Ein Sportwagen fährt mit röhrendem Motor auf den Parkplatz Hinterer Hafen und hält auf der hintersten Parkfläche. Der Fahrer steigt nicht aus, zieht kein Ticket. Der Motor läuft noch. Nach wenigen Minuten fährt er wieder weg, lässt den Motor dabei aufheulen. Was passiert da? Nach einem mutmaßlichen Straßenrennen am 28. April, bei dem ein Mopedfahrer schwer verletzt wurde, wendet sich ein Anwohner der Eckenerstraße mit schweren Vorwürfen an die Öffentlichkeit. Aus Angst um seine Familie möchte er anonym bleiben.
"Seit einigen Jahren hat sich in Friedrichshafen eine polizeibekannte Raser- und Tuningszene entwickelt, die sich an verschiedenen Plätzen in Friedrichshafen trifft, um sich mit ihren aufgemotzten und oftmals illegal getunten Fahrzeugen in Szene zu setzen", schreibt der Familienvater in einem offenen Brief an die Stadtverwaltung, Gemeinderäte und Kreistagsmitglieder sowie verschiedene Medienvertreter. Er schildert, wie regelmäßig Straßenrennen veranstaltet werden und der Parkplatz Hinterer Hafen als Treffpunkt dient. Vor allem am Wochenende sollen sich die Raser dort treffen.
Seit zehn Jahren wohnt der Briefschreiber nach eigenen Angaben in der Eckenerstraße. "Die lärmenden Fahrzeuge sind aber erst seit drei bis vier Jahren ein Problem", erklärt er in einem Gespräch. Um sein Anliegen zu untermauern, zeigt er eine Videoaufnahme auf seinem Handy: Ein schwarzer Sportwagen fährt mit kreischendem Motor die Eckenerstraße hinunter. Das Display zeigt an, dass es kurz vor 3 Uhr ist. "Und das geht jedes Wochenende so", sagt der Familienvater.
Teure Autos mit lauten Motoren
Ein Besuch am Hinteren Hafen an einem Freitagabend. Tatsächlich sind auf dem Parkplatz mehrere Fahrer mit teuren Autos anzutreffen. Dass deren Motoren laut sind, lässt sich nicht leugnen. Eine Verabredung zu illegalen Straßenrennen ist zumindest an diesem Abend jedoch nicht zu erkennen. Die Polizei teilt diese Einschätzung: "Beim Polizeirevier Friedrichshafen liegen mit Ausnahme des jüngsten Verkehrsunfalls keine Hinweise auf Straßenrennen vor", erklärt Markus Sauter, Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, im Gespräch mit dieser Zeitung.
Auch die Häfler Stadtverwaltung nimmt zu den Vorwürfen des Anwohners der Eckenerstraße Stellung. Nach Beschwerden über Raser auf dem Parkplatz Hinterer Hafen, habe die Stadt Bodenschwellen angebracht. Laut Polizei seien die Zahl der Beschwerden dadurch erheblich zurückgegangen. In den vergangenen Monaten gab es lediglich zwei Beschwerden, sagt Monika Blank, Sprecherin der Stadtverwaltung, auf Anfrage.

Anwohner plant weitere Schritte
Wer dennoch bei waghalsigen Fahrmanövern oder dem unnötigen Aufheulenlassen des Motors erwischt wird, muss ein Bußgeld von 20 Euro zahlen. "Dies mag man als unbefriedigend oder als zu gering bewerten, allerdings sind die Bußgeldstellen an diese Vorschriften gebunden", teilt Monika Blank mit.
Dem Briefschreiber reicht das nicht. "Ich wünsche mir, dass der Treffpunkt Hinterer Hafen begrenzt wird", formuliert er und schlägt vor: "Vielleicht mit einer Schranke oder höheren Bodenwellen wie beim Bodenseecenter." Seine nächsten Schritte sind zudem schon geplant: "Um meinem Anliegen mehr Bedeutung zu verleihen, möchte ich mich mit anderen Betroffenen vernetzen. Dann können wir gemeinsam auftreten und mit der Stadtverwaltung sprechen."
