Frau Sjurts, macht Ihnen die Arbeit als Präsidentin Spaß?
Ja, zunehmend! Am Anfang war es eine große Umstellung für mich von einer staatlichen zu einer privaten Universität. Und die ist schon ein bisschen besonders und zwar im besten Sinne. Die ZU muss man erst einmal verstehen, und das hat ein wenig gedauert. Aber mittlerweile ist sie ganz in meinem Herzen angekommen. Wir haben hier großartige Mitarbeiter, das habe ich vorher kaum erlebt. Hier geht eine Begeisterung durch die Räume und Köpfe, die mich zunehmend mitreißt und ganz großartig ist. Es macht mich stolz, ein Teil davon zu sein.
Am Anfang war das sicher weniger spaßig, eine Uni zu übernehmen, die mehr zu kämpfen als zum Schaffen hatte. Sind die Finanzen der ZU wieder im Lot?
Ja. Wir haben einen wirklich schweren Weg hinter uns. Ich muss noch einmal meinen Dank aussprechen an alle Mitarbeiter und Studierende, dass sie mit uns diesen Weg gegangen sind. Wir haben ein ganz konsequentes Kostenmanagement an der ZU betrieben und den Betrieb konsolidiert, sodass wir jetzt auf solide Rücklagen zurückgreifen können. Das war mein Ziel, nie wieder in eine Situation zu kommen, in der wir quasi von der Hand in den Mund leben müssen. Jetzt könnten zwei, drei schwierige Jahre kommen, die wir ohne Probleme durchstehen würden.
Wie haben Sie das erreicht?
Wir haben jeden Stein an der Uni umgedreht und gefragt, braucht es das oder braucht es neue Strukturen und Prozesse. Diese Reise haben wir über drei Jahre gemacht. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wieder proaktiv zu agieren und zu schauen, wie wir uns für die Zukunft aufstellen wollen. In diesem Umbruch sind wir jetzt.
Vor zwei Jahren stand die Frage im Raum, ob die ZU den Campus am Seemooser Horn noch braucht, zumal der finanziell eine schwere Hypothek für die Uni ist…
Wir haben den Mietvertrag mit der Zeppelin Wohlfahrt als Eigentümer der Gebäude hier am Seemooser Horn neu verhandelt. Das waren sehr konstruktive Gespräche. Allen war klar, dass die finanziellen Möglichkeiten der ZU begrenzt sind, aber der Vermieter freilich auch einen ordentlichen Mietzins haben will. Ich denke, dass wir da einen guten Mittelweg gefunden haben. Der Vertrag ist um zehn Jahre zu einem fairen Mietzins verlängert worden. Das ist wichtig für die Uni, weil dieser Standort hier gewissermaßen die Seele der ZU ist.
Sie sind finanziell also für beide Standorte so aufgestellt, dass das langfristig funktioniert?
Wir kommen damit jetzt gut zurecht. Denn den Standort am Seemooser Horn möchte ich zunehmend für unsere Executive Education nutzen, also die Weiterbildung. Der Bereich soll aufwachsen zu einer vierten Finanzierungssäule für die ZU werden und somit zur Refinanzierung beitragen.
Bisher finanziert sich die Universität über das Drei-Säulen-Modell, also ein Drittel Studiengebühren, ein Drittel durch die Gesellschafter und ein Drittel über Drittmittel und Sponsorengelder. Wie tragfähig ist das heute noch?
Das ist nach wie vor ein gutes und vernünftiges Modell. Aber Risikovorsorge ist für uns heute ebenso ein Thema, das man immer im Blick haben muss. Deshalb sind wir bemüht, uns zunehmend eigene Finanzierungsquellen zu erschließen und haben aus diesem Grund den Weiterbildungsbereich neu aufgestellt. Denn bisher war die Executive Education ein Verlustgeschäft. Da saßen in manchen Studiengängen nur sehr wenige Studierende. Jetzt bieten wir nur gezielt Studiengänge an, die stark nachgefragt sind und erwirtschaften damit bereits richtig gute Erlöse. Das ist noch keine vierte Säule, die so groß ist wie die drei anderen. Das braucht noch Zeit. Wir werden uns künftig noch stärker im maßgeschneiderten Bereich, insbesondere in der Weiterbildung für Führungskräfte, engagieren. Das Geschäft haben wir stärker ausgebaut, hier sind wir sehr erfolgreich unterwegs, auch wenn es ein schwieriger Markt ist.
