Es gibt nicht nur preisgünstigere Möglichkeiten, in Friedrichshafen zu übernachten, es gibt auch deutlich komfortablere. Wer die Nacht hier verbringt, hat sich aber ohnehin nur in den seltensten Fällen selbst dafür entschieden: die Gewahrsamszellen im Keller des Polizeireviers Friedrichshafen. Weil bei jenen, die dort einquartiert werden, häufig Alkohol im Spiel ist, ist oft auch von Ausnüchterungszellen die Rede.
Die Einrichtung: nüchterner geht es kaum
Nur wenige Schritte sind es von der Tür bis zur Stirnseite der Zelle, noch weniger von der rechten bis zur linken Wand. Im Licht, das tagsüber durch ein Fenster zwischen zwei Belüftungsgittern dringt, dominieren das Weiß der Fliesen und das Grau des nackten Bodens den ersten Eindruck der gut zehn Quadratmeter. Eine Heizung ist nahezu nahtlos in die Wand eingelassen – eine Kante und damit ein Verletzungsrisiko weniger.

Eine Wolldecke liegt auf einer schmalen Matratze mit abwaschbarer Hülle. Beim Probesitzen gibt sie etwas mehr nach, als es die Nüchternheit des Raumes insgesamt vielleicht erwarten lässt. In der Ecke schräg gegenüber der niedrigen Pritsche ist eine Toilette in den Boden eingelassen. Bis auf deren Nutzung – so viel Privatsphäre muss sein – erfasst eine Kamera, die oberhalb angebracht ist, alles, was in der Zelle passiert.
Fünf Zellen im Untergeschoss des Polizeireviers Friedrichshafen
Zuerst oder stattdessen geht es mitunter ins Krankenhaus
In einer der Ausnüchterungszellen endete 2020 ein Trinkgelage für einen anschließend aggressiv gewordenen Mittdreißiger. Laut Polizeibericht wurde bei dem Mann eine Atemalkoholkonzentration von rund 2,9 Promille gemessen. Die Polizei nahm ihn letztlich mit zum Revier, in solchen Fällen führt der erste Weg aber ins Krankenhaus, wo die Gewahrsamsfähigkeit überprüft wird. „Man trägt ja auch eine entsprechende Verantwortung“, sagt Polizeihauptkommissar Ralph Teubner. Beispiele für Umstände, die eine Nacht in der Ausnüchterungszelle nicht vertretbar machen können: Schlafapnoe oder Klaustrophobie.
Toilettenpapier wird bei Bedarf in die Zelle gebracht
Mit in die Zelle kommt nur ein Teil der Bekleidung. Was Übernachtungsgäste sonst bei sich tragen, wird protokolliert und erst zum Abschied wieder ausgehändigt. Kalt ist in der Zelle aber tatsächlich nur der Anblick, die Heizung leistet bei unserem Besuch an einem Werktagsmorgen gute Dienste. Eine zusätzliche Wolldecke gibt es, wie auch Wasser und Toilettenpapier, bei Bedarf. Dieser Bedarf kann nicht nur dann angemeldet werden, wenn gerade einer der diensthabenden Beamten einen Kontrollgang macht: Die Zellen verfügen über eine Gegensprechanlage.

Licht, Raumtemperatur und Toilettenspülung werden außerhalb der Zelle gesteuert. „Die Kameras ersetzen Kontrollgänge nicht, sie helfen aber mitzubekommen, wenn mit jemandem etwas nicht stimmt“, sagt Teubner. Wer auf Medikamente angewiesen ist, wird auch damit versorgt.
Der Morgen danach: koffeinfrei – die Rechnung danach: happig
Ein Aufenthalt in der Gewahrsamszelle kann nach ein bis zwei Stunden beendet sein. „Es können aber auch mal 20 Stunden vergehen“, sagt Teubner. Viele Nächte in der Ausnüchterungszelle enden ihm zufolge im Morgengrauen. „Dann läuft der ÖPNV an und außerdem sind Kontaktpersonen wieder erreichbar.“
Verpflegung ist nur für Insassen der Haftzellen inklusive, einen Kaffee zum Abschied gibt es nach dem Ausnüchtern also nicht. Dafür eine Rechnung: 52 Euro werden für die eingesetzten Beamten und den Transport zum Revier berechnet, sagt Marco Paglia, 100 Euro für die Nacht in der Zelle. Die ärztliche Untersuchung ist gegebenenfalls nicht kostenlos und weitere Zusatzkosten handelt sich ein, wer die Zelle in einem Zustand hinterlässt, der mehr als die übliche Reinigung erforderlich macht.