"341, 582", Maart blättert sein Panini-Sticker-Album durch und gibt die Nummern der fehlenden Klebebildchen durch. Der 13-Jährige sammelt seit dem 14. Juni die Sticker und möchte seine WM-Sammlung "Russia 2018" vervollständigen. Jetzt tauscht er bei der Tauschbörse im Kunstverein die doppelten Fußballspieler gegen die fehlenden ein. Eins zu eins. Ein Portrait gegen ein anderes. Norbert Frank ist zum gleichen Zweck aus dem Deggenhausertal nach Friedrichshafen gereist. Der 47-Jährige kann Maarts Album heute mit 22 seiner Sticker ergänzen. Er selber hat jedoch kein Glück. Für ihn ist nichts Passendes dabei.

Ein Tütchen kostet 90 Cent

Eine teure Angelegenheit sei das für Kinder, klagt eine Mutter, die ihre Tochter begleitet. 682 Sticker enthält so ein Album, ein Tütchen mit fünf Fußballspielern kostet 90 Cent. Zehn Tütchen sind für 7,99 Euro zu haben. Und je mehr Tüten man kaufe, desto mehr Spieler habe man doppelt. Das gehe ins Geld und zum Schluss seien noch Oma und Opa als Sponsoren gefragt, bestätigt Maarts Vater, Jürgen Stöckle aus Meckenbeuren. Der Fußballtrainer seines Sohnes hat die Alben verteilt. Jetzt will Maart auch die Sticker haben. Ronaldo, Messi und Neymar kleben schon an der richtigen Stelle.

Julian Denzler, Stephan Ullmann und Claus Markgraf freuen sich über die Fußballvideos. Bernd Lutze hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht.
Julian Denzler, Stephan Ullmann und Claus Markgraf freuen sich über die Fußballvideos. Bernd Lutze hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht.

Messi oder der Ersatztorwart

"Die Bildchen haben alle die gleiche Wertigkeit", sagt der Kurator des Kunstvereins, Julian Denzler. Messi sei hier genauso wertvoll wie der Ersatztorwart von Saudi-Arabien. Und tatsächlich. Keiner der Sammler sucht nach einem Gesicht. Gefragt sind lediglich fehlende Nummern. Und was geschieht, wenn das Album voll ist? "Es liegt im Schrank", prophezeit der Vater. Dass das nicht unbedingt ein Fehler ist, weiß dagegen Norbert Frank: "Für ein Album mit einem kompletten und nicht eingeklebten Stickersatz aus den 80er Jahren werden heute 500 bis 600 Euro bezahlt." Doch niemand tausche alte Bildchen gegen neue. Die müsse man schon kaufen.

"Es geht um den Grenzbereich zwischen Popkultur und Kunst", erklärt Kurator Denzler die Aktion, die der Kunstverein in Verbindung mit der Fotoausstellung "Fußballtempel" des Fotografen Reinaldo Coddou H. organisiert, um mit beiden Ansätzen Fußball als kulturelles Phänomen darzustellen. Es sei der Versuch, der Stadt zu beweisen, dass der Kunstverein nicht nur verkopfte Sachen zeigt, sondern alle Bürger erreichen möchte. Mit den Fotos in der Stadt sei das gelungen. Am Bahnhof hätten Jugendliche angefangen, sich davor zu fotografieren, noch bevor die Schutzfolie abgezogen war. Auch sei bisher nichts beschädigt worden. "Das ist für uns ein Zeichen, dass es angenommen wird", sagt Julian Denzler.

Was fehlt mir, was hast du zu bieten? Höchste Konzentration beim Tauschen.
Was fehlt mir, was hast du zu bieten? Höchste Konzentration beim Tauschen. | Bild: Anette Bengelsdorf

"Der Priester wird Verständnis haben"

Hinten im Raum läuft unterdessen Fußball in Südamerika. Eines von vielen kurzen Videos zum Amateur-fußball und den Träumen, die er generiert, überall auf der Welt: Ein Trainer im Trenchcoat mit schwarzer Armbinde engagiert sich am Spielfeldrand mit Händen und Füßen für sein Team. Der Aufforderung seiner Mutter, endlich zur Beerdigung des Vaters zu kommen, kann er deshalb nicht Folge leisten. Es gehe um den Klassenerhalt, erklärt er der gebrechlichen Dame im Rollstuhl. "Der Priester wird Verständnis haben."

So hoch scheint das Fußballfieber heute in Friedrichshafen nicht zu sein. Nur wenige kommen zum Tausch. Liegt es am Vorrunden-Aus der deutschen Elf? Tauschbörsen gibt es jedenfalls auch im Internet. Auf klebebildchen.de oder stickermana-ger.com kann man die Fußballspieler, anders als im wirklichen Leben, zu jeder Tages- und Nachtzeit tauschen.