer dort herausgefahren, um sie nicht begehbar zu machen.“ Damals lagen die Ruderboote noch am Rutsch. Die Ruder waren in Metallkisten verstaut und mussten immer nach vorn getragen werden. „Es war sehr aufwendig, hat aber funktioniert“, blickt sie zurück.

Bootsbauer Marc Fluck hat 31 Jahre lang die Bootsvermietung am Konstanzer Gondelehafen gepachtet und hört jetzt auf. Den Standort in ...
Bootsbauer Marc Fluck hat 31 Jahre lang die Bootsvermietung am Konstanzer Gondelehafen gepachtet und hört jetzt auf. Den Standort in Friedrichshafen betreibt er aber weiterhin. | Bild: Familie Fluck

Investitionen und raffinierte Ideen

„Einmal im Jahr gibt es eine Betriebsabnahme“, erklärt Christina Helmer. Schon kam die Auflage, eine andere Steganlage zu bauen, „da war Marc gerade 21 Jahre alt und ein Jahr selbständig“. Gemeinsam mit seinem Vater hat er im Winter 1994 Ideen gesammelt, geplant, im Frühjahr 1995 Dalben gesetzt, die Anlage bauen lassen und in Betrieb genommen. 1996 kam die Erlaubnis, dass neben Tret- und Ruderbooten auch Elektromotorboote vermietet werden durften. „Mit zwei Elektrobooten haben wir angefangen“, so Helmer.

Christina Helmer zeigt ein Farbfoto und schmunzelt. „1997 hatte unser Papa die großartige Idee: Wir brauchen Sonnenschutz auf den Tretbooten.“ Auf zwei Booten wurden Sonnenschirme installiert und der Luxus für 50 Pfennig Aufpreis angeboten. Das kam bei den Leuten so gut an, sodass Flucks sukzessive alle Tretboote derart aufrüsteten.

Albert Fluck hatte die Idee, die Tretboote mit Sonnenschirmen auszustatten. Die 1997 eingeführte Luxusvariante wurde für einen Aufpreis ...
Albert Fluck hatte die Idee, die Tretboote mit Sonnenschirmen auszustatten. Die 1997 eingeführte Luxusvariante wurde für einen Aufpreis von 50 Pfennig angeboten. | Bild: Familie Fluck

Das Jahrhunderthochwasser 1999

Unvergessen ist Christina Helmer das Jahrhunderthochwasser von 1999, als auch große Teile des Stadtgartens unter Wasser standen. „Mit den Ruderbooten sind wir zwischen den Bänken durchgefahren“, weiß sie noch genau. Doch so idyllisch war die Lage nicht.

„Es bestand die Gefahr, dass bei Wind und Wetter die Steganlage wegschwimmt“, erzählt Christina Helmer und fährt fort: „In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben wir für die Dalben eine Verlängerung bauen lassen. Eine sehr gute Konstruktion, die allem standgehalten hat.“ Als der Stadtgarten wieder begehbar war, haben die Familienmitglieder mit Schalungsbrettern und Europaletten eine Brücke zur Steganlage gebaut, damit der Bootsverleih weiterlaufen konnte. „Es war eine sehr spannende Zeit“, so Helmer.

Das Jahrhunderthochwasser 1999 stellte auch die Familie Fluck vor große Herausforderungen.
Das Jahrhunderthochwasser 1999 stellte auch die Familie Fluck vor große Herausforderungen. | Bild: Familie Fluck

Victoria, damals 89 Jahre alt („Oma ist stolze 102 geworden“), hat noch in ihrer letzten Saison anno 2001 ihren Enkel tatkräftig unterstützt. 2004 bemühte sich Marc Fluck erfolgreich um die Bootsvermietung in Friedrichshafen, siedelte 2005 dorthin um, während seine Eltern, Albert und Inge Fluck, gemeinsam mit Christina Helmer, die seit 2020 in Vollzeit hier arbeitet, den Bootsbetrieb in Konstanz managten.

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Für sie gibt es Herzenssachen

„2008 haben wir die Ruderboote eingestellt, da das Verkehrsaufkommen immer mehr wurde und sich doch viele Menschen mit ihren Ruderqualitäten überschätzt haben“, so Christina Helmer. Im Gegenzug haben sie den Flamingo – ein Boot, von dem aus man baden gehen kann – ausprobiert und sukzessive auf dieses Modell umgestellt.

Seit 2008 unterstützt die Familie die Hoppetosse. Der Verein „Wings for handicapped“ und die Wasserschutzpolizei laden Kinder und Erwachsene mit Handicap zusammen mit ihren Eltern oder Betreuenden zu einem kostenfreien und sorglosen Ausflug auf den Bodensee ein. Die Familie Fluck stellt seither ihre Infrastruktur zur Verfügung. „Das ist eine Herzenssache von uns“, so Helmer. „Es ist unser persönliches Highlight. Mit keinem Geld der Welt zu bezahlen, welche Freude damit behinderten Menschen gemacht wird.“

Das neue Kassenhäuschen war ein Höhepunkt für das Team, denn endlich hatten sie fließendes Wasser und eine eigene Toilette. Zuvor mussten sie die öffentlichen Toiletten nutzen. „Dann kam Corona mit all den Unsicherheiten und dann sind wir überrannt worden“, so Helmer. Im Jahr 2021 hat die Familie die Steganlage erweitert, auch wenn schon damals die Frage in der Luft lag, wie es weitergeht.

Ein Teil der Familie im Jahr 2024 am Gondelehafen: Inge und Albert Fluck (Mitte) mit ihren Enkeln Constantin Helmer (links) und Max ...
Ein Teil der Familie im Jahr 2024 am Gondelehafen: Inge und Albert Fluck (Mitte) mit ihren Enkeln Constantin Helmer (links) und Max Helmer (rechts). | Bild: Familie Fluck

Jetzt geht eine Ära zu Ende

„Irgendwann wird es zu viel. Papa ist 79 und Mama 72“, sagt Christina Helmer. Vergangenen Winter tagte der Familienrat und fällte „schweren Herzens entschieden, den Standort aus Altersgründen aufzugeben“, gibt sie wieder. Den Pachtertrag für Konstanz haben sie nicht verlängert, schließlich führt Marc Fluck jenen in Friedrichshafen weiter. Die Stadt Konstanz hat zwischenzeitlich auch den Betrieb der Bootsvermietung am Gondelehafen ausgeschrieben.

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„Es hat Spaß gemacht. Es war mit Leidenschaft und wir hatten viele schöne Erlebnisse“, resümiert Christina Helmer. „Der Betrieb hat unsere Familie ernährt. Wir sind dankbar für 31 tolle Jahre.“ Sie lässt ihren Blick über den Gondelehafen an der Imperia vorbei auf den Bodensee schweifen und sagt: „Jetzt ist der Zeitpunkt, loszulassen“.