Die Zahl ist gigantisch. Rund 2850 Wohnungen könnten in Friedrichshafen bis zum Jahr 2040 entstehen, ohne neue Baugebiete auszuweisen. So steht es in einer 130-seitigen Studie des Rathauses, die am Dienstag für reichlich Gesprächsstoff im Bauausschuss des Gemeinderates sorgte. Doch wie? Durch Nachverdichtung in der Fläche und in die Höhe, könnte man verkürzt sagen. Im Detail ist es komplexer.

Wie kommt man auf 2850 mögliche Wohnungen?

Das Stadtplanungsamt hat die Anzahl der möglichen Wohnungen nach Stadtraumtypen analysiert und letztlich berechnet. Ein Potenzial von rund 1300 Wohnungen schlummert demnach auf 15 Flächen, die größer als 2000 Quadratmeter und teils schon sehr lange für den Wohnungsbau vorgesehen sind. Das reicht vom Oberhof über den Fallenbrunnen bis zur Eisenbahnstraße in Fischbach. Über 800 Wohnungen wären in über 240 Baulücken möglich, also Freiflächen zwischen Gebäuden, auf denen es Baurecht gibt und die erschlossen sind. Rund 180 Wohnungen ließen sich auf Grundstücken schaffen, die so besser ausgenutzt werden könnten. Nicht zuletzt durch Aufstockung auf bestehenden Gebäuden könnten rund 550 Wohnungen in Friedrichshafen dazu kommen.

Auf diesem Areal zwischen Bahngelände und Löwentaler Straße ist eine sogenannte Entwicklungsfläche, auf der die Stadt Friedrichshafen ...
Auf diesem Areal zwischen Bahngelände und Löwentaler Straße ist eine sogenannte Entwicklungsfläche, auf der die Stadt Friedrichshafen möglichst schnell Planungsrecht für neue Wohnungen schaffen will. | Bild: Katy Cuko

Wozu dient die Berechnung?

Ziel ist, dass Wohnraum schneller und einfacher entstehen kann, ohne jahrelang über Bebauungsplänen sitzen zu müssen. „Wir erhoffen uns einen Bau-Wumms für den Innenbereich“, brachte das Fabian Müller, Erster Bürgermeister und Chef im Baudezernat, in der Sitzung auf den Punkt. Nicht zuletzt braucht man solch ein Konzept für den neuen Flächennutzungsplan, der in Arbeit ist und die Stadtentwicklung bis 2040 plant. Wie wichtig das ist, zeigt die Einwohnerzahl, die von 1999 bis 2022 von rund 57.000 auf 62.400 Personen gestiegen ist.

„Wir erhoffen uns einen Bau-Wumms für den Innenbereich“, sagt Erster Bürgermeister Fabian Müller.
„Wir erhoffen uns einen Bau-Wumms für den Innenbereich“, sagt Erster Bürgermeister Fabian Müller. | Bild: Lena Reiner

Wie soll dieser „Bau-Wumms“ funktionieren?

Das Rathaus hat vier Pakete mit Maßnahmen geschnürt, um möglichst schnell ins Tun zu kommen, so Müller. Erstens: Für zwei große Flächen soll im Turboverfahren das passende Baurecht her, und zwar für ein Grundstück an der Ifenstraße und an der Löwentaler Straße. Zweitens: Da die meisten Baulücken in privater Hand sind, will die Stadt die Eigentümer mit einem Fragebogen anschreiben, was sie mit ihrem Grundstück vorhaben.

Das könnte Sie auch interessieren

Drittens: Auch Grundstücke mit geringer Bebauungsdichte und ungenutzte Flächen sollen mit einer gezielten Ansprache an die Eigentümer aktiviert werden. Viertens: Das Thema Aufstockung will die Stadt vor allem mit den Wohnungsbaugesellschaften angehen. Werden so mindestens acht neue Wohnungen geschaffen oder 600 Quadratmeter Geschossfläche, will die Stadt das positiv begleiten. Starten will das Rathaus mit den Bereichen Mühlösch und Schreienösch. Nicht zuletzt will das Rathaus im Baurecht entrümpeln und veraltete Vorgaben beseitigen, wo das geht und für alle Bauwilligen Erleichterung verschafft.

Wie sehen das die Gemeinderäte im Bauausschuss?

Lob gab es für die systematische Arbeit und den umfassenden Überblick über das theoretische Potenzial für mehr Wohnungen in der Innenstadt. Die Zahlen, die dabei herausgekommen sind, nennt Tilmann Stottele (SPD) allerdings „schwindelerregend“. 2850 neue Wohnungen bis zum Jahr 2040 würde bedeuten, dass die Stadt auf 70.000 Einwohner anwächst. „Wir haben noch nicht darüber diskutiert, ob wir das überhaupt wollen“, sagte er. Solch ein Wachstum habe Konsequenzen, die mitgedacht werden müssten.

Grüne Wiese mitten in der Stadt: In bester Lage an der Ifenstraße will ein privater Bauträger knapp 80 Wohnungen bauen.
Grüne Wiese mitten in der Stadt: In bester Lage an der Ifenstraße will ein privater Bauträger knapp 80 Wohnungen bauen. | Bild: Katy Cuko

Für Philipp Fuhrmann (Netzwerk) sind die Prämissen falsch gesetzt. Viele Wohnungen in Friedrichshafen seien genehmigt, würden derzeit aber nicht gebaut, weil es zu teuer ist. Der Fokus der Stadt müsse auf dem bezahlbaren Wohnungsbau liegen. „Dort müssen wir den ‚Bau-Wumms‘ realisieren, nicht in Grünzonen der Stadt“, sagte er. Seinem Fraktionskollegen Simon Wolpold ist ein Dorn im Auge, dass neun von 15 Entwicklungsflächen auf der grünen Wiese sind, obwohl die Stadt genau solche Flächen erklärtermaßen schonen wolle.

Das könnte Sie auch interessieren

Dass ausgerechnet das Projekt eines privaten Bauträgers an der Ifenstraße ins Turboverfahren soll, kritisierte Wolpold. Dort seien Premiumwohnungen geplant. Am sozialen Wohnbauprojekt Wachirweg gehe hingegen nichts weiter.

Wie geht es weiter?

Nach dieser Diskussion war sich der Bauausschuss einig, dass es sich eher um eine „Studie zur Aktivierung von Potenzialen in der Innenentwicklung“ denn um ein Konzept handelt. Dafür fehlte es den meisten Stadträten an der Tiefe. Eine Empfehlung, ob der Gemeinderat diesem Papier zustimmen soll, gab es auf Antrag des Netzwerks nicht. Bleibt also abzuwarten, wie sich das Gremium am 28. April zu diesem Turbo-Programm für Wohnungsbau verhält.