Grenzwerte
Ein Auto darf nicht beliebig laut sein. Die Europäische Union hat 2016 Grenzwerte festgelegt, die in den kommenden Jahren weiter gesenkt werden sollen. Hierfür wurden die Fahrzeuge in vier Kategorien unterteilt: Je höher das Leistungsgewicht, berechnet in PS je Tonne, desto mehr Lärm dürfen sie produzieren. Für neue Autos bis 163 PS gelten seit 2016 72 statt 74 Dezibel als Lärmgrenze. Ab 2022 wird dieser Wert auf 70 Dezibel gesenkt, 2026 schließlich auf 68. Zusätzlich hat die EU Systeme verboten, die die Lautstärke eines Fahrzeugs in bestimmten Fahrsituationen ändern. Ein Klappenauspuff, der auf Knopfdruck das Motorengeräusch verstärkt, ist damit illegal. Generell gilt, dass Veränderungen am Auto von offiziellen Prüfstellen in den Fahrzeugschein eingetragen werden müssen. Diese testen natürlich auch die Geräuschemission. Bei einem Fahrzeug mit nicht genehmigten Modifizierungen erlischt die Betriebserlaubnis. Es ist damit nicht länger für den Straßenverkehr zugelassen. (kip)
Von der tickenden Uhr bis zum Presslufthammer: So laut ist unser Alltag
Das Auto ist nur eine von vielen Lärmquellen, denen der Mensch im Alltag ausgesetzt ist. Doch wann wird der Lärm unangenehm, wann sogar schmerzhaft und schädlich? Udo Müller, Geschäftsführer von Hörgeräte Müller Friedrichshafen, weiß Bescheid:
- Zehn Dezibel werden als sehr angenehm empfunden. Beispiele hierfür sind etwa das Rauschen von Blättern oder ruhiges Atmen.
- 20 bis 30 Dezibel laut sind ein tropfender Wasserhahn oder eine tickende Uhr.
- 60 bis 70 Dezibel werden bei einer normalen Unterhaltung gemessen. Außenstehende müssen in der Nähe schon die Stimme anheben, um sich ebenfalls unterhalten zu können. In Kantinen und Großraumbüros kann deshalb einen Lärmpegel von etwa 75 Dezibel erreicht werden.
- 70 bis 80 Dezibel laut ist ein durchschnittliches Auto. In diesen Bereich fallen auch Staubsauger und laute Streitgespräche. Menschen empfinden diese Lautstärke als störend und passen ihr Verhalten an, indem sie etwa Fenster geschlossen halten.
- 80 bis 90 Dezibel laut ist eine Hauptstraße. Auch Rasenmäher und Lastwagen in nächster Nähe oder etwa ein vorbeifahrender Zug fallen in diesen Bereich. Wer langfristig einer Lautstärke von 85 Dezibel ausgesetzt ist, kann dadurch Gehörschäden davontragen, die das Hörvermögen vermindern.
- 100 bis 120 Dezibel laut ist es in einer Diskothek oder auf einem Rockkonzert. Kettensäge und Presslufthammer liegen bei etwa 120 Dezibel. Die gleiche Lautstärke hat die Mannheimer Polizei während einer groß angelegten Kontrollaktion in der Innenstadt im September 2017 bei getuneten Autos festgestellt. Schon bei kurzfristiger Einwirkung können bei dieser Lautstärke Gehörschäden entstehen.
- 140 Dezibel laut können ein startendes Kampfflugzeug oder ein Gewehrschuss je nach Entfernung sein. Auch Feuerwerkskörper fallen in diese Kategorie. Die menschliche Schmerzschwelle liegt zwischen 100 und 120 Dezibel. Entscheidend für die genaue Schmerzgrenze ist die Frequenz des Geräusches.