Dass sich Erstklässler mal mehr nach der Schule sehnen als nach dem Seehas hat es vermutlich in den vergangenen 70 Jahren in dieser Stadt nie gegeben. Das Seehasenfest ist aufgrund der Corona-Pandemie zum ersten Mal in seiner Geschichte abgesagt, so wie alle anderen Großveranstaltungen in diesem Land bis Ende August auch. Doch wie geht es den Kindern damit, dass das traditionsreiche Kinder- und Heimatfest ausfällt? Insbesondere denen, die in diesem Jahr zum ersten Mal beim Festumzug mitgelaufen wären und ihren Hasenklee bekommen hätten? Die kurze Antwort lautet: Viele Kinder haben eher andere Sorgen.

Manuel, sieben Jahre

Manuel (7 Jahre) geht in die erste Klasse der Fischbacher Grundschule. 2020 hätte er seinen Hasenklee bekommen.
Manuel (7 Jahre) geht in die erste Klasse der Fischbacher Grundschule. 2020 hätte er seinen Hasenklee bekommen. | Bild: Wienrich, Sabine

„Mir ist schon oft ganz schön langweilig“, sagt Manuel, sieben Jahr alt, Grundschüler in Fischbach, „vor allem meine Freunde fehlen mir sehr.“ Der Siebenjährige besuchte die 1. Klasse erst ein halbes Jahr, als die Schulen im März geschlossen wurden. Fast sechs Wochen ist das jetzt her, eine lange Zeit für Manuel. „Es gibt ja irgendwie fast nix mehr, wo wir hin können“, erklärt der Siebenjährige. Die Eltern müssen beide arbeiten, der Garten ist eher klein und die Spielplätze sind geschlossen. „An Ostern wollten wir eigentlich zu Oma Heidi nach Brandenburg. Die sehen wir fast nie. Ich vermisse sie so“, erklärt Manuel. Dass das Seehasenfest in diesem Jahr ins Wasser fällt, hat ihm seine Mama bereits gesagt. „Ich wäre gern Riesenrad gefahren“, meint der Erstklässler, „aber das kann ich dann ja nächstes Jahr.“

Nikolas, neun Jahre

„Ich finde es besonders blöd, dass die Spielplätze geschlossen sind“ findet Nikolas (9 Jahre).
„Ich finde es besonders blöd, dass die Spielplätze geschlossen sind“ findet Nikolas (9 Jahre). | Bild: Wienrich, Sabine

Ähnlich sieht das auch sein Bruder Nikolas, neun Jahre alt. Der Drittklässler geht normalerweise auf die Bodenseeschule, eine Ganztagesschule. Im Alltag kommt er um 16 Uhr nachhause. „Mir fehlt die Schule schon, vor allem die Nachmittage sind da schön“, sagt er. Holzwerkstatt, Judo, Ergotherapie, Büchereibesuche – alles was Nikolas gerne mochte, fällt im Moment weg. Und dass die Spielplätze gesperrt sind, findet er auch doof. „Das verstehe ich auch nicht. Man könnte doch aufpassen, oder?“

Wie das Spielplatzverbot für Kinder ist Video: Sabine Wienrich

Einen Lichtblick gab es in den vergangenen sechs Wochen allerdings auch: Zu Ostern hat der Drittklässler einen Hamster bekommen. Aber da sein Bruder Manuel den nun auch oft sehen wolle, gebe es oft Streit im Kinderzimmer. „Eigentlich bin ich schon froh, den Manuel zu haben, sonst wäre ich ja ganz alleine“, stellt Nikolas aber auch fest. Vom Seehasenfest ist Nikolas kein großer Fan. „Das war immer so heiß bei dem Umzug“, erklärt er. Dass das jetzt ausfällt, kann er ganz gut verkraften: „Da bin ich sogar ein bisschen froh.“

Raphael, sieben Jahre

Raphael (7 Jahre) hatte sich schon auf seinen ersten Seehasen-Festumzug gefreut: „Ich wäre so gerne mitgelaufen.“
Raphael (7 Jahre) hatte sich schon auf seinen ersten Seehasen-Festumzug gefreut: „Ich wäre so gerne mitgelaufen.“ | Bild: Wienrich, Sabine

Nachbarjunge Raphael hingegen hatte sich schon darauf gefreut. Es wäre sein erstes Mal gewesen, denn auch er besucht eine 1. Klasse an der Bodenseeschule. „Ich bin schon ein bisschen traurig, dass wir gar nicht mitlaufen können und den Seehas nicht sehen“, berichtet Raphael. Vor allem auf den Rummel und zur Hasenklee-Ausgabe wäre er sehr gerne gegangen. Was ihm aber deutlich mehr zu schaffen macht, ist, dass er seine Freunde nicht sehen darf. „Alle aus meiner Klasse fehlen mir so“, sagt er.

„Ich weiß nicht, wann ich nochmal Oma und Opa sehe“

Traurig ist Raphael auch, dass er gar nicht mehr zum Fußballtraining kann. Der Bolzplatz um die Ecke ist auch keine Alternative, denn der ist auch abgesperrt. Und dann ist da noch die Sache mit Oma und Opa. Auch Raphael wäre an Ostern zu seiner Verwandtschaft gefahren: „Jetzt weiß ich gar nicht, wann ich die überhaupt mal wiedersehe.“

Bella, sechs Jahre

Bella (6 Jahre) hatte sich schon auf das Seehasenfest gefreut. Dass es den Hasenklee trotzdem geben soll, findet sie toll.
Bella (6 Jahre) hatte sich schon auf das Seehasenfest gefreut. Dass es den Hasenklee trotzdem geben soll, findet sie toll. | Bild: privat

Auch Bella, Erstklässlerin an der Fischbacher Grundschule, hat ihre Omas und den Opa schon lange nicht mehr gesehen. Sie malt Bilder, es gibt Video-Anrufe, aber das ist eben alles auch nicht dasselbe wie ein richtiges Wiedersehen. „Meine Freundinnen fehlen mir auch so doll“, sagt Bella, „ich würde so gerne mal wieder mit ihnen spielen. Auf dem Pausenhof, zuhause, auf dem Spielplatz.“

Die Osterferien waren anders als sonst

Die Schule, die Lehrerin, die Freunde – das alles fehlt. Selbst die Osterferien waren nicht das Gelbe vom Ei. „Wir waren wandern, im Wald, sind Fahrrad gefahren“, erzählt Bella. Aber normalerweise könnte man ja schon auch noch andere Sachen machen. Zum Beispiel Freunde treffen, verreisen, in den Streichelzoo, Eisessen.

Dass das Seehasenfest nun auch noch ausfällt, wollte ihr Bellas Mutter erst gar nicht verraten. Aber da Oberbürgermeister Andreas Brand den Kindern versprochen hat, dass sie ihren Hasenklee trotzdem bekommen, hat Bella es dann doch erfahren. „Das finde ich schon ziemlich schade“, sagt sie, „ich hätte den Seehasen schon echt gerne geknuddelt.“

Die Sehnsucht nach dem Alltag wächst

Kindsein während der Pandemie – das ist nicht unbedingt Friede-Freude-Eierkuchen oder Corona-Ferien. Obwohl alle von uns befragten Kinder aus privilegierten Familien kommen, wo Eltern sich gut kümmern können und auch ein kleiner Garten zur Verfügung steht, ist die Sehnsucht nach dem (Schul)-Alltag mittlerweile groß. Wann und ob es den je wieder geben wird, weiß im Moment leider keiner.