Nichts weniger als das stärkste Flugzeug-Triebwerk der Welt will Rolls Royce noch in diesem Jahrzehnt zum Einsatz bringen. Es soll bis zu 100 000 PS übertragen, ein Quantensprung in der zivilen Luftfahrt. Zum Vergleich: Soviel Kraft haben 500 Mittelklassewagen unter der Motorhaube. Im Idealfall könnte dieses Getriebe in Friedrichshafen gebaut – nicht von ZF, sondern von einer jungen Firma in einem nagelneuen Werk am Seewald.

„UltraFan“ heißt das Triebwerk, das in dieser Leistungsdichte noch niemand gebaut hat. Mehr noch: Es soll 25 Prozent weniger Sprit verbrauchen als die ersten Trent-Triebwerke von Rolls Royce, außerdem leichter und leiser sein. Nicht nur ein enormer Schub für umweltfreundlichere Jets, die auch deutlich weniger Treibhausgase emittieren. Es ist eine Pionierleistung, die genau dort vorbereitet, wo die Luftfahrt ihre Wiege hatte: in Friedrichshafen.
Prototypen gibt es bereits. „Auf dem Prüfstand im Testzentrum Dahlewitz haben wir 70 000 PS schon erreicht“, sagt Heike Liebe sichtlich stolz. Sie ist neben Darren Billings von Rolls-Royce die von Liebherr entsandte Geschäftsführerin der Aerospace Transmission Technologies GmbH (ATT). So heißt das 45-Mann-Unternehmen, das die Produktion des „UltraFan“-Getriebes entwickelt.

Die Firma gründeten 2015 Rolls Royce und die Liebherr Aerospace mit Sitz in Lindenberg/Allgäu; beide halten 50 Prozent der Anteile. Dabei steckt – historisch betrachtet – auch ein Stück ZF in dem Joint Venture. 1999 kaufte Liebherr Aerospace das Häfler Werk am Seewald der ZF-Luftfahrttechnik ab. In der Halle fertigt Liebherr bis heute Hubschraubergetriebe.
Zum Herzstück des „UltraFan“ gehört ein hochkomplexes, knapp ein Meter großes Zahnradgetriebe. „Da geht die ganze Kraft durch“, verdeutlicht Heike Liebe. Dieses Planetengetriebe schafft es erstmals in einem Flugzeugantrieb dieser Leistungsklasse, zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten anzupassen. Der Vorteil dabei ist, dass der Bläser – das am Jet von außen sichtbare Schaufelrad des Triebwerks – dann am effektivsten arbeitet, wenn er sich viel langsamer dreht als die Turbine dahinter. Eine Technologie, die es in in dieser Größenklasse bisher nicht gibt, sagt Heike Liebe. Und sie stellt höchste Anforderungen an Material, Schmierung und Kühlung. Auch dafür hat die ATT-Geschäftsführerin einen passenden Vergleich. „Ein Zahnradpaar überträgt so viel Kraft wie ein ganzes Formel-1-Starterfeld mit allen seinen Boliden.“

ATT hat die Aufgabe, die Fertigung dieses Getriebes aufzubauen, was vielfach über die heutigen Möglichkeiten hinaus reicht. „Wir entwickeln dafür neue Verfahren“ sagt Heike Liebe. Die Anforderungen zum Beispiel an die Passgenauigkeit sind extrem: Wie stellt man einen Meter große Zahnräder quasi ohne Maßabweichungen her? „Unsere Toleranzen liegen im my-Bereich, das ist weniger als eine Haaresbreite“, erklärt die ATT-Chefin. Damit der Stahl extreme Hitze und Spannung aushält, wird er mehrfach erhitzt und gehärtet – eine Wissenschaft für sich. Dabei soll die Produktion des Hochleistungsgetriebes künftig weitestgehend automatisch und digital gesteuert laufen. An dieser Fabrik der Zukunft tüfteln die ATT-Ingenieure aus neun Ländern.
Die Hülle steht schon – auf dem Gelände von ATT und Liebherr am Seewald. Im vergangenen Jahr wurde dafür eine rund 3000 Quadratmeter große Halle abgerissen und eine neue aufgebaut. Die ersten Hightech-Maschinen stehen, weitere Anlagen kommen hinzu. So wird die Vorfertigung Schritt für Schritt aufgebaut, was Jahre dauert. Erst dann kann das „UltraFan“-Getriebe in Serie gehen. Bis dahin werden die Komponenten auch im Liebherr-Werk nebenan hergestellt.
Pläne am Seewald und Suche nach Alternativen
Ob Zahnräder und andere Komponenten für das neue Hochleistungsgetriebe dann auch in Friedrichshafen produziert werden, weiß Heike Liebe noch nicht sicher. Aber: „Wir engagieren uns konsequent dafür, das ‚unser‘ Herzstück des Triebwerks auch hier gebaut werden kann“, sagt sie. Das hänge auch davon ab, wie das „UltraFan“-Triebwerk am Markt ankommt.
Auch für dieses Projekt wollen ATT und Liebherr das Firmengelände vorausschauend erweitern und haben deshalb bei der Stadt entsprechende Anträge gestellt. Dafür steht auch ein Teil des Seewalds zur Disposition. Dazu sagen ATT und Liebherr aktuell, dass sie zurzeit Alternativen dazu prüfen.