Wen sprechen Sie hier konkret an?
Große Firmen bieten mit uns Führungskräfteschulungen über mehrere Tage an, für die unsere Wissenschaftler entsprechende Programme stricken. Dazu kommen kleine, aber feine Masterstudiengänge, die berufsbegleitend angeboten werden. Unseren Master für Führungskräfte in Familienunternehmen gibt es 2018 bereits seit zehn Jahre. Auch der läuft heute wieder richtig gut.
Vor zwei Jahren haben Sie dem Gemeinderat ihre neue Strategie vorgestellt, die sich stark auf die Regionalisierung der ZU fokussierte. Wie ist das angekommen?
Ich bin überzeugt, dass eine Universität mit der Region verbunden sein muss. Wenn sie Gelder aus der Region erhält, muss sie etwas zurückgeben. Wir haben das in den vergangenen drei Jahren konsequent umgesetzt, beispielsweise mit dem Studium Generale. Wir haben uns im ISEK-Prozess der Stadt engagiert. Vor wenigen Wochen habe ich außerdem einen Workshop mit Studierenden zum Thema Geschäftsmodelle rund um den Veloring, der in Friedrichshafen entstehen soll, gemacht. Solche Anknüpfungspunkte suchen wir bewusst. Auch das Gründerzentrum, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, soll in die Region hinein wirken. Ich möchte talentierte junge Menschen, die an der ZU studieren, so hier in der Region halten. Dazu kommt unsere Transfer-Strategie. Wir stellen dort Überlegungen an, was die Uni für die Region auch in Sachen Forschung leisten kann, beispielsweise bei der Digitalisierung. Diesen Transformationsprozess können wir als Universität großartig begleiten und gemeinsam mit Förderern, Partnern und Unternehmen der Region gestalten. Das verstehen wir auch als unseren Auftrag.
Wie sehen Sie die Zukunft der ZU, um in Konkurrenz zu privaten, aber auch staatlichen Unis bestehen zu können?
Unser zentrales Thema bleibt die Verbindung von Wirtschaft, Kultur und Politik. Wir verfügen über ein breites Netzwerk, bieten viel Freiraum für eigene Ideen und sind interdisziplinär aufgestellt. Das passt hervorragend zu der großen Herausforderung, vor der wir alle stehen, die Digitalisierung. Wir werden uns diesem Thema deshalb zunehmend verschreiben und bilden heute und in Zukunft die Köpfe aus, die den Digitalisierungsprozess gestalten. Ich wünsche mir persönlich, dass wir weitere Lehrstühle mit digitaler Fokussierung in den drei Fachbereichen einwerben können.
Spiegelt sich diese zukunftsgerichtete Strategie – Regionalisierung und Digitalisierung – in den Bewerberzahlen für ein Studium an der ZU wider?
Diese Thema Digitalisierung beginnen wir jetzt erst zu bespielen. Ich sagte ja, dass wir die letzten drei Jahre vor allem mit der Konsolidierung beschäftigt waren. Als klare Strategie rufen wir die Digitalisierung jetzt für uns aus und brechen sie auf die Studiengänge herunter.
Die Bewerberzahlen sind in den vergangenen drei Jahren aber signifikant nach unten gegangen.
