Die Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Nachhaltigkeit hat am Donnerstag neue Details zum geplanten Baugebiet Oberhof III hervorgebracht. Der Ausschuss hatte Professor Andreas Schwab eingeladen, um die Ergebnisse der Thermalkartierung der Stadt Friedrichshafen vorzustellen. Schwab und sein Team von der PH Weingarten hatten bereits im vergangenen Jahr Klimadaten gesammelt und damit eine Karte erstellt, auf der die Temperaturen in der Stadt und im Umland dargestellt werden.
Hintergrund ist, dass die Stadt sich mit ihren vielen versiegelten Flächen im Sommer stärker aufheizt als die ländlichen Gebiete drumherum. Die Lage direkt am See trägt allenfalls in unmittelbarer Ufernähe zur Kühlung bei. Durch diese Lage ist die Stadt auf kühle Luftströme angewiesen, die das Siedlungsgebiet nachts mit Frischluft versorgen. Diese Luftströme kommen in Friedrichshafen allesamt aus nördlicher Richtung: vom Gehrenberg aus Richtung Markdorf, von Raderach, entlang der Rotach und im Osten entlang des Schussentals. Damit die Luft das stickige Stadtklima entlasten kann, muss der Luftzug gewährleistet werden. "Deshalb muss man in diesen Bereichen ganz genau hinschauen, was eine mögliche Bebauung angeht", sagte Schwab während seiner Präsentation. Heißt im Klartext: Wenn man auch in Zukunft erträgliche Temperaturen in der Innenstadt gewährleisten möchte, dürfen diese Flächen nicht oder nur unter strengen Auflagen bebaut werden.
Welchen Zündstoff der Vortrag des Forschers enthielt, war den wenigsten Ratsmitgliedern offensichtlich auf den ersten Blick bewusst. Mitten in dem Kaltluftabfluss, der von Raderach kommend vor allem dem westlichen Teil der Stadt zugutekommt, ist ab 2020 eigentlich das Neubaugebiet Oberhof III mit 326 Wohneinheiten geplant. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren sämtliche Grundstücke zwischen Friedhof und Glärnischstraße aufgekauft, immer mit dem Plan, in dem Gebiet neuen Wohnraum zu schaffen. Oberhof III ist das einzige Gebiet, das im Flächennutzungsplan als Reservebauland ausgewiesen ist und sich komplett im Besitz der Stadt befindet. Dennoch gibt es bis heute keinen Bebauungsplan für das Gelände. Peter Buck ist Vorstandschef der Fränkel AG, die der Stadt einen Teil der Flächen verkauft hat. Er kritisiert, dass die Stadt das potenzielle Baugebiet seitdem nicht vorangetrieben hat. "Da investiert die Stadt zweistellige Millionenbeträge in Grundstücke für Wohnungsbau und man hat nicht den Mut, einen Bebauungsplan anzugehen", sagte Buck erst im Juni dem SÜDKURIER.
Welche Folgen eine immer wärmere Kernstadt für ihre Bewohner haben könnte, führte Geografie-Professor Andreas Schwab im Umweltausschuss aus. "Durch den Klimawandel verändern sich die bestehenden Strukturen nicht. Aber es wird insgesamt immer wärmer", erklärte er. Zunehmende Hitze und Tropennächte, in denen das Thermometer nicht mehr unter 20 Grad sinkt, würden vor allem Kleinkinder und alte Menschen zusätzlich belasten. Er wies zudem auf die Lage mehrerer Seniorenheime und Kindergärten in den betroffenen Stadtteilen hin.
Die versiegelte Fläche durch große Bäume und Rasen zu begrünen, sei jedoch auch keine nachhaltige Lösung. Nicht einmal der Riedlewald als grüne Lunge kann die Stadt in nennenswerter Form entlasten. "Die kühlende Wirkung beschränkt sich auf die direkt angrenzenden Straßen", so Schwab. Nach dem Vortrag versprach der Umweltbeauftragte Tilmann Stottele, die gewonnenen Erkenntnisse in künftige Überlegungen einzubeziehen. "Das sind überraschende Ergebnisse. Sie zeigen, dass man sehr sensibel an die Pläne herangehen muss." Unstrittig sei, dass die Stadt einen Entwicklungsbedarf habe.
Neu ist die Problematik indes nicht. Bereits 2010 war das Frischluftproblem absehbar und die Luftstromkarte in der Klimafibel des Regionalverbandes Bodensee-Oberschwaben abgedruckt. Wie die Stadt damit bei der Flächennutzungsplanung umgeht, ist offen.
Thermalkartierung 2016
Die Thermalkartierung fand bereits im Sommer 2016 statt. Geleitet wurde die Studie von Professor Andreas Schwab von der PH Weingarten. Für die Untersuchung waren in zwei Nächten mehrere Fahrradfahrer in der ganzen Stadt unterwegs, ausgerüstet mit einem GPS-Gerät und einem Temperaturlogger. Die Geräte speichern alle zehn Meter die gemessene Temperatur. So ergibt sich ein genaues Bild der klimatischen Verhältnisse. Auffallend hoch ist der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Umland. Die Stadt kühlt sich in tropischen Nächten über 20 Grad Celsius viel weniger ab. Deshalb sind Kaltluftflüsse, die frische Luft aus dem Umland in die Stadt leiten, unerlässlich. Diese Korridore sollten laut Klimaforschern frei von Bebauung bleiben. (kbr)