Die mussten zurückgehen, weil wir Abschied nehmen mussten von den doppelten Abitur-Jahrgängen. Wir hatten in den Jahren 2013/14 den Peak. Gleichzeitig kommen in Deutschland jedes Jahr 700 neue Studiengänge hinzu, und davon sind die meisten kostenlos. Da sehen Sie, in welchem Wettbewerbsumfeld wir uns bewegen. Das ist eine Herausforderung für die ZU, aber wir werden sie erfolgreich bewältigen können, wenn wir solche Themen wie Digitalisierung kraftvoll nach vorne treiben. Dazu kommt natürlich, dass wir die Vergangenheit rund um die Bonuszahlungen bei Drittmittelbeschaffungen von 2014 erst einmal verdauen mussten.
Die Uni finanziert sich zu einem Drittel aus den Studiengebühren. Werden immer weniger Bewerber und Studenten finanziell zu einem neuen Problem?
Es ist richtig, dass die Zahlen niedriger sind, aber wir versuchen sie, auf diesem Niveau zu halten. Wir haben derzeit 1200 Studierende im Bachelor-, Master- und Promotionsprogramm, bei dieser Zahl wollen wir bleiben, planen also keine Expansion. In diesem intensiven Wettbewerbsumfeld setzen wir heute mehr als früher auf Marketing. Wir bleiben aber beim Auswahlverfahren, auch wenn es insgesamt weniger Bewerber gibt.
Inwiefern müssen Sie trotzdem nachjustieren, um erfolgreich bestehen zu bleiben?
Neben unserem vierjährigen Bachelor werden wir ab Herbst 2018 parallel auch ein dreijähriges Studium in den Wirtschaftswissenschaften anbieten. Wir überlegen zudem, ein einjähriges Schnupperstudium anzubieten. Wir wissen von vielen Abiturienten, die noch gar nicht so richtig wissen, was sie studieren wollen und hier ihre Neigung herausfinden können. Wer dann an der Uni bleibt, bekommt das Jahr angerechnet. Und natürlich stellen wir Überlegungen an, wie wir in unseren Masterprogrammen noch besser werden können.
Gibt es neue Formen der leistungsabhängigen Vergütung?
Für wissenschaftliche Mitarbeiter haben wir ein Verfahren eingeführt. So führen Veröffentlichungen in hoch renommierten Zeitschriften zu einer Ausschüttung, die beispielsweise für Reisen zu Konferenzen verwendet werden können. Für Professoren haben wir ein solches Anreizsystem noch nicht entwickelt, machen uns da aber Gedanken zu. Da geht es aber nicht darum, Boni für die Einwerbung von Spenden oder Drittmitteln zu zahlen, wie es früher der Fall war. Wir möchten stattdessen Anreize für gute Forschung oder gute Lehre setzen. Wir sind bei den Kriterien aber noch nicht so weit.
Wie erfolgreich sind Sie heute bei der Einwerbung von Sponsorengeldern?
Wir konnten Lehrstühle, die finanziert sind, prolongieren. Wir stehen aber immer wieder vor der Herausforderung, dies zu erreichen. Das Umfeld ist nicht einfacher geworden, um Sponsoren zu finden. Unternehmen fragen heute viel stärker, was für sie der Output ist, wenn sie einen Lehrstuhl sponsern. Da kommen wir als Universität an unsere Grenzen, denn wir müssen immer die Freiheit von Forschung und Lehre wahren. Dafür haben wir uns stärker auf das Einwerben von Stipendien konzentriert und konnten gerade die Höchstzahl von 18 Deutschland-Stipendien ausloben.
Fragen: Katy CukoZur Person
Insa Sjurts, geboren 1963 in Hamburg, ist seit April 2015 Präsidentin der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen und leitet den neu geschaffenen Lehrstuhl für „Strategisches Management und Medien“. Nach dem Studium von Betriebswirtschaftslehre und Sozialökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität in ihrer Heimatstadt promovierte sie 1994, habilitierte sich 2000 und wurde Professorin an der Universität Flensburg. 2006 ging Insa Sjurts als Professorin zurück an die Universität in Hamburg und war zudem viele Jahre Akademische Direktorin und Geschäftsführerin der Hamburg Media School und langjährige Vorsitzende der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), deren Mitglied sie bis heute ist. (kck)